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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

Square in Chester-County (Staat Pennsylvanien) geboren, wo sein Vater, dessen Vorfahren zu den frühesten Ansiedlern Amerikas gehörten, die Farmerei betrieb. Seine mangelhaften Schulkenntnisse wußte der junge Taylor durch unermüdliches Privatstudium zu erweitern und zu ergänzen und begab sich in seinem siebenzehnten Lebensjahre nach dem in seinem Geburtsstaate gelegenen Städtchen Westchester, um daselbst die Buchdruckerkunst zu erlernen. Zwei Jahre blieb er diesem Berufe treu, versuchte sich aber schon während dieser Zeit als Dichter, wie die 1844 zu Philadelphia erschienene Gedichtsammlung „Ximena und andere Dichtungen“ beweist. Die meisten dieser Jugendgedichte waren schon vorher in Journalen veröffentlicht worden, ohne dort die Aufmerksamkeit des Publicums in besonderem Grade zu erregen.

Der Amerikaner ist durch äußere und innere Ursachen von Jugend auf an einen häufigen und oft urplötzlichen Wechsel von Stellung und Beschäftigung gewöhnt und fühlt daher weniger als der Bewohner irgend eines andern Landes die Neigung und das Bedürfniß, an der Scholle zu kleben, auf der er geboren ist. Er wird sozusagen ein Wandergeschöpf, ist ein geborener Tourist. Die ungeheure Ausdehnung des Landes und das unruhige Temperament seiner Bewohner weckt in Letzteren die Wanderlust. Dieser mächtige Trieb nach Ortsveränderung und Abenteuern beseelte denn auch den jungen Bayard Taylor, und so sehen wir ihn schon in den Jahren 1844 bis 1846 verschiedene Länder Europas durchstreifen. Meistens zu Fuß und mit einem Reisegelde von nur etwa fünfhundert Dollars versehen, besuchte er England, Deutschland, die Schweiz, Frankreich und Italien. Nach der Heimkehr schildert er die empfangenen Eindrücke und gemachten Beobachtungen in einem nicht nur in Amerika, sondern auch in England höchst beifällig aufgenommenen Buche („Views a-Foot, or Europe seen with Knapsack and Staff“). Nachdem er alsdann kurze Zeit zu Phönixville in Pennsylvanien eine Zeitung herausgegeben hatte, begab er sich nach New-York, wo er zunächst einige Beitrage für eine literarische Zeitschrift lieferte, dann aber als Miteigentümer und Mitherausgeber der „New-York Tribune“ auftrat. Im Jahre 1848 veröffentlichte er eine Sammlung von Reisegedichten und Balladen, die den sonst nur äußerst schwer zu befriedigenden Recensenten Edgar A. Poe zu der folgenden Kritik veranlaßten: „B. Taylor ist hinsichtlich seiner Ausdrucksweise den sorgfältigsten, feurigsten und kräftigsten Dichtern Amerikas, der älteren wie der neueren Zeit, beizuzählen. Der volltönende, fein abgemessene Rhythmus seiner Dichtungen erinnert gar häufig an Thomas Campbell.“

Die Beschreibung der von Taylor im Jahre 1849 nach dem von den Vereinigten Staaten neuerworbenen Goldlande Californien unternommenen Reise fand bei ihrem ersten Erscheinen einen solchen Beifall, daß in Amerika davon binnen zwölf Tagen zehntausend und in Europa binnen wenigen Jahren dreißigtausend Exemplare verkauft wurden. Solche Erfolge konnten das Selbstvertrauen und die Reiselust des Verfassers nur steigern und so verließ er denn im Jahre 1851 Philadelphia, um eine Reise großartigen Stils von mehr als fünfzigtausend englischen Meilen zu machen. Er durchwanderte Spanien, Sicilien, Aegypten, Nubien, Kleinasien und Syrien, sah Ostindien und China, und schloß sich zuletzt noch der Expedition an, die sein Landsmann Perry nach Japan unternahm. Das literarische Ergebniß dieser langen Reise, von der er am 20. December 1853 nach New-York zurückkehrte, war eine ganze Reihe von theils prosaischen, theils poetischen Schriften, die in Amerika und England wiederholte Auflagen erlebten. Die unbändige Wanderlust Taylor’s war damit aber noch lange nicht gestillt. Nach einem Aufenthalte von kaum dritthalb Jahren in der Heimath sehen wir ihn schon wieder sich in New-York einschiffen, um diesmal, nachdem er abermals Deutschland einen Besuch abgestattet, Dänemark, Schweden, Norwegen und Lappland, Rußland, Polen, Griechenland und Kreta zu bereisen. Was er in allen diesen Ländern gesehen und erlebt, schilderte er nun wiederum in verschiedenen Werken, nachdem er im October 1858 glücklich nach Amerika heimgekehrt war. Der Mann, der in allen Weltteilen zu Hause, der den Neger in seiner Hütte in Nubien und den gelben Japanesen in Jeddo, den Gemsenjäger aus den Alpen von Tirol und der Schweiz und den Goldgräber in Californien besucht hatte, der in Mexico die Winde der Tropenwelt und in Nigritien die Schauer der Wüste gefühlt, derselbe Mann suchte nun im hohen Norden Europas bei den Finnen und Lappen auch die Schrecken und Schönheiten des arktischen Winters auf.

Es möge uns vergönnt sein, als Probe von Taylor’s Schreibweise, eine kurze Stelle aus seinem Buche „Northern Travel“ hier mitzutheilen. Von Pitea im nördlichen Schweden aus schreibt er unterm 28. December 1856 unter Anderem Folgendes: „Ein wenig nach zehn Uhr Vormittags ging die Sonne auf, und ich habe nie etwas Schöneres gesehen, als die Beleuchtung der Wälder und Schneefelder in ihren wagerechten orangegelben Strahlen. Selbst zur Mittagszeit stand die Sonne nicht höher, als acht Grad über dem Horizont. Nur die Wipfel der Bäume wurden von ihren Strahlen berührt; ruhig und fest wie Eisen und von glänzenden Eiskrystallen bedeckt, waren die Stämme der Baumriesen in schimmerndes Gold und ihr Laubwerk in ein feueriges Orangebraun verwandelt. Die zarten, mit Eis überzogenen Zweige der Birken glänzten gleich Stäben von Topas und Amethyst, und die gegen die Sonne liegenden und mit jungfräulichem Schnee bedeckten Abhänge schimmerten in den schönsten safrangelben Strahlen. Im Süden findet sich Nichts, was diesem Anblick gleichgestellt werden kann, Nichts, was so reich, blendend und prachtvoll wäre.“

Die vielgereiste Mann glaubte in den Winterlandschaften des hohen Nordens die Erhabenheit des Todes und der Verödung, eine wilde, finstere, traurige Eintönigleit der hinsterbenden Natur zu finden und hatte, wie er selbst erklärte, in Wirklichkeit dort den beständigen Genuß der seltensten, zartesten und bezauberndsten Schönheit vor sich. Und mit diesen unerwarteten Natureindrücken schienen ihm auch die Leute, die ihm auf der Landstraße begegneten, in vollem Einklange zu stehen. „Sie sind so klaräugig und so rosenroth wie der Morgen,“ sagt er von ihnen, „so schlank und kräftig, wie die jungen Tannenbäume in ihren Wäldern, und einfacher, rechtschaffener und unverfälschter als irgend eine Classe von Menschen, die ich je sonst gesehen habe. Unter der Heiterkeit dieser blauen Augen und glatten, schönen Gesichter brennt die alte Berserkerwut, die nicht leicht in Feuer geräth, aber, sobald dies aus irgend einem Grunde geschieht, furchtbar ist wie der Blitz.“

Taylor bekämpft dann mit Recht den Ausspruch Lord Byron’s, daß die Bewohner des kalten Klimas auch kaltes Blut hätten, indem er den „Nordländern“ und „Nordländerinnen“ ebenso gut warme Herzen zuerkennt, als den Südländern; die ersteren scheinen nur „wegen ihrer hohen Selbstbeherrschung und in Folge der Freiheit von verderblichen Leidenschaften“ so kalt und eisig zu sein. Den Totaleindruck seiner Nordlandsreise faßt er ungefähr in folgender Weise zusammen: „Mein Ausflug nach dem Polarland kommt mir vor wie eine lange, lange Nacht voller glänzender Träume, aber doch Nacht und nicht Tag. Es ist gut, den Norden zu sehen, selbst nach dem Süden, wie aber Niemand die Tropen wieder verläßt, ohne dann und wann lebhaft die Sehnsucht nach Rückkehr zu empfinden, so wird keiner, der einen Winter innerhalb des Polarkreises verlebt hat, Verlangen tragen, die Erfahrung noch einmal zu machen.“

Es ist wahr, wie auch einige Kritiker von Taylor’s Reisebeschreibungen gesagt haben, die Schilderungen des amerikanischen Touristen entbehren hier und da der wissenschaftlichen Genauigkeit und Gründlichkeit, aber sie sind doch voll lebendiger Frische und wohlthuender Unbefangenheit; sie sind getreu wie Photographien und gehoben von jenem Schwunge, wie er aus einem warm schlagenden und edel empfindenden Herzen kommt. Seine Schrift: „Des Dichters Tagebuch“ darf als eine poetische Selbstbiographie angesehen und beurtheilt werden.

Von dem großen Präsidenten Abraham Lincoln wurde Taylor zuerst zum Legationssecretär und später zum Geschäftsträger der Vereinigten Staaten am Petersburger Hofe ernannt und bekleidete diese Stelle während der Jahre 1862 und 1863. Es ist daher anzunehmen, daß dem scharfblickenden Manne seine in Rußland gemachten diplomatischen Erfahrungen bei der gegenwärtigen orientalischen Krisis in Berlin von Nutzen sein werden.

Nachdem er damals seine Diplomatenstellung in Petersburg aufgegeben hatte, lebte er auf seinem schöngelegenen Landsitze Cedarcroft in der Nähe von Philadelphia in stiller Zurückgezogenheit, die nur durch eine abermalige Reise nach Californien und eine Sommertour nach Colorado unterbrochen wurde. Selbstverständlich

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 276. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_276.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)