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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)

No. 45.   1877.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig.



Teuerdank's Brautfahrt.
Romantisches Zeitbild aus dem 15. Jahrhundert.
Von Gustav von Meyern.
(Schluß.)


„Ich hatte ein Auge auf den Herzog,“ sagte der Fiedler, „und als er heimlich durch die Thür verschwand, folgte ich ihm. Zu spät! Er entschlüpfte eben durch ein Nebenpförtlein in dem halbdunklen Corridor. Noch starrte ich ihm nach – da schleicht etwas heran und ruft leise:

'Wo ist der Herzog?'

'Hier,' sage ich, und siehe da, zwei lange Fuchsschwänze tauchen vor mir auf. 'Ha,' rufe ich, aber 'Ha' ruft auch er, und ich sage Euch, Herr, so schnell dreht sich kein Kreisel auf dem Flecke herum, wie er vor mir – und weg war er.“

„Wie konnte er durch die geschlossenen Thore Gents kommen?“

„Bah, Herr, die Art kennt alle Schleichwechsel. Aber seid auf Eurer Hut!“

„Ja, seid auf Eurer Hut!“ bestätigte der jetzt gleichfalls zurückkehrende Herberstein. „Die Stadt zwar ist ruhig; die Absperrung des Schlosses hat ihre Dienste gethan; man hält uns in der Stadt, wie ausgesprengt worden, für holländische Hülfstruppen, mit denen zur Abwehr gegen die Franzosen alle Thorwachen besetzt würden. Die Ueberrumpelung ist überall eine vollständige gewesen. Aber der Herzog von Cleve, er, der Gefährlichste, war nirgends zu finden.“

„Wir glauben's Euch, Alter, lächelte, sichtlich befriedigt von der Meldung, Maximilian, „denn Seine Gnaden war bei Uns. Sein letzter Versuch! Doch als er Lunte gerochen – verzeihet mir, Prinz! – hat er uns Alle überlistet und das Weite gesucht.“

„Soll ich ihm nach, Herr?“ bot sich wiederum der Junker an.

„Nicht doch, Fürwittig!“ beschied ihn launig Maximilian. „Laß genug sein an Deinen Heldenthaten! – Nein, die beste Bürgschaft für ihn ist uns sein Sohn. Und was Euch betrifft, Prinz ...“ Er hielt inne; seine Brauen zogen sich zusammen; die Entscheidung wurde ihm schwer.

Aber der Prinz wartete sie nicht ab. Nochmals ließ er sich auf ein Knie nieder.

„Wagt es mit mir, Herr!“ bat er mit inständig flehendem Ausdrucke in Blick und Ton. „Der Ritt hierher hat mich abgekühlt. Ich war erbittert, als ich Euch verließ, aber aller Groll ist aus meinem Herzen geschwunden. Ich bin Euch so wahrhaft ergeben, daß ich selbst einem Feinde, wenn er Euch zum Siege verholfen, nicht mehr zürnen könnte. Beurtheilt mich nicht nach dem Scheine, sondern glaubet mir! Ich bin ein ehrlicher deutscher Prinz, zum Kriegshandwerk erzogen, und Ihr seid mein künftiger Herr und Kaiser, dem ich einst Heerfolge schulde. Schlagt meinen Arm nicht aus, weil er sich gegen Euch erhoben! Hat mich das Schicksal Euch in den Weg geworfen, so geschah es wider meinen Wunsch und Willen. Gottlob, daß ich dabei unterlegen bin, sonst säht Ihr mich nicht zu Eueren Füßen, und könntet mich nicht aufheben. Thut es, Herr! Mit eintausend Reitern und fünfhundert Fußknechten, von mir selber angeworben, stelle ich mich Euch.“

Es lag etwas so rührend Treuherziges in der Art, wie er diese Rede, die längste und fließendste, die er jemals gehalten, vortrug, daß das stumme Augenspiel der Umstehenden das beste Zeugniß für die Theilnahme gab, die er erweckt hatte. Selbst Maria sah mit bittendem Auge zu Maximilian auf, und Adelheid gar machte eine so auffällige Bewegung mit ihrem Spitzentuche in der Richtung ihrer Wimpern, daß Hugo, sich eines stillen Verdachtes nicht erwehren konnte.

Maximilian aber bot mit kurzem Entschlusse dem Prinzen die Hand und hob ihn auf.

„Ihr habt gesprochen wie ein deutscher Fürstensohn,“ sagte er. „Möchte sich Mancher im Reiche ein Beispiel an Euch nehmen! Wohl denn! Ihr sollt Eure Mannen behalten und mein Feldoberst sein. ... Ritter Ehrenhold, brecht augenblicklich mit dem Prinzen auf, damit es seinem Vater nicht etwa gelingt, trotz der geschlossenen Thore, vor Euch zu den Reitern zu gelangen, und nehmt seine Leute für die Herzogin in Eid und Pflicht! Dem Herzoge, wenn Ihr seiner ansichtig werden solltet, gebt sicheres Geleite nach Deutschland. ... Keine Einwendung, Alter! Das Wort dieses Prinzen und mein Vertrauen in ihn steht mir höher, als jede Vorsicht. – Und nun zu Euch, Prinz! Sobald Mann und Pferde nothdürftig geruht haben, stellt Ihr Euch mit dem Ritter an ihre Spitze und streifet unverzüglich die Straße nach Ypern den Franzosen entgegen. Ihre Vorhut soll nicht weit sein. Wo Ihr sie auch findet, überrascht, überfallt sie in der Nacht, jagt sie auseinander, daß ein heilsamer Schreck in sie fahre und ihr König ersehe, daß deutsche Klingen über ihn gekommen! ... Gott befohlen!“

Freudestrahlend verabschiedete sich der Prinz. Aber noch im Abgehen konnte er nicht umhin, eine Secunde auf Adelheid zu verwenden.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 749. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_749.jpg&oldid=- (Version vom 29.5.2018)