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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

verglichen worden, das man in „des Garten besten Raum“ gepflanzt hat, damit es „gute Früchte“ trage. Diese Früchte heißen: Menschenliebe, Pflichttreue, klarer, heller Geist, gesunder, kräftiger Körper, ungebeugter Muth in allen Lebenslagen und ein stets zufrieden heiteres Gemüth. All die schönen Früchte aber, die wir so gern an unserem Bäumchen ernten möchten, entstehen nur aus den Blüthen einer treubehüteten, wohlgepflegten und reichbeglückten Kinderzeit. Wie wollt ihr Früchte ernten, wenn ihr die Blüthe vorzeitig abstreift oder giftigen Thau darauf fallen laßt? wenn ihr den Sonnenschein rücksichtslos verdunkelt, in dem allein der junge Baum gedeihen kann? Nicht nur darnach, ob das Kind zweckmäßig ernährt und bekleidet ist und den entsprechenden Unterricht empfängt, habt ihr bei seiner Pflege zu fragen; auch darnach, ob seine kleinen Augen den Abglanz jenes echten Kinderglückes widerspiegeln, das für jedes Menschenleben nur einmal kommt; ob kein trüber Nebel den hellen Glanz verkümmert, in dem ihnen jetzt noch die ganze Welt strahlen muß, wenn diese Welt ihnen nicht später als ein – „Jammerthal“ erscheinen soll. Es ist merkwürdig, wie früh schon Kinderaugen jenen müden, gedrückten Blick annehmen können, der mir tief in die Seele schneidet, wo ich ihm begegne. Und wie herzerquickend ist es, in den klaren Augen eines ehrwürdigen Greises noch im höchsten Alter den Widerschein seiner glücklichen Kindheit leuchten zu sehen, den er sich tief im Herzen bewahrt hat, trotz aller Stürme einer langen Pilgerfahrt!

Mit Namen könnte ich sie euch herzählen, die heiteren alten Herren und freundlichen Matronen, die ihr ganzes Leben lang gleichsam „gezehrt“ haben an dem Segen einer glücklichen Kinderzeit; wo du aber finsterem Pessimismus begegnest, da forsche nur nach – auf dem Boden eines Kinderparadieses ist dieses Kraut sicherlich nicht gewachsen.

Der Schüchterne.

Siesta.

Ende des Spiels.
Aus dem Paradiese der Kindheit. Originalzeichnungen von Gustav J. Schulz in Wien.

Indem ich über die Erklärung jenes einen schönen Kinderglückes nachsinne, das ich allen unseren Kleinen so gern schaffen möchte, fällt mir ein Ausspruch ein, den ich einmal irgendwo gelesen habe und der am treffendsten bezeichnet, was dazu erforderlich ist.

„Ihr habt Viel für eure Kinder gethan,“ heißt es da ungefähr. „Erst habt ihr ihnen eine Amme gehalten, dann eine Bonne, dann Erzieherinnen und Lehrer; jetzt haltet ihr dem Sohne ein Reitpferd und der Tochter einen Logenplatz im Theater, und doch

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 549. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_549.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)