Seite:Die Gartenlaube (1879) 535.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

und begabtere Schüler gehabt. Was könnte aus diesem Volke unter einer weisen und tüchtigen Regierung werden! Doch das gehört nicht in unser Capitel; der Umstand indeß, daß sich Ahn’s Methode bei zwei so heterogenen Sprachen, der arabischen und deutschen, praktisch so glänzend bewährte, dürfte wohl das beste Zeugniß für ihre absolute Vortrefflichkeit sein.[1]

Allerdings verlangt diese Methode, die äußerlich und auf den ersten Blick so „kinderleicht“ erscheint, ein ernstes Eingehen in die tiefer liegenden Absichten und Zwecke des Verfassers, und bei keiner anderen paßt vielleicht das Wort „der Buchstabe tödtet, aber der Geist macht lebendig“ so sehr wie bei dieser. Indeß einmal von diesem Geiste durchdrungen, erzielt ein tüchtiger Lehrer geradezu staunenswerthe Erfolge. In Frankreich und in den übrigen Ländern romanischer Zunge ist die Ahn’sche Methode, wenigstens für den Elementarunterricht, noch immer die vorherrschende; in Deutschland ist sie im letzten Decennium durch verschiedene andere verdrängt worden, denen aber der Kundige sofort ansieht, daß sie sämmtlich mehr oder weniger auf der Ahn’schen begründet sind. Wir dürfen hier keine Namen nennen, schon um von unserer Arbeit, die einen verdienstvollen Todten ehren soll, jede Polemik fern zu halten, aber das dürfen wir immerhin sagen, daß gar manche unter Ahn’s Nachfolgern auf diesem Gebiete ihrem großen Vorgänger nicht immer die schuldige Pietät bewiesen haben. Warf man ihm doch von solcher Seite her schon bei Lebzeiten namentlich die Einfachheit seiner Phrasen und Beispiele, also seinen „beschränkten Ideenkreis“ vor, ohne zu bedenken, daß gerade diese Einfachheit principiell und wohlüberlegt war und daß er nur ihr seine großen Erfolge verdankte. Das Goethe’sche Wort: „in der Beschränkung zeigt sich erst der Meister“, könnte man sehr gut dem Ahn’schen „Lehrgang“ als Motto voransetzen. Ob die Nachfolger mit ihren „inhaltreichen“ Beispielen, die unserer Ansicht nach das Anfangsstudium mehr erschweren als erleichtern, größere Erfolge erzielen, muß die Zeit lehren; wir wagen es zu bezweifen.

In rastloser Thätigkeit und mit seltener Geistesfrische wirkte Franz Ahn bis an sein Ende; er lebte nur seinem amtlichen Berufe, seinen schriftstellerischen Arbeiten und seiner Familie. In der letzteren fand er Erholung und stets neue Freude; seine zahlreichen Kinder hingen an ihm mit unendlicher Liebe, und es war täglich für sie ein Fest, wenn er zur bestimmten Stunde aus seinem Studirzimmer herüberkam, „um mit ihnen zu spielen“. Ueberhaupt war der Mann, der sein ganzes geistiges Schaffen und Wirken der Jugend gewidmet hatte, ein großer Kinderfreund, und seine Schüler bildeten gewissermaßen seine zweite Familie. Selten haben aber auch wohl Schüler mit größerer Verehrung an ihrem Lehrer gehangen, als die seinigen an ihm. Er strafte fast nie, denn sein ganzes Wesen war Sanftmuth und Milde, und doch hat es vielleicht kaum jemals einen Lehrer gegeben, der so schnelle und glückliche Erfolge erzielt hätte, wie er. Auch für die Armen und Nothleidenden hatte er stets ein warmes Herz und die aufopferndste Theilnahme. Noch heute erzählt man sich eine Menge kleiner Züge seiner Nächstenliebe, die wir aber, und sicher in seinem Sinne, hier nicht nacherzählen wollen, denn Anspruchslosigkeit und Bescheidenheit waren Haupteigenschaften seines vortrefflichen Charakters. Gegen äußere Ehren und Auszeichnungen war er sehr gleichgültig; nur als ihn im Jahre 1857 die Universität Heidelberg zum Ehrendoctor ernannte, empfand er lebhafte Freude, weil speciell in dem Diplom seine Methode als „weltverbreitet“ und „nutzbringend wie keine andere“ bezeichnet war.

Die Nachricht von seinem Tode war das Signal einer allgemeinen Trauer für ganz Neuß, und seit Menschengedenken hatte die Stadt einen so großartigen Leichenzug nicht gesehen, wie den seinigen. Von nah und fern waren die Freunde und unzählige seiner früheren Schüler herbeigeeilt, um dem Todten, der in seinem langen, segensreichen Leben keinen Feind gehabt hatte, die letzten Ehren zu erweisen. Der rühmlichst bekannte Dombildhauer Professor Mohr fertigte später eine sehr gelungene Marmorbüste des Verstorbenen an, die auf dem neuen Kirchhofe in Neuß das Ahn’sche Grab zum dauernden Gedächtniß schmücken mag.




Die Wetter-Prophezeiung einst und jetzt.
Von Carus Sterne.
2. Sturmgesetze und Sturmwarnungen.

Die kühnen Träume der alten Meteorologie haben wir kurz in dem vorigen Artikel zu schildern gesucht, heute werden wir zunächst darzulegen haben, wie sie bescheiden wurde und von unten auf zu bauen begann. Im sechszehnten und siebenzehnten Jahrhundert hatte die Meteorologie zwei Instrumente erhalten, welche es ermöglichten, aus ihr eine Wissenschaft zu machen, das Thermometer und das Barometer. Schon früh hat man begonnen, mit dem ersteren regelmäßige Temperaturbeobachtungen anzustellen, und ebenso sind die Beziehungen des Luftdrucks zum Wetter früh erkannt worden. Bereits Pascal, der die Brauchbarkeit des Barometers für Höhenmessungen feststellte, glaubte solche Beziehungen wahrzunehmen, und Boyle sprach 1665 jene Regeln aus, die noch heute meist den ganzen Ballast der vulgären Barometer-Weisheit ausmachen, daß es nämlich im Allgemeinen bei schönem Wetter höher, als vor und bei Regen stehe, und im Allgemeinen bei östlichen und nördlichen Winden höher, als bei westlichen und südlichen. Dazu fügte 1660 der Magdeburger Bürgermeister Otto von Guericke eine in Form einer Prophezeiung gemachte Beobachtung, die namentlich dazu beitrug, den Ruf des Barometers als Propheten zu entwickeln. Er sah nämlich sein Wettermännchen, eine auf der Flüssigkeit seines primitiven Barometers schwimmende Figur, eines Tages so plötzlich sinken, daß er als Ursache davon einen Aufruhr im Luftkreise annehmen mußte und einen Sturm voraussagte, der zwei Stunden später über Magdeburg dahinraste. Seitdem hat man das Barometer mit einer förmlichen Wettertaxe versehen, und da jeder Mensch von der launischen Witterung unserer Breite gezwungen wird, sich ein wenig auf Wetterprophetie zu legen, so ist es zum populärsten aller physikalischen Instrumente und zum fast unentbehrlichen Hausrath jeder wohleingerichteten Wohnung geworden. Freilich erwerben die aufmerksameren Barometer-Beobachter meist bald genug die Erfahrung, daß dem, was das Barometer schwarz auf weiß giebt, nicht sehr weit zu trauen ist, und in der That giebt es nur demjenigen Frager einigermaßen befriedigende Auskünfte, der seinen Bewegungen aufmerksam folgt und gleichzeitig eine Reihe weiterer Momente, als da sind: Temperatur, Windrichtung, Luftfeuchtigkeit, Jahreszeit und andere, zu berücksichtigen versteht.

Die Meteorologie ist dann durch langjährige Einzelbeobachtungen langsam aufgebaut worden, indem zahlreiche über die ganze gebildete Welt zerstreute Beobachter fortwährend die einzelnen Daten aufzeichneten und ihre Beobachtungsreihen durch den Druck einander zugänglich machten. Wir wollen hier von den älteren Beobachtern nur an die Familie Cassini in Frankreich, an Saussure in der Schweiz erinnern. Eine festere Organisation dieser Beobachtungen im Anschlusse an diejenigen des Erdmagnetismus verdankt man bekanntlich den Bemühungen Alexander von Humboldt’s, der im Vereine mit seinen Freunden Arago und Leopold von Buch und im Anschlusse an seine mit Gauß begründeten magnetischen Observatorien (vergl.

  1. Auch die vornehmen Haremsdamen, sowohl in Kairo wie in Constantinopel, werden manchmal im Französischen unterrichtet, und dann stets nach Ahn’scher Methode. Spaßhaft klingt es, was H. Bambéry in seinen „Sittenbildern aus dem Morgenlande“ darüber berichtet: „Mir war oft reichlich Gelegenheit geboten, das Haremsleben aus der Nähe zu beobachten; ja ich war sogar so glücklich, einer kaiserlichen Prinzessin in den Anfangsgründen der französischen Sprache Unterricht zu ertheilen. Es war dies allerdings ein sonderbarer Unterricht. Die Prinzessin F....., Tochter eines Sultans und Schwiegertochter eines Großveziers, saß in ihrem weißmarmornen Palaste zwischen Bebek und Emirgian stets hinter dem schweren Teppichvorhange ihres Gemaches, während ich im Vorzimmer, von grimmigen Eunuchenblicken bewacht, Ahn’s deutsch-französische Grammatik in der Hand, ‚mon père est bon‘ in den Vorhang hineindocirte, worauf die zarte Damenstimme ‚benim babam eij dir‘ respondirte. Lehrer und Schülerin hörten sich zwar, aber sahen sich nicht.“
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 535. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_535.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)