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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

körperliche Erregung, welche, indem sie den kritischen Schweiß erzeugte, die Tarantati genesen ließ; gestattete man ihnen dieses Mittel nicht, welches ihrer festen Ueberzeugung nach allein im Stande war, sie vor dem Tode zu bewahren, so verfielen sie bald, im Bewußtsein, ein tödtliches Gift in sich zu bergen, in Trübsinn und Melancholie und glaubten zuletzt als Hypochonder alle möglichen Leiden an sich wahrzunehmen.

Was hier der Tanz thut, würde vermuthlich jedes schweißtreibende Mittel auch leisten, aber von einer speciellen neutralisirenden Wirkung der Musik auf das Tarantelgift zu reden, ist eine Absurdität, welche ihren höchsten Grad erreicht, wenn man noch dazu behauptete, daß auch Schwerhörige und Taube durch Musik geheilt wurden.

Die Wirkungen des Malmignattebisses hat Cauro auf Corsica näher beobachtet und gefunden, daß die Symptome wesentlich dieselben sind, wie nach dem Bisse der Tarantel. Der Biß sieht einem Flohstich sehr ähnlich und erzeugt schnell heftige, nach allen Seiten ausstrahlende Schmerzen; es bemächtigt sich des Kranken eine große Reizbarkeit und Unruhe, eine gewaltige Ermattung aller Glieder. Ein reichlicher Schweiß geht stets der Genesung voran. Der Tod kann zuweilen erfolgen, doch ist die Heilung der gewöhnlichste Ausgang, selbst wenn auch heftigere Erscheinungen, wie Delirien und hohes Fieber, eintreten. Die Dauer der Krankheit soll jedoch gewöhnlich vierzehn Tage betragen.

Toti stellte einige Versuche an, indem er eine Hündin und mehrere kleine Vögel von der Malmignatte beißen ließ. Die Hündin kam nach einem nicht näher beschriebenen Unwohlsein mit dem Leben davon, während die Vögel alle nach wenigen Stunden starben. Toti ließ einige Vögel die Spinnen verschlucken, und auch diese starben bald nach der Mahlzeit.

Die Mittel, mit deren Hülfe die corsicanischen Aerzte die Krankheit heilen, bestehen hauptsächlich in Kampher, Wein und großen Dosen Opium. Dr. Froment wendete in Südfrankeich die Musik auch nach dem Bisse der Malmignatte als Heilmittel an – und hatte einen Erfolg, dessen Erklärung aus dem bisher Gesagten gefunden werden mag.




Was thut man bei Erkältung?
Altes und Neues zur Beherzigung für die rauhe Jahreszeit.
Von Dr. Fr. Dornblüth.


Husten, Heiserkeit, Halsweh, Schnupfen und katarrhalische Brustaffectionen, die man vorzugsweise als Folgen einer Erkältung ansieht und selbst mit diesem Namen bezeichnet, sind so allgemeine Begleiter der kalten Jahreszeit in unserem Klima, daß sie kaum als Krankheiten gerechnet werden. Man wird nicht gerade arbeitsunfähig dadurch; Menschen von übrigens guter Gesundheit überwinden solche leichtere Erkältungskrankheiten in der Regel in kurzer Zeit ohne wesentliche Störungen und besonders nachtheilige Folgen; so will man ihnen also auch keine besondere Aufmerksamkeit widmen, vor allen Dingen aber sich nicht „unterkriegen“ lassen, das heißt: man will sich nicht als krank betrachtet wissen, nicht das Zimmer hüten, nicht gewohnten Beschäftigungen und Vergnügungen entsagen, auch nicht besondere Vorsichtsmaßregeln anwenden. Wird das Befinden dabei recht schlecht, stellen sich Fieber, Schmerzen und andere nicht so leicht abweisbare oder überwindliche Erscheinungen ein, dann sei es, so meint man, immer noch Zeit, einen Arzt zu fragen.

Linderung will man freilich gern haben: dazu weiß ja jede Mutter oder Tante prächtige, unfehlbare Mittel, jede Zeitung preist solche in Hülle und Fülle an; sie sind meist nicht unangenehm zu nehmen, und da die betreffenden Krankheiten nach einiger Zeit vorübergehen, so steht der Nutzen der angewendeten Mittel bei den Gläubigen fest und findet immer neue Empfehler oder Empfehlerinnen. Je bequemer die Mittel anzuwenden, je angenehmer sie zu nehmen sind, desto beliebter sind sie, und Fabrikanten und Marktschreier wetteifern in immer neuen Darstellungen und Anpreisungen. Da haben wir die ganze Reihe der süßen und schleimigen Mittel in unzähligen Formen und Mischungen: weißen Zucker, Candis- und Malzzucker, Caramellen (gebrannter Zucker), Bonbons etc., Gummi, Eibisch, Süßholz und Süßholzextract (Lakritzen), isländisches und Seemoos (Carragheen), Racahout und Chocolade, Malzthee, Malzextract, Malzbier (Malzgesundheitsbier etc.), auch Mischungen von süßen, schleimigen und bitteren Pflanzentheilen (Brustthees), lösende Salze, wie kohlensaures Natron und Salmiak, in natürlichen und künstlichen Brunnen, in Pastillen, Tabletten und Pillen; nicht gar selten auch derartige Mittel mit Zusätzen von narkotischen, betäubenden Giften (Opium und Morphium), in neuester Zeit auch von Carbolsäure (Phenol), und noch manches Andere.

Die schleimigen und süßen Mittel wirken dadurch, daß sie bei örtlicher Berührung die gereizte und trockene oder mit zähem Schleim überzogene Schleimhaut des Halses anfeuchten und den Schleim lockern, wodurch der Hustenreiz gemildert wird. Sie können also nur nützen, wo das Leiden auf der Oberfläche der Schleimhaut des Rachens, oberhalb des Kehlkopfes und der Stimmritze, sitzt; hat das Leiden seinen Sitz im Kehlkopfe selbst oder unterhalb desselben, in den Luftröhren und Lungen, wohin jene Mittel nicht kommen, so können sie natürlich gar nichts ausrichten. Natron und Salmiak wirken ebenfalls örtlich schleimlösend; indirect, wenn sie durch den Magen in’s Blut gelangen wirken sie höchst unsicher und immer nur, nachdem sie in beträchtlichen Mengen genommen worden sind. In letzterem Falle können sie aber, wie auch die massenhaft verschluckten süßen und schleimigen Mittel, durch Störung der Verdauung leicht mehr Schaden als Nutzen stiften. Die narkotischen Mittel wirken durch Betäubung der Nerven, können unter der Aufsicht eines verständigen Arztes, der besonders das Zuviel verhindert, durch Beseitigung des Hustenreizes großen Nutzen schaffen, sollten aber ohne Arzt wegen ihrer sonstigen bedenklichen Wirkungen niemals angewendet werden.

Warme Getränke (Brust- und Hustenthees u. a. m.) können außer durch ihre örtliche reizmindernde und schleimlösende Wirkung auch durch Vermehrung der Absonderungen der Schleimhäute vom Blute aus sich nützlich erweisen; doch thun sie dies nur, wenn man sich zugleich warm verhält, am besten im Bett, wo denn auch die Hautausdünstung selbst bis zur Schweißbildung gesteigert werden kann. Letztere pflegt besonders willkommen zu sein, weil vielfach vorausgesetzt wird, daß mit derselben Krankheitsstoffe ausgeschieden werden und damit die Genesung eintrete. Wenn der Zusammenhang gleich ein anderer ist, so steht doch fest, daß manche Erkältungskrankheiten, die mit trockener Haut und Frösteln beginnen, einem kräftigen Schweißausbruche rasch weichen: und somit sucht man also gern einen solchen Schweißausbruch herbeizuführen, was bald durch warme Einhüllung und reichlichen Genuß warmer Getränke, bald durch anstrengende Körperbewegung, bald durch warme Bäder, russische und römische Dampfbäder, bald durch Einpackungen in naßkaltes Leinentuch geschieht.

In Fällen einfacher Erkältungen kann bei sonst gesunden Leuten jede dieser Methoden zu rascher Genesung führen, was sich gleich bei der ersten Anwendung zeigt; liegt aber eine tiefere Gesundheitsstörung zu Grunde, so erlangt man nicht nur keinen guten Erfolg, sondern kann sogar die Krankheit verschlimmern, oder auf Grund irgend eines bisher vielleicht nicht beachteten Leidens, etwa eines organischen Herz- oder Blutgefäßfehlers, gefährliche Zufälle, z. B. Lungen- oder Hirnblutungen, hervorrufen. Dies geschieht um so leichter, je heftiger durch die Bestrebungen, Schweiß zu erzeugen, z. B. durch erhitzende Getränke, heiße Wasser-, und Dampfbäder, das Blut oder vielmehr der Blutlauf erregt wird. Wenn man also nicht ganz sicher ist, daß durch die Natur des Kranken und seines Leidens jede Gefahr ausgeschlossen ist, so hüte man sich wenigstens vor der selbstständigen Anwendung irgend eines eingreifenden Verfahrens.

Ferner behalte man im Gedächtnisse, daß sowohl die innerlich angewendeten Hausmittel, wie die sogenannten Schwitzcuren ihre gute Wirkung alsbald zeigen müssen; gehen Tage darüber hin, ehe solche eintreten, so kann man sicher sein, unwirksame oder gar verkehrte Mittel in Anwendung gezogen zu haben, und thut dann besser, von dem Versuche abzulassen, ehe man viel Zeit verloren

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 708. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_708.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)