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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

suchende Hirten entdeckt ist, brechen auch schon die Weißen mit ihren Heerden auf, ihn in Besitz zu nehmen. Die Regierung giebt Erlaubnißscheine; „Stationen“ werden erbaut und die Eingeborenen aus der Nachbarschaft verjagt. Das Wild wird von den Europäern zusammengeschossen, von ihren Hunden gehetzt und niedergerissen. Die Gräber der Vorfahren des vertriebenen Stammes tritt der Europäer rücksichtslos mit Füßen, und doch hängt der Australneger ebenso an dem Boden, den er Vaterland nennt, wie andere Menschen. Dadurch nun aber, daß ein Stamm von seinem Jagdgrunde vertrieben wird, geräth er in Feindschaft mit anderen Stämmen, in deren Gebiet er einzubrechen gezwungen wird, und so hat nun auch schon unter den verschiedenen Stämmen der Eingeborenen ein Vernichtungskrieg begonnen.

Das von den Söhnen der Wildniß geräumte Land wird Schritt für Schritt von den weißen Männern besetzt, und die europäische Cultur hält ihren Einzug in die Einöden Australiens. Ebenso weicht die einheimische Thierwelt vor der aus Europa eingeführten mehr und mehr zurück, und der Boden des Landes verliert mit jedem Jahre mehr von dem fremdartigen Aussehen, das er den ersten Besuchern des Continents darbot. Jetzt schon mag das Auge eines deutschen Landmannes mit demselben Wohlgefallen wie daheim auf den goldenen Weizenfeldern ruhen, und der Winzer vom Rhein kann der Trauben üppige Fülle bewundern, deren Weinertrag allerdings des Bouquets entbehrt, aber an Feuer und Süßigkeit noch über dem Capwein steht. Mandeln, Pfirsiche und Orangen gedeihen neben der Baumwollenstaude, dem indischen Zuckerrohre und dem Maulbeerbaume in demselben Boden, in dem nicht nur die uralten, riesigen Eukalypten, sondern auch die italienischen Pinien und die deutschen Eichen emporwachsen. Wo die Wildniß des Urwaldes über das Land gelagert war, da erheben sich jetzt blühende, gewerbreiche Städte, wo sonst der Fußpfad des Schwarzen durch die Gebüsche zog, jagt jetzt das Dampfroß auf eisernen Schienen dahin; wo der arme Eingeborene seinen schwachen Rindenkahn mit dem Speere fortruderte, da zieht stolz das Dampfschiff seine Furchen auf den schäumenden Wogen, und wo ein bedauernswürdiges Volk im harten Kampfe um’s nackte Leben untergeht, da gründet ein anderes Menschengeschlecht mächtige und freie Staaten.

Der größere Theil der arbeitenden Bevölkerung von Neusüdwales, welches nun fremde Gäste aus aller Welt nach Sydney geladen, hat sich bis jetzt allerdings mehr mit Gewinnung von Rohmaterial, besonders Gold und Wolle, als mit dessen Bearbeitung befaßt. Den jährlichen Wollertrag von 52 Millionen Schafen muß man auf mindestens 320 Millionen Zollpfund schätzen. Man sieht daraus, welche ungeheure Capitalien die Wollproduction nach Australien führen muß, andererseits aber auch, welche Gefahr der australischen Schafzucht durch die immer größere Dimensionen annehmende Production von Wolle in Peru, Ostindien, am Cap der guten Hoffnung, vorzugsweise aber in Südrußland droht.

Neben der Schafzucht wird aber auch in großartigem Maßstabe Rindvieh- und Pferdezucht betrieben. Bei der Rindviehzucht rechnet man auf die Häute, die Hörner und das Fett; die Pferde schafft man in großen Heerden nach Sydney oder Melbourne und verkauft sie mit 2 bis 10 Pfund Sterling das Stück, und zwar meist für den Transport nach Indien, wo diese muthigen und zum Ertragen der härtesten Strapazen geeigneten Thiere für die Cavallerie besonders gesucht sind. Zur Gewinnung des Fettes von Schafen und Rindern sind große Auskochanstalten, in neuester Zeit mit Dampf betrieben, in fast allen Weidedistricten eingerichtet. Das Vieh wird geschossen oder in der Viehbucht zusammengeschlagen, abgestreift, geviertheilt, in Stücke gehauen und darauf in große eiserne Kessel geworfen, welche 16 bis 24 Ochsen oder dreimal so viel Schafe auf einmal fassen.

In diesen wird der Talg ausgekocht, abgeschöpft und in Fässer gefüllt, welche alsdann nach England verschickt werden. Das bei dem Auskochen übrig bleibende Fleisch war früher völlig werthlos und ward höchstens als Dünger verbraucht; neuerdings hat man mit großem Erfolg präservirtes Fleisch nach Europa ausgeführt.

Die Goldgewinnung steht nicht mehr auf der Höhe früherer Jahre, sie erreicht indessen immer noch einen jährlichen Werth von 170 Millionen Mark.

Innerhalb der letzten Jahre haben auch Industrie und Gewerbe einen starken Aufschwung genommen, und man hat bereits in großer Maßstabe die Dampfkraft zur Hülfe herangezogen. Die Handwerker der Colonie können die erforderlichen Bedürfnisse schon ebenso gut und billig herstellen, wie dieselben von Europa oder Amerika bezogen werden; man zahlt in Neusüdwales zwar höhere Arbeitslöhne, bezieht dafür aber das Rohmaterial besser und billiger.

Die Fabriken, besonders für Leder, Schuhwerk, Kleider und Möbel, sind jetzt schon zahlreich und bedeutend. Außerdem bestehen Eisengießereien, mehrere Docks und Schiffswerften für die größten Schiffe, Fabriken für Seife und Tabak, Brauereien, Brennereien, große Anstalten für Fleischconserven u. dergl. m. Ausgeführt werden Wolle, Leder, Holz, Häute, Gold, conservirtes Fleisch und Fleischextracte, Thran etc.. Haupteinfuhrartikel sind Manufacte, Kaffee, Thee, Tabak, Glas und Porcellan, Eisenwaaren, Posamenten, Spielsachen, Bücher, Quincaillerien etc..

Im Jahre 1792 wurde es als ein Ereigniß von geschichtlicher Bedeutung angesehen, daß ein Handelsschiff in dem Hafen von Sydney ankerte. Im Jahre 1876 liefen 1145 Schiffe ein und 863 aus, und unter diesen 23 deutsche Fahrzeuge. Dampferlinien, durch 16 Gesellschaften vertreten, verbinden Sydney mit den Häfen der eigenen wie der anderen Colonien, ferner mit Honolulu, San Francisco, Point de Galle, Neucaledonien, den Fidschi-Inseln, Java und Singapur, England und Amerika.

Schon laufen Schienenstränge nach verschiedenen Theilen der Colonie, denen jährlich neue und bedeutende Strecken hinzugefügt werden. Eifrig wird an einer Verbindung mit der benachbarten Colonie Victoria gearbeitet; die Strecke von Sydney nach Melbourne soll im October des laufenden Jahres dem Verkehr übergeben werden.

Mit allen bedeutenderen Orten des Landes besteht telegraphische Verbindung, ebenso wie mit Brisbane, Melbourne, Adelaide, Port Darwin, Neuseeland. Telegramme von Europa und Amerika werden in den täglichen Zeitungen Sydneys veröffentlicht, sodaß die Colonisten oftmals vielleicht eher von dem Stande der Marktpreise und den Tagesneuigkeiten in Kenntniß gesetzt sind, als die Bewohner vieler kleiner europäischer Städte. Ich könnte die Liste der beachtenswerthen Leistungen von Neusüdwales und von den übrigen australischen Staaten noch weiter führen. Aus dem Gesagten aber ergiebt sich schon zur Genüge, wie wichtig für den Handel jene Colonien geworden sind.

Es hat neuerdings nicht an Aufforderungen gefehlt, die Ausstellungen in Sydney und Melbourne mit Erzeugnissen deutscher Industrie zu beschicken, um uns neue Absatzgebiete zu eröffnen, wie dies die Vereinigten Staaten bereits mit großem Erfolg gethan haben. Die deutsche Reichsregierung unterstützt diese Bestrebungen und entsendet einen eigenen Commissar zur Wahrung der Interessen der Aussteller.

Wir haben uns bei den Wettkämpfen der Völker nicht wieder sehen lassen, seit uns Reuleaux’s Ausspruch „billig und schlecht“ brandmarkte. Unter der Führung desselben Mannes soll uns jetzt Gelegenheit werden, den verlorenen Ruf wieder zu gewinnen; möge sie reichlich und zum Ruhme Deutschlands benutzt werden!




Grillparzer’s „Sappho“.
Ein Beitrag zur Geschichte des modernen Theaters von Josef Weilen.


Unsere Wahl ist unser Schicksal. Und sind wir auch frei in unserer Wahl? Und gerade dort frei, wo diese Wahl für unser Leben von tief eingreifender Bedeutung und Bestimmung ist? Angeborene Charakteranlagen beeinflussen uns; Erlebnisse und Schicksale steigern diese; eine verlangende Stimmung, eine sehnsuchtsvolle Erwartung beherrscht unser Inneres, und da führt uns Zufall oder Geschick das entgegen, wonach wir ahnend ein dunkles Verlangen in uns tragen, und wir geben uns ohne Widerstreben dem süßen, mächtigen Zwange hin – unser Schicksal hat für lange, oft für immer, seine Richtschnur und sein Ziel

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 354. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_354.jpg&oldid=- (Version vom 24.1.2020)