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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Das Zodiakallicht.

Die Beobachtung der totalen Sonnenfinsterniß vom 29. Juli vorigen Jahres hat außer der Vulcanfrage, über welche wir den Lesern auf Seite 642 des vorigen Jahrgangs der „Gartenlaube“ berichtet haben, noch andere wichtige Fragen in Fluß gebracht, von denen wir eine der merkwürdigsten, die Frage nach der Natur des Thierkreis- oder Zodiakallichtes, im Folgenden näher betrachten wollen.

Die Sonnenfinsterniß vom 29. Juli 1878.

Das Zodiakallicht von Deutz aus gesehen.

Die geflügelte Sonnenscheibe der Aegypter.

Ich stelle mir gern unsere alljährige Reise um die Sonne als eine kostenlose Vergnügungsrundreise durch das Weltall vor, bei welcher man alle Tage etwas Neues sieht. Jeden Abend sehen wir in Folge unserer Vorwärtsbewegung neue Sterne aufgehen, jeden Morgen neue Blumen aufblühen; auf der einen Hälfte Weges bekommen wir etwas von der eisigen Natur der Polarzone, auf der andern von der Wärme der Aequatorländer zu spüren, und wie Tamino in der „Zauberflöte“ müssen wir zu gewissen Zeiten unter Nebel und strömenden Wassern und an bestimmten Tagen durch feurige Sternschnuppenschauer unsern Weg fortsetzen. Zu den angenehmen Ueberraschungen dieser Rundreise, welche für den Tropenbewohner bei Weitem nicht so abwechselungsreich ist, wie für uns, gehört nun auch um die Frühlings- und Herbstnachtgleiche die Erscheinung des Thierkreislichtes, bei der man aber auf dem Posten sein muß, um sie zu sehen. Die meisten Menschen sterben, ohne dieses, wie so viele andere Naturschauspiele beobachtet zu haben. Ein großer Theil der Schuld liegt an der Unvollkommenheit unserer Reisehandbücher oder Wenalls-Bädeker, das heißt der Kalender, die nicht einmal die Vollständigkeit jenes altenglischen Almanachs erreichen, in welchem wenigstens die „feurigen Thränen des heiligen Laurentius“, das heißt der Sternschnuppenschauer vom 10. August, verzeichnet standen. Es wäre sehr wünschenswerth, daß Jemand, der dazu Muße und Geschick hätte, endlich einmal dem deutschen Volke einen solchen Allerwelts-Bädeker, das heißt ein Jahrbuch der Natur schreiben wollte, aus welchem man für jeden Tag des Jahres ersehen könnte, welche Himmelserscheinungen, welches Durchschnittswetter man zu gewärtigen hat, welche Pflanzen Knospen treiben und blühen, welche Thiere aus dem Winterschlaf erwachen, einwandern und abziehen etc. Als Abschlagszahlung auf ein solches Buch wollen wir heute Zeit und Ort des Zodiakallichtes so eingehend zu beschreiben suchen, daß es Jeder darnach finden kann.

Wenn im Februar und März an einem klaren, mondscheinfreien Abend gegen sieben oder acht Uhr die Dämmerung vollständig vergangen und die Sterne hervorgetreten sind, wird man unweit der Stelle des Westhimmels, an welcher die Sonne versunken ist, eine weißliche, ausgedehnte Lichtpyramide erscheinen sehen, deren zarte Helligkeit kaum derjenigen der Milchstraße gleich kommt, und die an ihren Rändern allmählich in die Dunkelheit übergeht. Sie ist, ziemlich hoch aufsteigend, schräge nach Süden geneigt, und während ihr Fundament in der untergegangenen Sonne gesucht werden muß, richtet sich die Spitze gegen die Hyaden, eine kleine Sterngruppe zwischen den Plejaden (Siebengestirn) und Aldebaran, sämmtlich im Sternbilde des Stieres, also gegen eine auffallende und leicht auffindbare Gegend des Himmels. Jenes Sternbild des Stieres gehört bekanntlich zum sogenannten Thierkreise oder Zodiacus, der breiten Himmelsstraße, auf welcher Sonne, Mond und Planeten zu wandeln scheinen und deren Mittelgeleise Ekliptik genannt wird, weil auf ihm die Begegnungen von Sonne und Mond stattfinden, die uns als Verfinsterungen (Eklipsen) erscheinen. Innerhalb dieses wegen der schiefen Stellung der Erdachse seine scheinbare Lage im Jahreslaufe ändernden Himmelsgürtels, auf welchem alle inneren Angelegenheiten des Sonnenreiches vor sich gehen, erscheint nun die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_177.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)