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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


Da das deutsche Patentgesetz in diesem Punkte (§ 11) von allen Patentgesetzen anderer Staaten wesentlich abweicht, so ist es nöthig, die Bedeutung desselben näher zu betrachten.

Zunächst ist es immerhin möglich, daß sich ein Sonderling, ein Misanthrop eine wichtige Erfindung patentiren läßt und sie durchaus nicht praktisch verwirklichen lassen will. Einem solchen Erfinder gegenüber macht das Gesetz die richtige Anschauung geltend, daß ein Patent nicht erteilt ist, um eine Erfindung ungenützt liegen zu lassen, sondern um den Erfinder in dem Bestreben zu ermuntern die Erfindung Andern zugänglich zu machen. Sind drei Jahre verflossen, ohne diesen Zweck der Patentirung zu erfüllen, so kann das Patentamt das Patent für erloschen erklären. Es versteht sich von selbst, daß das Patentamt dies nur dann zu thun hat, wenn der Allgemeinheit damit ein Dienst geleistet wird.

Aber auch ein Fall des Eigennutzes ist denkbar, wo ein Einschreiten des Patentamtes von größter Wichtigkeit ist.

Es kann sich Jemand eine Erfindung in Deutschland patentiren lassen, die eine bestehende Fabrikationsweise ganz umgestaltet, wie z. B. die Verwandlung von Eisen in Stahl auf einem äußerst billigen und vortheilhaften Wege. Wenn nun solch ein Patentinhaber die Anwendung seines Verfahrens keinem deutschen Fabrikanten erlaubt, dagegen im Auslande große Stahlfabrikationen anlegt, so wäre er im Stande, durch seine ausländischen Fabriken alle inländischen zu ruiniren und sich damit ein Monopol des ganzen Fabrikationszweiges zu verschaffen. In einem solchen Falle, wo das „öffentliche Interesse“ es gebietet, daß die Benutzung der Erfindung auch Andern gestattet werden muß, schreibt das deutsche Patentgesetz vor, daß eine solche Erlaubniß gegen angemessene und sichergestellte Vergütigung von Seiten des Erfinders ertheilt werden muß. Weigert er sich dessen, so kann ihm das Patent nach drei Jahren entzogen werden. Was man eine „angemessene Vergütigung“ nennt, darüber entscheidet schließlich das Oberhandelsgericht nach Anhörung von Fachmännern.


4. Die Erfinder und das Publicum.

Die Form, in welcher ein Patent nachgesucht werden muß, ist im Gesetz und dessen Ausführungsverordnungen leicht ersichtlich. Wer hierin in Zweifel ist, der thut am besten, sich an einen gewissenhaften Patentagenten zu wenden, der ihm von guter Seite empfohlen wird. Dem Gesuch selbst ist eine Einzahlung von zwanzig Mark beizufügen, womit die Kosten der Prüfung und Veröffentlichung bestritten werden. Diese Zahlung wird nicht gestundet, sie ist auch so mäßig, daß selbst der Arme sie wird leisten können. Bei Ertheilung des Patents muß eine Gebühr von dreißig Mark gezahlt werden, und mit jedem Jahr steigert sich die Gebühr um fünfzig Mark. Wer jedoch seine Bedürftigkeit nachweist, dem werden die Gebühren in den ersten zwei Jahren gestundet. Im dritten Jahre wird mit Recht vorausgesetzt, daß sein Patent ihn in Stand gesetzt haben müsse, die Gebühren zu zahlen oder, wenn dies nicht der Fall sein sollte, daß er geneigt sei, die Werthlosigkeit desselben zu erkennen und auf die Fortdauer des Patents zu verzichten.

Da die höchste Dauer eines Patents sich auf fünfzehn Jahre erstreckt, so sammelt sich die Gebühr, die sich alljährlich um fünfzig Mark steigert, zu der beträchtlichen Höhe von mehr als fünftausend Mark an. Aber man rechnet darauf, daß nur wirklich werthvolle Erfindungen sich ganze fünfzehn Jahre hindurch aufrecht erhalten, während werthlose bereits in den ersten Jahren erlöschen werden, weil es den Besitzern nicht lohnt, die Gebühren dafür zu zahlen.

In der Regel sind unsere lieben deutschen Erfinder nicht die Leute, welche es verstehen, ihre Ideen praktisch zu verwerthen, oder mit anderen Worten: Sie sind seine Denker, aber schlechte Geschäftsmänner. Es wird sich daher empfehlen, daß sie sich mit tüchtigen Geschäftsmännern in Verbindung setzen, die ihnen vom Gewinn der Erfindungen einen anständigen Antheil geben. Allein wir halten es für rathsam, dies erst dann zu thun, wenn sie das Patent in Händen haben. Die zwanzig Mark, welche die Prüfung kostet, muß der Erfinder schon aus seiner Tasche zahlen. Erst wenn er ein Patent hat, mag er einen Geschäftsmann für die Ausführung und Verwerthung suchen und sich durch einen gründlichen Kenner des Rechts einen guten, bindenden Contract ausarbeiten lassen, damit er nicht über's Ohr gehauen wird, wenn die Erfindung Gewinn bringt. Der Erfinder darf auch niemals vergessen, daß „Verbesserungen“ auch patentirt werden und es leicht möglich ist, daß eine wichtige Verbesserung von einem Andern erfunden wird, der dem ersten Erfinder den Vortheil leicht aus der Hand spielen kann. Darum soll ein Erfinder nicht allzu verliebt in seine ursprünglichen Ideen sein und stets darauf sinnen, wie und wo eine Verbesserung anzubringen ist. Er schützt sich dadurch vor dem Ueberflügeltwerden, das nicht selten die besten Köpfe lahm legt.

Aber dich, du liebes deutsches Volk, dich rufe ich ganz besonders auf, ein getreuer Schutzwächter des fleißigen deutschen Erfindungsgeistes zu sein, dem das Schutzgesetz wenig bieten kann, wenn du ihn vernachlässigst.

Es ist wahr, leider nur zu wahr, daß wir augenblicklich noch sehr im Nachtheil gegenüber den Ausländern stehen. Frankreichs feiner Geschmackssinn, Englands großer Unternehmungsgeist und Amerikas Geschicklichkeit, für Haus und Küche Mühen und Arbeitskraft zu ersparen, bilden einen Vorsprung, den wir nicht gar schnell überholen können. Aber mehr noch setzt uns in Nachtheil der viel verbreitete Glaube des Volkes, daß daheim nichts so gut, schön und vortheilhaft erfunden und geliefert werden kann, wie in der Fremde. Wir predigen nicht gern nationalen Stolz, am allerwenigsten gegenwärtig, wo er sich auf dem Gebiete der Politik schon ein wenig mehr, als gut ist, landläufig macht. Aber Pflege des heimatlichen Geistes, Förderung des heimathlichen Productes, Freude am heimathlichen Schaffen ehren den deutschen Künstler, den deutschen Gewerbsmann und die deutsche Hausfrau mehr als jeder Schmuck, den die Fremde bietet.

Achtest du deine Erfinder, so bist du selber achtenswerth; benutzest du fleißig die einheimische Erfindung, so erhebst du das liebe Vaterland zur gesunden Selbstbeachtung.

A. Bernstein.




Weibliche Handarbeit.
Von A. Panzer.


Schaffen und Streben ist Gottes Gebot;
Arbeit ist Leben; Nichtsthun der Tod.

Es dürfte vielen Leserinnen auffallend erscheinen, daß man etwas so Langweiliges, Unbedeutendes, wie die weibliche Handarbeit in den Augen der meisten Frauen jetzt nun doch einmal ist, in einem Blatte wie die „Gartenlaube“ überhaupt besprechen kann. Die „Gartenlaube“ hat aber schon manche Vergessenheit an's Licht des Tages gezogen, schon für viele unschuldig Verachtete eine Lanze gebrochen und hat es auch mir vergönnt, für die verpönte, geistestödtende Handarbeit hier einzutreten.

Gottfried Semper äußert sich einmal über den Verfall der modernen Stickerei und sagt dabei unter Anderem etwa Folgendes über die Art, wie unsere Vorfahren bei dieser Arbeit zu Werke gingen: „Unsere Aeltermütter waren zwar keine Mitglieder der Akademien der Künste, noch Albumsammlerinnen, noch hörten sie ästhetische Vorträge, aber sie wußten sich selber Rath, handelte sich's um die Zeichnung zu einer Stickerei.“ Diese Bemerkung des großen Lobredners der textilen Kunst findet weiteste Anwendung auf die ganze weibliche Handarbeit, wenn sie auch gelegentlich der Stickerei zum Ausdruck kam.

Unsere Altvordermütter liebten und schätzten die Kunstfertigkeit der Hände und pflegten sie darum in künstlerischer Weise. Die Mehrzahl der Frauen der Gegenwart zögert keinen Augenblick, die weibliche Handarbeit, als etwas ihrer Unwürdiges, mit souveräner Verachtung zu behandeln, aus dem einfachen Grunde, weil sie ihre Bedeutung nicht zu schätzen weiß. So sind denn nach und nach Sinn und Verständniß für die schönste Beschäftigung des Weibes verloren gegangen, und nur eine verschwindende

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 634. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_634.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)