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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

in denen sie zu compacten Massen erstarren. Nach dem Erkalten werden sie in Stücke zerschlagen und in die Hochöfen übergeführt. Ein Cylindergebläse verursacht in diesen Oefen ein wahres Höllenfeuer. Bei circa 1600 Grad Celsius zerschmilzt die harte Erzmasse abermals und sondert ihre Hauptbestandtheile blos durch das verschiedene specifische Gewicht von einander ab. Das schwere Blei mit dem Silbergehalt sinkt zu Boden; darüber hat sich als dünne Lage die Nickelspeise gebildet; auf dieser ruht ein schwarzer Stein, in dem sich vorzugsweise das Kupfer ansammelt, und ganz zu oberst schwimmen die Schlacken, die indeß auch noch Metalle enthalten. Diese Ausscheidungen werden je einzeln wieder diversen Scheideprocessen unterworfen; sie bergen sämmtlich noch Silber, Blei, Kupfer, Arsen etc.. Doch müssen wir beim Hauptproceß verweilen, der das Hauptproduct, Silber und Blei, umfaßt, das jetzt zusammen „Werkblei“ genannt wird.

Eine Neuerung an den Hohöfen sind die sogenannten Kühlringe, gußeiserne Hohlräume, die einen Ring um den Ofen bilden, durch den fortwährend kaltes Wasser strömt, sonst mußten die glühenden Riesen von Vierteljahr zu Vierteljahr umgebaut werden, da keine ihrer Thonausmauerungen im Stande gewesen, solche furchtbare Gluthen länger zu ertragen; seit man ihnen aber einen Prießnitz-Umschlag um den heißen Leib verordnete, bringen sie es auf 18 bis 24 Monate, und das ist für einen Hohofen ein wahres Greisenalter.

Das Werkblei wandert nun zum Saiger-Ofen. Das Saigern bedeutet eine Ausscheidung des Kupfers und ist ein rein mechanischer Vorgang. Auf einem schräg gemauerten Herde wird das Werkblei abermals zum Schmelzen gebracht. Das schnellflüssige Blei mit dem Silber läuft von dem schrägen Herde fort, während das schwerfälligere Kupfer in den sogenannten Saigerdörnern darauf zurückbleibt. Der Hüttenmann gießt das Werkblei in Barren, harkt das Kupfer vom Herde fort, scheidet noch Manches aus ihm aus und verwandelt es schließlich in das prächtige, tiefblaue Kupfervitriol, das in den Batterien der Telegraphen eine Hauptrolle übernommen. Doch zurück zu dem nun auch kupferfreien Werkblei! Jetzt gilt’s, das Arsen und das Antimon auszuscheiden; diese Verbindungen hat die Natur besonders dauerhaft gestaltet, denn die Trennung des Giftes von dem zukünftigen Geldstück erheischt eine ganz energische Manipulation. In Massen von 400 Centnern bringt man das Werkblei in die Raffiniröfen und hetzt mit Gebläse die Flammen viele Stunden lang über die flüssige, glänzende Masse dahin. Das Arsen und das Antimon wird dadurch zum Oxydiren gebracht, sodaß man die beiden Metalle als ein aschenartiges Product von der Oberfläche des Metallsees abstreichen kann. Der Hüttenmann kennt einen ersten, zweiten und einen dritten Abstrich, die er wieder verschiedenartig verhüttet, scheidet und ausnützt. Aus einem der Abstriche gewinnt er das Antimonblei, das in der Welt in Form von Buchdruckerlettern viel Heil und Unheil anrichtet.

Das Werkblei hätte nun nur noch das Silber bei sich, aber Silber und Blei sind fast unzertrennliche Freunde, die der Mensch nur mit größter Mühe zu entzweien vermag. Dazu benutzt er zunächst einen kleinen Egoismus des letzteren Metalls. Das Blei hat nämlich das Bestreben, beim Erkalten in einem gewissen Wärmegrad Krystalle zu bilden, in denen es kein Silber mit aufnimmt. Das hat ihm der kluge Mensch abgelauscht „und darauf baut er seinen Plan“; er überrascht das ahnungslose Metall bei diesem Vorgange und schöpft die Krystalle mit Riesenlöffeln aus. Je zu einer Post gehören sechszehn große Kessel, die unterirdisch gefeuert werden und dicht an einander stoßen. Die schwere Arbeit des Schöpfens beginnt bei den mittleren Kesseln; die Bleikrystalle werden von Kessel zu Kessel nach rechts übergeführt, die Mutterlauge jedoch – das ist das Blei, welches das Silber an sich behält – geht von Kessel zu Kessel nach links. Nach einer endlos erscheinenden Ausschöpferei hat man es dahin gebracht, daß im äußersten Kessel zur Rechten reines Blei angesammelt und zur Linken ein Blei zusammengeschöpft worden ist, das statt des früheren halben Procents jetzt zwei Procent Silber enthält und nun nicht mehr Werkblei, sondern Reichblei benannt wird. Dem Laien erscheint das ein geringer Vortheil, vor den Augen des Hüttenmannes aber ist es ein bedeutender Erfolg, und der Name Pattinson – so hieß der erste Ausbeuter dieses Naturprocesses – hat einen guten Klang in der Hüttenkunde.

Jetzt rückt man den treuen Verbündeten „Silber und Blei“ wieder direct mit dem Feuer auf den Hals; der Abtreibeproceß beginnt, der schon durch seinen Namen auf das Gewaltsame seines Charakters hindeuten. 600 bis 700 Centner Reichblei werden gleichzeitig in den Treibeherd gebracht, der zu jedem Abtreiben neu aus Mergel geschlagen werdet muß. 120 Stunden lang schlagen jetzt die wildesten Flammen, getrieben von einem wüthenden Luftstrom, ununterbrochen in den Treibeherd hinein. Das Silber hält diese glühende Parforcejagd der Sauerstoffmassen aus, nicht aber sein Getreuer, das Blei; es oxydirt zu einer brüchigen, gelbgrünen unscheinbaren Masse, die in den Töpfereien als Bleiglätte den Töpfen die bekannte Glasur giebt. Doch nicht alles Blei hat sich zum Oxydiren zwingen lassen, in dem Rückstande, dem Silberkuchen, sind davon noch immer zwanzig bis dreißig Procent vorhanden, das Silber wird daher in einen kleineren Herd gebracht, und der „Guttreibeproceß“ mit mäßigeren Luftströmen vollendet das, was der Haupttreibeproceß zu thun übrig ließ. Man hält jetzt von Zeit zu Zeit ein Gezähstück über das flüssige Metall und erst, wenn sich der Silberspiegel als ein ganz reiner und tadelloser erwiesen, werden die heulenden Flammen zum Schweigen gebracht, denn das ist das Zeichen, daß die Mesalliancen, die das Edelmetall tief unter der Erde eingegangen, beseitigt sind. Aber noch führt das Silber eine Contrebande bei sich, die weit köstlicher als sein eigener Werth ist, das Gold, und das kann ihm der Hüttenmann nicht mit auf die Fahrt geben. Das glänzende Metall muß sich zu diesem Zwecke eine völlige Auflösung in Schwefelsäure gefallen lassen, wobei es das Aussehen eines „Grünbittern“ annimmt, kurz, zu einer nichtssagenden Flüssigkeit entstellt wird. Das Gold scheidet sich dabei als ein unscheinbarer Staub aus, der durch Waschen und Kochen in Wasser, Schwefelsäure und doppeltschwefelsaurem Natron zu reinem Golde geläutert wird, und damit stehen wir auf der Höhe und am Ende der vielgestaltigen Erzscheideprocesse.

Die Zinkhütten, die Arsenhütten und die Schwefelsäurefabrik, wo der deutsche Hüttenmann so große Erfolge errungen, müssen wir übergehen, so gern wir auch diese Triumphe den Lesern verständlich machten – nur das Eine sei hier verkündet, das den Hüttenmann vielleicht am meisten ehrt: seine Triumphe haben ihn nicht träge gemacht – im Gegentheil, er ist noch lange nicht mit sich zufrieden. Die blauen, röthlichen, gelb- und grünlichen Flammen, die aus den Oefen hier und da emporschlagen, gefallen ihm durchaus nicht, so sehr auch ihr flackerndes Farbenspiel das Auge entzückt; er weiß, daß hier kostbare Stoffe verbrennen, und diese und noch manch Anderes, was in die Lüfte entweicht oder über die Schutthalden hinabrollt, gedenkt er gleichfalls der Menschheit dienstbar zu machen. Nun, Glückauf, wackerer Hüttenmann!

Gampe.




Aus vergessenen Acten.

Eine Criminalgeschichte von Hans Blum.

(Fortsetzung.)


Zwanzig Jahre waren nun vergangen seit jener blutigen Johannisnacht, und Kern war immer noch Amtsrichter in dem kleinen Städtchen. Von der dunklen That erzählten die alten Leute den jungen wie von einer blutigen Sage. Nur zwei verwitterte Grabsteine auf dem älteren Theile des Kirchhofes bekundeten, daß die Sage Wirklichkeit gewesen. Der Unselige, der die That verübt, sollte noch leben: das Leben des Zuchthauses.

Und auch das muthige Mädchen, das einst mit eigener Lebensgefahr die verborgene That an’s Licht gezogen, lebte noch. Sichtbar lag nach Ansicht der Leute der Segen Gottes auf ihrem Thun, ihrem Hause. Einst, so erzählten die Alten, hätte der Bauer Stephan von der Liebschaft seines Sohnes Gustav mit der Margret absolut nichts wissen wollen. Und gerade als der Josua King, der Mörder, abgeurtheilt worden, und die Margret mit

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 670. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_670.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)