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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


Nun kamen die Sprüche der anderen Kategorie an die Reihe.

„Vertrau’ dem Schild,
Zu Gott blick’ auf!
Und wenn es gilt.
Dann führ’ uns drauf!“

„Das ist schon besser,“ nickte Wrangel beifällig. „Mehr von der Art!“

Der nächste Spruch war dem Thema genau nachgebildet und hieß:

„Hast Du erspäht den Feind,
Dann wäge nicht, dann drauf!
Ist Gott mit Dir vereint, –
Wer hemmt des Sieges Lauf?“ –

„So ist’s richtig,“ erhob sich Wrangel, sichtbar befriedigt. „Jetzt hast Du mir verstanden, mein Junge. Nun wollen wir das Weitere Seiner Majestät, dem Könige, überlassen.“

Damit nahm er das Blatt mit den verschiedenen Schildsprüchen seinem jungen Cameraden aus der Hand und dankte diesem mit der höchsten Gunst, die er einem Schützlinge in besonderen Fällen widerfahren ließ. Er zog ihn an sich und hielt ihm die linke Wange entgegen: „Küss’ mir hier, mein Junge!“ – und er fügte mit fast feierlicher Stimme hinzu, indem er auf einen bestimmten Fleck der rechten Wange wies: „Hier küßt mir nur der König.“

Dieser Kuß aus die harte, gebräunte Wange des Feldmarschalls war ehrender, als mancher andere auf blühende Rosenwangen.

In der Folge zeigte sich übrigens, daß König Friedrich Wilhelm der Vierte in seinem dichterischen Geschmacke mit seinem Feldmarschall nicht ganz übereinstimmte; denn er wählte unter den ihm vorgelegten Schildsprüchen für den Prinzen von Preußen den zweiten (Zu Schirm und Schutz etc.).

Das Jahr 1864 sah den achtzigjährigen Feldmarschall noch einmal in voller kriegerischer Thätigkeit als Oberbefehlshaber der verbündeten Truppen gegen Dänemark. Einer seiner Lieblingswünsche ging in Erfüllung, als er so in seinem späten Alter Preußen und Oesterreicher als Alliirte gegen den Feind führen und das alte gemeinschaftliche Erkennungszeichen aus den Freiheitskriegen, die weiße Binde am rechten Oberarme erneuern konnte. Auch während des Winterfeldzuges der ihm mancherlei Opfer und Beschwerden auferlegte, bewahrte der alte Herr stets seinen frischen Soldatenhumor. Es war ein originelles Bild, wenn man den greisen Haudegen mit dem verwitterten, runzligen Soldatengesichte, dem emporstarrenden Schnauz- und schneeweißen Kinnbart, eine schwarzseidene Unterkappe über dem Haupte, darüber die weiße, etwas tief in den Nacken geschobene Kürassiermütze, im Schneeflockengestöber auf der beschneiten, glatten Landstraße an den Truppen vorüberreiten sah, denen er ein fröhliches „Guten Morgen, Kinder!“ zurief. Auch in seinem Hauptquartier ging es originell zu. Für gewisse kleine Versehen hatte Wrangel eine Strafcasse zu Gunsten der Verwundeten einrichten lassen. So wünschte er von den Officieren seiner nächsten Umgebung im Hauptquartier nicht „Excellenz“, sondern – wie er sagte: der Kürze wegen – „Herr Generalfeldmarschall“ angeredet zu werden; wer dagegen fehlte, zahlte zwei gute Groschen in die Casse für die Verwundeten. Dieselbe Strafe traf denjenigen Officier, der sich im Bureau zu den Honneurs vor ihm von seinem Sitze erhob und sich dadurch in seinen schriftlichen Arbeiten unterbrechen ließ. Die Erfahrungen vor den Danewirken und von Oeversee mochten ihn vielleicht in dem alten Verbündeten von 1813 bis 1815 etwas stutzig machen, und er war gewiß damit zufrieden, als er nach dem Düppelsturme und dem Eintritt der Waffenruhe unter Erhebung in den Grafenstand vom Obercommando abgelöst und nach Berlin zurückberufen wurde.

An den Kriegsthaten von 1866 und 1870 bis 1871 vermochte der Feldmarschall bei seinem vorgerückten Lebensalter nicht mehr activ theilzunehmen, aber sein Herz war bei der Armee und klopfte jugendlich begeistert unter dem Kürassierrock, so oft eine neue Siegesdepesche vom Kriegsschauplatz eingelaufen war.

Einundachtzig Jahre hindurch, vom zwölfjährigen Knaben bis zum dreiundneunzigjährigen Greise, hat Wrangel der preußischen Armee angehört, die ihn gewissermaßen zu ihrem „eisernen Bestande“ rechnete; unter drei Königen hat er in Krieg und Frieden mit unwandelbarer Pflichttreue gedient und niemals den leisesten Flecken auf den blanken Schild seiner Ehre kommen lassen. „Frangas, non flectes!“ hieß seine Schilddevise. „Gebrochen, aber ungebeugt“, ist er auf den Ruf der himmlischen Fanfare nun hinübergegangen, um dem „Herrn der Heerschaaren“ droben Rapport zu erstatten. Das Volk und die Armee aber wird dem „alten Wrangel“ ein treues Andenken bis in die spätesten Zeiten bewahren und seinen Namen unter den besten nennen. Er war in des Wortes edelster Bedeutung ein rechter Mann des Volkes.




Mr. Slade, das Schreibmedium.
Eine spiritistische Studie von R. Elcho.


„Es giebt mehr Ding’ im Himmel und auf Erden,
Als Eure Schulweisheit sich träumt, Horatio.“

In diesen Hamletspruch ließ sich der Inhalt eines Schreibens zusammenfassen, welches jüngst Herr L., ein Berliner Spiritualist, an den Herausgeber der „Gartenlaube“ richtete. Herr L. sprach darin sein Befremden aus, daß man den Spiritualismus, welcher in andern Ländern „zu einer Macht geworden sei“, hier in Deutschland nicht einmal ernsthaft nehme. Er betheuerte, daß „diese geistige Strömung wohl im Stande sein werde, das System der Materialisten wie ein Kartenhaus zusammen zu werfen,“ und schloß mit der Erklärung, jetzt sei der Augenblick nahe, wo sich Jeder von der eminenten Bedeutung der großen Geistesbewegung überführen könne, denn Mr. Slade, das hervorragendste amerikanische Schreibmedium werde nach Berlin kommen und Geister citiren. Herr L. bat um ernste Prüfung der Slade'schen Communicationen und gewissenhafte Berichterstattung.

Der Herausgeber dieses Blattes zögerte keinen Augenblick, einer solchen Bitte gerecht zu werden, und mir wurde die interessante Mission zu Theil, mich den Geistern zu stellen.

Um mich mit dem Spiritualisten vorerst in Verbindung zu setzen, begab ich mich auf das Geschäftsbureau des Herrn L. Derselbe war persönlich nicht anwesend, allein ohne es zu wollen, wurde ich Zeuge einer leise geführten Unterredung, welche mir verrieth, daß Herr L. geschäftlich bei dem spiritistischen Unternehmen interessirt sei. Der Mann, welcher eine gerechte Beurtheilung im Namen der Menschheit forderte, hatte für das amerikanische Medium und seine drei Begleiter die nöthigen Hôtelzimmer gemiethet und traf weitere Vorbereitungen für die Inscenesetzung der spiritistischen Operationen.

Ohne Herrn L. gesprochen zu haben, kehrte ich nach Hause zurück. Am nächsten Morgen trat ein würdig aussehender Herr mit greisem Haar und Bart in mein Arbeitszimmer; er war der Vertheidiger der spiritistischen Glaubenslehre.

Herr L., früher, soviel wir wissen, Buchhändler, jetzt Techniker, hat viele Jahre in den Vereinigten Staaten gelebt und dort das Wesen des Spiritualismus ergründet. Er übernahm es sofort, mich in die Entstehungsgeschichte und die geheimnißvollen Manifestationen desselben einzuweihen.

Drei Schwestern, welche den bezeichnenden Namen Fox führten und in einer kleinen Stadt Neu-Englands lebten, riefen die Bewegung durch Entdeckung eines Klopfgeistes hervor. Es war – ganz wie im deutschen Volksmärchen – der Geist eines Ermordeten, der da pochte, weil seine Seele nicht Ruhe fand, ehe sein Mörder der irdischen Justiz übergeben worden.

Es ist das Verdienst der Fox’schen Schwestern, jenem Klopfgeist die ewige Ruhe und der Welt ein telegraphisches System verschafft zu haben, durch welches sich das Geisterpochen in Worte übertragen ließ. Die älteste dieser erfindungsreichen Schwestern steht heute in England mit an der Spitze der spiritistischen Bewegung und zwar als ein ausgezeichnetes Medium für Materialisation.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 793. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_793.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)