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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


Die stillen Freundschaftsgemeinden, die hier zahlreicher und intensiver wirken, als anderswo, thaten das Beste zu dieser Wandlung.

Eine kurze Zeit stand Robert Blum in diesem regen Treiben nur beobachtend und empfangend. Höchst interessante Berichte, die er über die Leipziger Messe jener Tage schrieb und im „Kölner Corresp. und Staatsboten“ veröffentlichte, stammen aus dieser Zeit der Beobachtung. Er erklärte darin unter Anderem den Gedanken einer Eisenbahn zwischen Leipzig und Dresden für unausführbar. Woher sollten Leute genug kommen, um zwei oder drei Mal am Tage einen Bahnzug zu füllen, wo bisher ein einziger Postwagen kaum besetzt gewesen?

Aber sehr rasch verließ er diesen Standpunkt der Beobachtung, um thätig mitzuwirken an dem, was die Stadt bewegte, oder seiner Meinung nach bewegen sollte. Sein eigentlicher Wirkungskreis, das Theater, führte ihn mit allen Kreisen der Gesellschaft in Berührung, zumeist mit Schriftstellern, Musikern, Künstlern, aber auch mit dem Rathe, Redacteuren, Buchhändlern, Gelehrten. – Mit Herloßsohn, Marggraff, Gustav Kühne, Julius Mosen, Burckhardt, Dr. Apel, Sporschil, Georg Günther, Karl Cramer, Lortzing, Hofrath Winkler sehen wir ihn bald in eifrigem persönlichem oder schriftlichem Verkehre. Von der „Herberge der Gerechten“, wo sich die Gesinnungsgenossen versammelten, gehen wichtige Anregungen in die Bürgerschaft hinaus. Blum hielt, als Albrecht und Dahlmann von den „Göttinger Sieben“ bei ihrer Vertreibung aus Göttingen noch Leipzig kamen seine erste öffentliche Rede an die Männer, die lieber in’s Elend gingen, als sich einem eidbrüchigen König unterwarfen. Als er kurze Zeit darauf in einem Theater-Prolog zu des Königs von Sachsen Geburtstag auf den Schutz anspielte, der den Vertriebenen großherzig in Sachsen geboten worden sei, wurde die Stelle gestrichen. Dieser kleine Kreis der Gesinnungsgenossen giebt später 1840 der großen Feier des Buchdruckerfestes in Leipzig eine hervorragend politische Bedeutung. Blum ist Schriftführer des Vorbereitungscomité’s, in welchem die besten Männer des damaligen Leipzig sitzen, aus welchem die Aengstlichen aber alle verschwinden, als das Fest Guttenberg’s durch Blum mehr und mehr den Charakter der Feier des gedruckten freien Wortes annimmt. Ihre Austrittserklärungen sind von erschütternder Komik.

Aus dem kleinen Kreise der Genossen Blum’s ward von ihm und den Freunden ein immer bedeutenderer Einfluß auf die damals erscheinenden belletristischen und politischen Organe geübt. Bald ist Blum einer der thätigsten Mitarbeiter des gelesensten sächsischen Oppositionsblattes, der „Vaterlandsblätter“. In der „Eleganten Welt“, dem „Planeten“ etc. schreibt er begeisterte Artikel über die große französische Revolution unter dem harmlosen Titel literarischer Kritiken. Bald schreitet er dazu, seinen Wirkungskreis zu erweitern. Am Theater ist er zu Ausgang der dreißiger Jahre schon die Seele des Unternehmens geworden. Bei den häufigen Reisen Ringelhardt’s und des Regisseurs Düringer dirigirt Blum den Musentempel mit weiser Oekonomie, großem Geschick und im besten Einvernehmen mit den Künstlern und der Bürgerschaft. Von dieser festen ökonomischen Basis aus konnte er sich getrost mit Dingen von allgemeinem Interesse beschäftigen. Mit dem Jahre 1840 wird auf Blum’s Anregung der Schiller-Verein und der Schriftstellerverein in Leipzig gegründet, die beide in ihrer Art Keime zu regstem öffentlichem Leben geworden sind und die schönsten Früchte getragen haben. In ihnen erringt die gewaltige Rednergabe ihres Begründers zuerst allgemeine Aufmerksamkeit, reichsten Beifall.

Die Leipziger Messen endlich hatten Blum die erste Veranlassung gegeben, mit Gleichgesinnten der Provinz, namentlich dem rührigen Böhler und Mammen aus Plauen, Rewitzer aus Chemnitz und Anderen Fühlung zu nehmen. Er besucht die neuen Freunde zu agitatorischen Zwecken in ihrer Heimath, entzückt auch hier überall durch seine Rednergabe und steht am Ausgange der dreißiger Jahre des Jahrhunderts in regem Verkehre mit den Trägern der Opposition des sächsischen Landtages, mit Todt und Dieskau, in noch regerer Verbindung mit den Jüngeren, den Joseph, Schaffrath, Braun und Anderen, die sich anschickten, für ein thatkräftiges politisches Wirken sich vorzubereiten.

Hans Blum.




Toilette für das Mikroskop.

Es ist nur ein winzig kleines Ding, der Spinnenfuß, das äußerste Ende des langen Spinnenbeines, aber durch das Mikroskop betrachtet, zeigt er nicht nur einen ganz eigenartigen Bau, sondern erhebt sogar einigen Anspruch auf Schönheit, da er unter dem Mikroskop stets in großer Toilette liegt. Aesthetische Rücksichten sind es indeß nicht, welche ihm zu dieser Toilette verhelfen; nur weil sich seine merkwürdigen Einzelheiten sonst nicht klar und deutlich erkennen lassen, deshalb muß jene Reihe von verschiedenen Operationen mit ihm vorgenommen werden, welche mit dem wissenschaftlichen Namen der Präparation bezeichnet wird, im Grunde aber nichts anderes ist als eine umständliche Toilette von so durchgreifender Art, daß die Schönheitspasten und Eselsmilchbäder der vornehmen Damen des römischen Kaiserreichs dagegen gar nicht in Betracht gezogen werden können.

Das Toilettezimmer ist der Arbeitstisch des Mikroskopikers; spitze und breite Nadeln, seine Scheeren, Messer und Pincetten, Porcellanschalen von der Größe einer Eierschale, in denen man über einem Spirituslämpchen kochen kann, Uhrschalen, Glasglocken zum Bedecken der Schälchen, Fläschchen mit verschiedenen Chemikalien gefüllt und Loupen sind die Apparate, welche bei den Operationen zur Anwendung kommen.

Das Object, dessen Präparation wir verfolgen wollen, ist der Fuß der vagabundirenden Smaragdspinne (Agelena smaragdula), welche im Sommer ihr Wesen auf den Blättern von Buschwerk treibt und nicht etwa ein Netz spannt, wie die Kreuzspinne, in welchem sich die fliegenden Insecten fangen, sondern nach Banditenart ihre Opfer heimtückisch überfällt. Ihre grüne Farbe macht sie dem Blatte ähnlich, auf dem sie lauernd weilt, und schützt sie gleichzeitig vor den Augen ihrer eigenen Verfolger; die dicken Haarbüschel des Fußes ermöglichen ein so leises Auftreten, daß das Gehörorgan einer sich harmlos sonnenden Fliege nicht davon alterirt wird, und in ähnlicher Weise, wie die Katze mit eingezogenen Krallen ihre Beute fast unhörbar beschleicht, nähert sich die Smaragdspinne lautlos dem Insect, das zu spät seinen Irrthum bereut, die grüngefärbte Feindin für ein Stückchen Blatt gehalten zu haben. Ein kräftiger Biß mit den giftgefüllten spitzen Kiefern bereitet selbst verhältnißmäßig großen Insecten den Tod in kurzer Zeit.

Der Fang der behenden Spinne ist um so mühsamer, als das Auge sie wegen der Farbe nicht leicht entdeckt. Wenn das Thier jedoch seine Eier bewacht, die es in einem filzartig gewebten Säckchen an den Blättern befestigt, so gelingt es, seiner habhaft zu werden, denn auch die Spinne liebt ihre Brut, von der sie nur die äußerste Gewalt trennt. Zur Anfertigung des wolligen Gespinnstes dienen die kammartig geformten Fußklauen die daher als Webeapparat anzusehen sind.

Da die raubthierartige Scheu und Wildheit der Spinne die directe Beobachtung sehr erschwert, so ist das mikroskopische Bild des Spinnenfußes noch insofern ein Räthsel, als bis jetzt nicht festgestellt wurde, ob alle Zähne der kammartigen Klauen Antheil am Spinn- und Webegeschäft nehmen, oder ob die kleineren als Reservezähne aufzufassen sind, welche allmählich nachwachsen, sobald die oberen, starkentwickelten Haken sich abnutzen oder verloren gehen. Die einzelnen Haare des Spinnenfußes sind wiederum mit feinen Härchen besetzt, die jedoch erst bei einer sehr starken Vergrößerung sichtbar werden und ebenfalls noch keine Erklärung ihres Zweckes gefunden haben. Vielleicht veranlaßt das Räthsel des Spinnenfußes Naturfreunde, sich an dessen Lösung zu versuchen.

Wir kehren wieder zum Arbeitstische des Mikroskopikers zurück, der von einer in Spiritus aufbewahrten Smaragdspinne mittelst einer scharfen Scheere einen der Hinterfüße abgeschnitten und auf eine Glasplatte gelegt hat, die er unter das Mikroskop schiebt. Dieser Fuß ist für unser Auge zunächst nur ein verworrenes Etwas, das keinerlei Einzelheiten zu unterscheiden erlaubt. Sobald jedoch ein Tropfen Wasser auf das Object gebracht wird, ändern sich die Verhältnisse wie mit einem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 378. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_378.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)