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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Abhänge hinauf. Wie absichtlich sind die verschiedenen Farben der Laub- und Nadelhölzer zu den das Auge am meisten erfreuenden Zusammenwirkungen gemischt, denn es sind hier etwa siebenzig Holzarten vertreten. Auf der Spitze der höchsten, schroffsten und kahlsten Felswand erblickt man einen kleinen Aussichtspavillon, das „Jägerhäusle“, welches unser Künstler uns nebst der schon früher, näher an Wehr, emporragenden Ruine Bärenfels vorgeführt hat. Von Wehr bis zum Orte Todtmoosau, drei Stunden Weges, zuletzt durch etwas sich erweiternde Thalgehänge, trifft man nur ein „Rasthaus“, Unterkunft für Wagen und Menschen bietend, aber ohne Verpflegung, für die man selbst sorgen mag, wenn man nicht bis Todtmoosau warten will. Das Thal von Todtmoosau bis zu dem als Wallfahrts- und Marktort wie als Sommerfrische vielbesuchten Todtmoos, anderthalb Stunden hinauf, ist wieder ganz Hochalpenthal.

Die „Haseler Höhle“ liegt unfern des Ortes Wehr, in einem Seitenthale bei dem Dorfe Hasel (drei Viertelstunden von Wehr). Die ganze Gegend westlich von Wehr hat eigentlich etwas Unheimliches, so anmuthig sie ist. Ueberall nämlich dröhnt es beim Fahren schwerbelasteter Wagen, selbst stellenweise beim Aufstampfen des wandernden Fußes, in den Tiefen. Dem Gneis- und Granitgestein des eigentlichen Gebirgsmassivs ist hier gegen Westen zu Muschelkalk vorgelegt. Dies giebt, wie man weiß, unterirdische Klüfte und oft meilenweite Gänge, in denen verborgene Wasser rauschen. Der wunderbare See beim nahegelegenen Dorfe Eichen, auf dessen Grunde viele Jahre nur goldige Aehren rauschen, und dann wieder lange Wogenkämme vor dem Winde treiben, verdankt dieser Bodenformation sein sporadisches Erscheinen. Mehrfach sind Höhlungen mit unterirdischen Wassern entdeckt worden; auch sind Erdeinstürze nicht seltene Erscheinungen. Die Haseler Höhle, in welche man, durch lange leinene Kittel gegen das beständig träufelnde Wasser geschützt, hineinwandert, nimmt den flüchtigen Besucher eine Stunde in Anspruch. Sie hat aber Abzweigungen, welche man nicht zu besuchen pflegt und die noch nicht genügend untersucht worden sind. Lange Gänge, mehrere Höhlen, deren schönste, die sogenannte „Fürstengruft“, von unserem Künstler wiedergegeben ist, ein unterirdischer See, ein wildrauschender und unterirdisch verlaufender Bach, überall wunderbare, noch schön weiße Tropfsteingebilde, z. B. Capelle, Mantel, Orgel, Kanzel, Bienenkorb, Sarkophag und Thier- und Menschengestalten, sind die unterweltlichen Wunder, die sich überraschend darstellen. Drei von den Stalaktitsäulen geben beim Anschlag einen reinen Dreiklang.

Zu verwundern ist es nicht, daß solchen Naturspielen gegenüber die Sage von wunderbaren Dingen zu berichten weiß. So heißt die hier bezeichnete Höhle die „Erdmannshöhle“, und zwar nach den sagenhaften Gnomen („Erdmännlein“ sagt dort der Volksmund), welche hier leben sollen. Einst, so will die Sage, verkehrten sie hülfreich mit den Menschen, bis menschliche Neugier, um die Beschaffenheit ihrer stets sorgfältig verborgenen Füße (Schwanen- oder Entenfüße) zu erfahren, einst feingesiebte Holzasche vor den Eingang der Haseler Höhle streute. Die überlisteten „kleinen Leutchen“ zogen sich, theils aus Beschämung, theils aus Zorn über den Undank, in die Erde zurück, und mit ihrer Hülfe ist es nun leider vorbei, bis wieder einmal ein besseres Menschengeschlecht die Thäler dort bewohnt. Aber die Haseler Höhle, ihren Lieblingsort, aus dessen Eingang sie oft nächtlicher Weile zum gestirnten Himmel aufblicken, bewohnen sie noch. Dringt aber ein menschlicher Fuß hinein, so verschwinden sie dem Auge des Menschen. Sie werden zu Stein. Und das sind eben die wunderbaren Gestalten in der Höhle, die der Mensch anstaunt.

Ich schließe mit einer Anführung aus einem Briefe des Herrn Aßmus, welcher im letzten Herbst die Haseler Höhle für die „Gartenlaube“ aufnahm. „Der Herr Bürgermeister,“ so schrieb er mir damals, „an den ich Empfehlungen von Brennet und Wehr hatte, war krank; mich führte, was mir keineswegs unlieb war, seine hübsche, jugendliche Tochter, ‚das Emmele’, mit sanften, blauen Augen und dunklem, prächtigem Haar. Die Schwarzwälderinnen zeichnen sich überhaupt durch üppiges, schönes Haar aus, das meist in langen Zöpfen getragen wird. Zwei junge Bursche begleiteten uns, welche Bündel von Buchenspähnen trugen, um mit diesen unserer Wanderung und meiner Arbeit zu leuchten. Im tiefen Schnee gingen wir zur Höhle. Auf Anrathen des Emmele legte ich meinen Ueberzieher ab, weil es da unten in der Höhle sehr warm sei. Ich zog dann jenen bekannten leinenen Kittel mit Kapuze an, und hinab ging es in die Tiefe. In der Fürstengruft sang ich; die Akustik war herrlich. Das Emmele wußte übrigens recht gut in der Höhle Bescheid, und nicht sie war schuld, daß ich mir einige Male in den engen Gängen an den Stalaktiten tüchtig den Kopf stieß. … Sie haben ganz Recht, daß man den Schwarzwald lieb gewinnen muß. Ich kenne ebenfalls die Schweiz, Tirol, die Karpathen, Harz, Riesengebirge, ein gut Stück von Italien, allein die Herzlichkeit, das biedere Wesen der Schwarzwälder und in Verbindung damit die schöne, oft sehr großartige Natur, lassen den Aufenthalt hier so anmuthend wie kaum sonstwo erscheinen; ich habe mich oft sehr schwer von den lieben Leuten und herrlichen Thälern getrennt.“[1]




Blätter und Blüthen.


Das letzte Fahrzeug der Schiffbrüchigen. Auf weiten Seereisen macht der gelangweilte Passagier die Bekanntschaft der Spielkarten, der Exportbiere, schlechter Romane und anderer höchst überflüssiger Dinge, allein ein Rettungsgurt wird ihm in den allerseltensten Fällen vorgestellt. Ich habe auf hoher See Nächte durchlebt, in denen der Zusammenstoß zweier Schiffe nur mit genauer Noth abgewendet wurde, und andere, in denen der Sturm das Schiff zum Wrack machte, allein die Schreckensnächte gingen vorüber, ohne daß ich in’s Klare darüber kam, ob ein Rettungsgurt am Bord des Schiffes sei oder nicht. In jenen schweren Stunden mag solch ein unscheinbarer Korkgürtel nur schwachen Trost bieten, allein immerhin ist für den Bedrohten ein schwacher Trost besser als gar keiner, und der Passagier findet „in der rauhen ungestümen Wellenwiege“ eher den Schlaf, wenn er weiß, es giebt nach dem Untergang des Schiffes noch eine letzte Hoffnung. Schon aus diesem Grunde sollten die Schiffsrheder eine genügende Anzahl von Rettungsgürteln für ihre Schiffe erwerben. Die Passagiere und Matrosen aber müßten, sobald sie die Fahrt antreten, von dem Vorhandensein der Rettungsapparate in Kenntniß gesetzt und genau darüber unterrichtet werden, wie dieselben zu gebrauchen sind.

Schon in früheren Jahren wurde die Nothwendigkeit der obligatorischen Einführung der Schwimmgürtel betont, allein theils des hohen Preises, theils der ungenügenden Leistungsfähigkeit der Apparate wegen sträubten sich manche Rheder gegen dieses Ansinnen. Das letzte Jahr aber brachte uns Katastrophen auf hoher See, welche die Nothwendigkeit ausreichender Rettungsmittel so laut und überzeugend predigten, daß wohl der Widerstand besiegt wird und man fortan jede Schiffsausrüstung für unvollkommen bezeichnen muß, der die genügende Anzahl von Rettungsgürteln fehlt.

„Der große Kurfürst“, das majestätische deutsche Kriegsschiff, „die Princeß Alice“, der Londoner Vergnügungsdampfer, und endlich „die Pommerania“ aus Hamburg, sie alle fielen im Laufe von fünf Monaten Zusammenstößen zum Opfer und sanken auf fast glatter Wasserfläche. Wie viele Menschenleben hätten in diesen furchtbaren Katastrophen gerettet werden können, wären Rettungsapparate in genügender Zahl und Zweckmäßigkeit vorhanden und wäre das reisende Publicum mit dem Gebrauch derselben vertraut gewesen!

Der „Nautische Verein“, welcher vor längerer Zeit unter dem Vorsitze des Capitains John Gibson in Berlin seinen Vereinstag abhielt, hat sich mit dieser brennenden Frage auf das eingehendste beschäftigt. Vorher schon hatte der Vorstand des Vereins an alle deutschen Rheder die Aufforderung gerichtet, für jede an Bord ihrer Schiffe befindliche Person einen zweckmäßigen Schwimmgürtel anzuschaffen. Der Verein selber wollte die neuesten Rettungsapparate prüfen und die, welche sich als zweckmäßig erwiesen den Rhedern empfehlen. In Folge eines Aufrufes waren mehr als dreißig Schwimmgürtel und Schwimmwesten eingesandt worden, dazu eine Anzahl von radförmigen Korkkränzen oder Bojen, deren äußerer Umfang mit einem Stricke derart besetzt ist, daß dieser dem Schiffbrüchigen[2] einen festen Anhalt bietet. Die Rettungsapparate wurden auf ihre Tragfähigkeit im Bassin einer Schwimmanstalt geprüft. Capitain Graffunder, derselbe, welcher bei der Nachricht vom Untergange der „Pommerania“ die Capitaine der Passagedampfer so eindringlich vor den schnellen Fahrten warnte, denen so manche Rücksicht geopfert werde, erörterte, bevor die Versuche angestellt wurden, die Frage, in welchen Situationen ein Rettungsgürtel gute Dienste leiste. Außer den von uns geschilderten Fällen giebt derselbe noch folgende an: Auf offener See fällt Jemand über Bord. Rettungsbojen werden dem

  1. Wir können von unserm Gegenstande nicht Abschied nehmen, ohne des eigentlichen Reiseschriftstellers des Schwarzwaldes zu gedenken, des Dr. Wilhelm Schnars. Ein Kind des Nordens, und als Arzt in Hamburg jahrelang thätig, hat er mehr als jeder Andere, hauptsächlich durch Vermittelung des rüstig wirkenden „Schwarzwald-Vereins“, zur Aufschließung der Naturschönheiten dieses deutschen Gebirges gewirkt. Leider ist der treffliche Mann am 20. Mai in seinem 73. Jahre zu Baden-Baden aus dem Leben geschieden. Das Andenken an ihn, der fünfzehn Jahre lang Land und Leute des Schwarzwaldes mit aller Wärme des Herzens und Schärfe des Geistes erforscht, um in ihrer fortschreitenden Entwickelung seine schönste Lebensfreude zu finden, das Andenken an den Dr. Schnars hat im dankbaren Volksgemüth seine sichere Stätte gefunden.
    D. Red.
  2. Vorlage: Schriffbrüchigen
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 559. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_559.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)