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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

wurden, blendend weiße Tischdecken, oft gar von gelber oder weißer Seide, denn schon in frühester Zeit bestand die Sitte, Tücher über die Tafeln zu breiten; bei den Franken kannte man sie schon im sechsten Jahrhundert. Auf Bildern des vierzehnten Jahrhunderts bemerkt man auf den Tafeln zwei Tischtücher: das obere, gelb gestreift, bedeckt die Tischplatte; das zweite ist am Rande angefügt und fällt in kunstreichen Falten bis zum Boden. Ein besonderer Reichthum entfaltet sich in den Schlafräumen. Anfänglich auf dem bloßen Boden bereitet, wurde die Lagerstätte mit der fortschreitenden Zeit immer höher gelegt, sodaß zuletzt sie nur auf Bänken erstiegen werden konnte oder besondere Stufen zu ihr hinauf führten. Da lagen denn auf flaumgefüllten Unterbetten (Plumiten) seidene Steppdecken (Kultern), darüber weißleinene Tücher (Leilaken), ein kleines Kopfkissen (Ohrkissen) und eine Decke (Cuvertüre) aus Fell oder Teppichstoff; davor auf Bank und Stufe gebreitet weiche Teppiche. Durch das Gemach aber zog sinnberauschend der Duft des Weihrauchs.

Denn wie dem Sinne des Geschmacks durch starke Würzen an Speis und Trank, so wurde auch dem Organe des Geruchs in grellen Effecten gehuldigt. In den Kaminen brannte wohlriechendes Holz (lignum aloë, „Parcival“ dritter Theil, zweites Buch); auf den Teppichen am Boden standen (wie es im „Parcival“ weiter heißt)

– in Muscheln, Büchsen, Töpfchen
Und serpentinenen Näpfchen
Die kostbarsten Aromata.
Es streuten Ambra und Theriak
Ihre Düfte; auf dem Boden lag
Cardamom, Jeroffel[WS 1] und Muscat,
Daß man mit Füßen darauf trat,
Wodurch ihr Wohlgeruch sich mehrt.

Auch in den Kleidertruhen fehlte es nicht an allerlei Wohlgerüchen.

Unter der fleißig gerührten Nadel der Frauen gingen noch weiter hervor Altardecken, Gürtel, Hauben, Handschuhe, Decken für Roß und Reiter, Schärpen, Lanzenfähnchen u. dergl., nicht zu vergessen der „Docken“, eines schon früh beliebten Spielzeugs der Kinder.

Aber selbst das Gewerbe der Buchbinder, das der Bäcker und ein weiteres, von dem man wohl am wenigsten hätte glauben sollen, daß die Männerwelt es sich hätte entgehen lassen, das des Bierbrauens, fiel mit in den Kreis fraulicher Thätigkeit. Geschick im letzteren wurde in früherer Zeit als eine große Frauentugend besonders gerühmt.

Auch in Küche, Keller und Waschhaus herrschte noch überall die Frau vom Hause. Der mittelalterliche Speisezettel war bereits ein recht mannigfaltiger, dabei der Appetit sehr rege und der Geschmack nicht zimpferlich. Die zweimaligen Mahlzeiten des Tages (Frühmahl oder Imbiß und Spätmahl) setzten sich oft aus den heterogensten Dingen zusammen. Da gab’s Eiersuppe mit Saffran – der Saffran spielt in der mittelalterlichen Kochkunst als Zuthat eine große Rolle, wie heutzutage noch in vielen ländlichen Küchen – Pfefferkörnern und Honig, frische Bohnen in Milch gekocht, Kapaunen gefüllt mit Zucker, Mandeln und Gewürz, Stockfisch mit Oel und Rosinen oder gebratenen Aal mit Pfeffer und Senf, gebratene Gänse mit Aepfeln, Quitten und Knoblauch und andere tapfere Gerichte, die unserem cultivirten Geschmackssinne gelindes Gruseln verursachen. Und die Wäsche?! Karl Weinhold, ein bedeutender Specialist auf unserem Gebiete, sagt hierüber in seinem Buche „Die deutschen Frauen im Mittelalter“: „Königinnen selbst beschäftigten sich mit der Wäsche. Bis in die neueren Zeiten war der Waschtag auch für die Frauen der höheren Stände ein Tag lebendigster Geschäftigkeit.“

So war im Leben einer Hauswirthin des Mittelalters Arbeit die Parole des Tages und damit das Aufkommen jener Blasirtheit des Empfindens, an der die Frau der modernen Cultur so vielfach kränkelt, eine Unmöglichkeit.


Um hohen Preis.

Von E. Werner.
(Fortsetzung.)
Nachdruck verboten und Uebersetzungsrecht vorbehalten.

Raven ging. Kaum hatte sich die Thür hinter ihm geschlossen, als Frau von Harder mit großer Lebhaftigkeit rief:

„Das ist doch endlich einmal eine vernünftige Idee meines Schwagers! Ich fürchtete schon, er würde uns zumuthen, in dieser aufgeregten Stadt zu bleiben, wo man nicht einmal seines Lebens sicher ist und bei jeder Ausfahrt fürchten muß, von dem Pöbel insultirt zu werden. Mich wundert nur, daß Arno sich um meine Nerven und die Verordnungen des Arztes kümmert. Er pflegt sonst sehr rücksichtslos in solchen Dingen zu sein. Meinst Du nicht, Gabriele?“

„Ich meine, daß er uns entfernen will um jeden Preis,“ erwiderte Gabriele, ohne sich umzuwenden.

„Nun ja,“ sagte die Baronin unbefangen. „Er sieht es ein, daß R. jetzt kein angenehmer Aufenthalt ist, zumal für Damen. Ich sprach ihm allerdings nicht ohne Absicht von der Einladung der Gräfin; ich hoffte, er würde darauf eingehen, aber damals schwieg er hartnäckig, und so wagte ich es nicht, die Sache weiter zu verfolgen. Wie sehne ich mich, die Residenz wieder zu sehen und all die früheren Beziehungen wieder anzuknüpfen! Hier ist und bleibt man doch nun einmal in der Provinz trotz all des großstädtischen Ansehens, welches die Stadt sich geben möchte. Aber jetzt müssen wir vor allen Dingen Musterung über unsere Toilette halten. Komm’, mein Kind! Wir wollen überlegen.“

„Verschone mich damit, Mama!“ bat das junge Mädchen in mattem, gedrücktem Tone. „Ich habe jetzt keinen Sinn dafür. Bestimme, was Dir gut dünkt! Ich füge mich in Alles.“

Die Baronin sah ihre Tochter mit unverhehltem Erstaunen an; diese Gleichgültigkeit überstieg alle Begriffe. „Keinen Sinn dafür?“ wiederholte sie. „Gabriele, was ist eigentlich mit Dir vorgegangen? Ich habe diese Veränderung schon während unseres Landaufenthaltes bemerkt, aber seit den letzten Tagen erkenne ich Dich gar nicht wieder. Ich fürchte, es ist auf der Rückfahrt irgend etwas zwischen Dir und dem Onkel vorgefallen, was Du mir verschweigst. Er zürnt Dir offenbar; er hat Dich ja vorhin kaum angeblickt. Wann endlich wirst Du es lernen, die nöthigen Rücksichten gegen ihn zu beobachten?“

„Du hörst es ja, er schickt uns fort,“ sagte Gabriele mit aufquellender Bitterkeit. „Er will allein sein, wenn eine Gefahr ihn bedroht, wenn ein Unglück ihn trifft – ganz allein!“

„Ich begreife Dich nicht,“ erklärte die Mutter ärgerlich. „Was soll denn dem Onkel drohen? Ich dächte, er hätte die Empörungsversuche energisch genug niederschlagen, und im schlimmsten Falle ist ja das Militär zu seinem Schutze da.“

Gabriele schwieg, sie hatte nicht an die Gefahr gedacht, aber trotz ihrer Unerfahrenheit in solchen Dingen fühlte sie doch, daß ein Angriff wie der Winterfeld’s nicht unbemerkt vorübergehen konnte, und ahnte den heranziehenden Sturm. Sie und die Mutter sollten freilich davor geborgen werden. Deutlicher konnte der Freiherr ihr nicht sagen, daß Alles zwischen ihnen zu Ende sei, als indem er sie nach der Residenz sandte, wo Georg jetzt weilte und wo eine Begegnung mit ihm leicht zu ermöglichen war. All die Härte und Heftigkeit, mit der sich Raven dieser Verbindung widersetzte, hatte das junge Mädchen nicht so geschmerzt, als dieses Aufgeben seines Widerstandes dagegen. Er zeigte ihr, daß er jeden Einspruch fallen ließ, daß er ihr volle Freiheit gab, und sie kannte ihn zu gut, um nicht zu wissen, daß die vermeintliche Verrätherin bei ihm nie auf Verzeihung rechnen konnte. Vielleicht hätte Gabriele versucht, ihn zu überzeugen, wie unrecht er ihr mit diesem Verdachte that; sein Eisesblick hatte sie zurückgescheucht. Der Blick sagte ihr, daß sie doch keinen Glauben finden werde, und bei diesem Gedanken flammte auch ihr Stolz und Trotz empor. Sollte sie es zum zweiten Male ertragen, daß ihre Vertheidigung nicht gehört, daß sie selbst zurückgestoßen wurde, wie es schon einmal geschehen war? Nun und nimmermehr!

Die Baronin war weit entfernt, diesen Gedankengang ihrer Tochter zu ahnen. Sie dachte nicht einmal daran, daß sich Assessor Winterfeld in der Residenz befand und daß man ihn eigens

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Zeroffel
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 446. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_446.jpg&oldid=- (Version vom 5.7.2019)