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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)


No. 33. 1879.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 1 ½ bis 2 Bogen. Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig· – In Heften à 50 Pfennig.


Im Schillingshof.
Von E. Marlitt.
(Fortsetzung.)
Nachdruck verboten und
Uebersetzungsrecht vorbehalten.


Der Baron trat aus dem Hause und wandte sich dem Fichtenwäldchen zu.... Donna Mercedes’ Pulse klopften heftig. Nun kam er um die Hausecke. Ihre Anwesenheit unter den Bäumen schien ihn zu überraschen.

„Ich war eben im Begriffe, Ihnen durch Deborah meine Rückkehr zu melden,“ sagte er, sich kühl verbeugend.

„Und Lucile?“

„Frau Lucile Fournier wird heute Abend zum dritten Mal gastiren, wie die Theaterzettel an den Straßenecken Berlins verkünden,“ versetzte er mit einem ausdrucksvollen Seitenblicke nach dem Töchterchen der Entflohenen und der schwarzen Wärterin. Dann schwieg er.

„An eine Rückkehr in die alten Verhältnisse ist nicht zu denken,“ hob er nach einer Weile wieder an, als er, mit Donna Mercedes allein, die Allee beschritten hatte. „Sie lachte mir in’s Gesicht und erkundigte sich nach den Ketten und Handschellen, die ich doch nothwendig mitgebracht haben müsse, um sie heimzuschleifen, denn anders gehe sie nicht mit. Ob ich denn ernstlich glaube, sie krieche pflichtschuldigst wieder unter Ihre Flügel, wie ein erschrockenes Küchlein, das den bösen Habicht gesehen, und nehme mit hausbackenem Brode vorlieb, nachdem sie sich in himmlischer Freiheit, auf goldenem Triumphwagen geschaukelt und Manna gekostet habe?... Und ich habe den Staub von den Füßen geschüttelt und bin gegangen,“ fuhr er in seinem ernstesten Tone fort. „Es kann gar nicht mehr die Rede davon sein, ob die kleine Frau zurückkehren will – sie darf nicht wieder heimkommen.... Es ist, als sei das Stück Leben an Lucian’s Seite in ihrer Erinnerung grundlos versunken. Sie hat an die Stunde, wo sie das Haus ihrer Mutter und das Leben und Treiben der Theaterwelt verlassen, so unmittelbar und mühelos wieder angeknüpft, daß man auch nicht die geringste Spur einer achtjährigen Unterbrechung merkt. In ihrem Salon treibt sich die vornehme Männerwelt herum, den alten, geckenhaften Fürsten Konsky an der Spitze, der, wie ehemals der Mutter, nun dem neuaufgehenden Stern seine Albernheiten sagt, alle Treibhäuser für ihn plündert und im Boudoir Etuis mit kostbaren Schmuckstücken verstreut. Ich hatte erst verschiedene Präliminarien mit ihrem neuangeworbenen Secretär zu überstehen, ehe ich eintreten durfte. Es war bereits Besuch da; zwei Herren meiner Bekanntschaft machten ihre Aufwartung. Die kleine Frau lag im weiße Seidenpudermantel auf dem Ruhebett, als sie mich unter tollem Lachen empfing, und hatte einen kläffenden Seidenpinscher auf dem Schooße, dem ein im Muthwillen übergeworfenes Brillantencollier am Halse schaukelte –“

„Ich hasse sie,“ murmelte Donna Mercedes, und die kleine festgeballte Hand fuhr im Zorn unwillkürlich durch die Luft.

„Das hätten Sie ihr vielleicht gesagt,“ bemerkte er.

„Ohne Zweifel, bei einem solchen Anblick –“

„Das heißt, sofern der Herr Secretär Sie vorgelassen hätte.“

Sie wich indignirt zurück; er rührte hart und schonungslos an ihren Hochmuth.

„Ich wußte wohl, daß es ein Weg voll Stacheln ohne Ziel und Resultat für Sie gewesen wäre,“ fuhr er fort, ohne ihre Erregung zu beachten. „Ich mußte mir ja auch gefallen lassen“ – er lächelte heiter, sodaß seine prächtigen Zähne zwischen dem Bart hervorblickten – „daß mir die kleine Frau mänadenhaft zornig drohte, sie werde mir ein halbes Dutzend Duelle auf den Hals schicken, weil ich ihr versichert hatte, daß sie Paula nie und nimmer in die Hand bekommen werde.“

„Nie und nimmer!“ wiederholte Donna Mercedes gepreßt. Sie zeigte nach dem Klostergute. „Dort geht eine Wandlung vor sich – ich halte die Zeit nicht mehr für fern, wo wir unsere Vollmachten in eine andere Hand niederlegen müssen.“ Sie schilderte in rascher Aufeinanderfolge das gespenstige Erscheinen der Frau in der Säulenhalle und ihre eigene Begegnung mit der Majorin am Zaun. „Wunderbar!“ rief sie schließlich. „Diese Geschmähte, diese als bitterste Feindin Gehaßte, gerade sie ist es – sie ist es allein, die mir auf deutschem Boden einen Zug von Sympathie abringt.“

Der Baron horchte überrascht auf.

„Es ist etwas Verwandtes in ihr und mir“ – fuhr sie fort.

„Ja,“ bestätigte er, „es ist der dämonische Zug, der uns zu rathen aufgiebt, ob in diesen Frauen mit den dunklen Flammenaugen in der That kein Herz lebt, oder ob es nur zeitlebens von dem unseligen Trieb, da zu vereinen, wo es beglücken sollte, überstimmt wird. Diese Species des Frauencharakters ist wie eine Blume, die neidisch lieber im eigenen Duft erstickt und verdirbt, ehe sie die spröde Knospenhülle sprengt – eine Flamme, die in die Tiefe hineinbrennt, den eigenen Herd vernichtet und keines Menschen Lebensweg bestrahlt – mich jammern meine zwei Lieblinge in solchen Händen!“

„Dann muß ich sehr hart und grausam sein, denn mich – jammern sie nicht,“ versetzte sie achselzuckend, aber mit leichtbebender Stimme. „Felix hat sich nicht geirrt – die Frau da

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 545. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_545.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)