Seite:Die Gartenlaube (1879) 791.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

auch unsere europäischen Bäume werden, in tropische Gegenden verpflanzt, immergrün und tragen, da sie die meiste Kraft auf die Ausbildung der Blätter verwenden, nur kleine Früchte, die sogar in den kühleren Gebirgsgegenden nie zur Reife gelangen.

Von dem auf das östliche Java beschränkten Gift- oder Upasbaum erzählte man, daß er giftige Dünste aushauche, die auf die in seinem Schatten ruhenden Menschen eine tödtliche Wirkung ausübten, und daß sogar Vögel, die über seinen Wipfel hinflögen, leblos niederfielen. Zweifellos wahr ist, daß dieser Baum einen giftigen Milchsaft enthält, mit dem die Javaner ihre Pfeil- und Lanzenspitzen vergiften. Von der merkwürdigen schmarotzenden Rafflesia, deren riesengroße, röthlichweiße Blüthen und Niederblätter oft in solcher Menge hervorsprossen, daß man an manchen Stellen keinen Schritt thun kann, ohne ihrer mehrere zu zertreten, hat die „Gartenlaube“ bereits ausführlicher Notiz genommen (Nr. 17, S. 292 dieses Jahrgangs, vergl. auch Nr. 42, S. 712).

Ein ganz neues und überraschend großartiges Bild bietet sich unseren Blicke dar, wenn wir die von den Hügelgegenden bis zu den Gipfeln der Berge und in horizontaler Richtung in fast ununterbrochener Folge meilenweit sich ausdehnenden Urwälder betreten, die nur selten von Menschen besucht werden und in denen die einheimische Pflanzenwelt sich noch in ihrer ursprüglichen Gestalt zeigt. Es ist kaum möglich, sich durch das Gewirre der vielfach in einander verflochtenen Pflanzen eines Urwaldes hindurchzuarbeiten, wenn man sich nicht mit dem Hackmesser einen Weg durch das Pflanzengewirr bahnt oder die Rhinocerospfade benutzt. Mit verschwenderischer Fülle hat die Natur diese Gegenden ausgestattet. Wo der Boden nicht ausreicht, die üppig hervorsprossenden Gewächse zu tragen, da müssen des Urwaldes hochstämmige Riesen die zahllosen parasitisch lebenden Pflanzen beherbergen, welche sich das gastliche Haus des Wirthes gegenseitig streitig machen. Unter den auf der Rinde vieler Bäume wuchernden Pflanzen fallen uns sofort die durch wunderbare Farbenpracht und aromatischen Duft ausgezeichneten Orchideen auf, die oft in mehr als zwanzig Arten auf einem einzigen Baume vertreten sind. Von den Wipfeln hängen die dicken, bis mehrere hundert Fuß langen Stämme der Schlinggewächse, die wie Riesenschlangen die Stämme umschlingen oder wie mächtige Taue sich zwischen mehreren Bäumen ausspannen. Der bekannteste und wichtigste Vertreter der Schlinggewächse ist die das spanische Rohr liefernde Rotangpalme. Als Charakterpflanzen des tropischen Urwaldes verdienen vor allen die schlanken, oft bis zu sechszig Fuß hohen Baumfarne erwähnt zu werden. Die größten Riesen eines javanischen Urwaldes sind die Rasamalabäume, deren kerzengerader Stamm erst in einer Höhe von neunzig bis hundert Fuß in den kugeligen fünfzig bis achtzig Fuß hohen Wipfel übergeht. Die größten Stämme erreichen einen Durchmesser von drei bis vier Fuß. An der hellgrauen glatten Rinde des Stammes bleiben keine Schmarotzerpflanzen haften, und nur selten winden sich Schlinggewächse um denselben. Ihre eigentliche Heimath ist in den Preanger Regentschaften des westlichen Java, in Höhen von zwei- bis viertausend Fuß. Die frühere Ausdehnung dieser Wälder hat jedoch durch die Kaffeecultur, welche hauptsächlich in dieser Zone blüht, abgenommen.

Java war eine der ersten Colonien, in welcher die Cultur des aus dem mittleren Afrika stammenden Kaffeestrauches eingeführt wurde (1696), und nächst Brasilien erzeugt Java gegenwärtig den meisten Kaffee. Am besten gedeiht derselbe indessen in den Preanger Regentschaften und in der östlichen Hälfte der Insel. Bei der Anlegung einer Kaffeepflanzung wird zuerst der Wald gelichtet; zum Schutze der jungen Setzlinge werden entweder einige Schatten gebende Bäume stehen gelassen, oder es werden alle Bäume gefällt und dann dichtbelaubte Bäume so angepflanzt, daß jeder Kaffeebaum zwischen vier sogenannten Schattenbäumen steht. Außerdem pflanzen die Javaner auch Kaffeesträucher als Umzäunung ihrer Gärten an. Die Kaffeebäume tragen fast das ganze Jahr hindurch Blüthen und Früchte, aber die eigentliche Blüthezeit fällt in die Monate September und October; wenige Monate später leuchten die dunkelkirschrothen Früchte unter dem glänzenden tiefgrünen Laube hervor. Da die Früchte nicht zu gleicher Zeit reifen, so müssen sie meist einzeln gepflückt werden.

Nächst der Kaffeecultur wird am meisten die des Zuckerrohres für den europäischen Markt betrieben, aber für ihren eigenen Gebrauch bereiten die Javaner den Zucker aus dem Safte der Arengapalme. Der Anbau der Theestaude und der Tabakspflanze ergiebt, seitdem die holländische Regierung ihn europäischen Pflanzern überlassen hat, reichlichere Ernten und Producte von besserer Qualität; auch die Cultur der Vanille und des Indigo wird nur von einigen europäischen Pflanzern betrieben. Der für die Tropen so ungemein wichtige Chinarindenbaum, dessen Anbau im Jahre 1843 begann und dessen Rinde das Chinin, das wirksamste Arzneimittel gegen Fieber, liefert, wurde in mehreren Arten aus seiner Heimath in den peruanischen Anden von einem in holländischen Diensten stehenden deutschen Botaniker Haßkarl nach Java gebracht und auf Kosten der Regierung am Gedeh-, Tangubanprau- und Malabargebirge angepflanzt. Anfangs lieferten die Pflanzungen nur geringen Ertrag und Rinde von schlechter Qualität, weil die Bäume im Schatten des Urwaldes angepflanzt worden waren. Seitdem man bessere Arten ausgewählt hat und den Pflanzen mehr Licht gönnt, gedeihen sie besser und ist auch der Gehalt der Rinde an Alkaloiden ein größerer.

Je höher wir an den Bergen emporsteigen, desto mehr verändert sich der Charakter der Vegetation, und auf den Berggipfeln selbst nimmt die javanische Flora einen fast europäischen Charakter an. Wir begegnen dort zahlreichen Vertretern der gemäßigten Zone, wie dem Wegerich, dem Beifuß, dem Knöterich, dem Sternkraut, dem schwarzen Nachtschatten und anderen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß diese Pflanze, in Europa lästige Unkräuter, mit Gemüsesamen nach Java verschleppt worden sind, doch ist auch die Annahme berechtigt, daß sie auf ihrer Wanderung durch Asien auf dem Landweg nach Java gelangten, als diese Insel noch im Zusammenhang mit dem asiatischen Festlande stand. Von den zahlreichen mit europäischen Pflanzen nahe verwandten Arten der Flora auf hohen Berggipfeln erwähne ich nur das geruchlose Veilchen, die kriechende Erdbeere mit ihren gelben und purpurrothen, aber ungenießbaren Früchten, und die winzige Gentiane mit ihren smalteblaue Blüthen. Die Bäume der Gipfelwälder sind meist klein und verkrüppelt und stehen so dicht zusammengedrängt, daß es hier unmöglich ist, sogar mit einem Hackmesser sich einen Weg zu bahnen. Der Boden dieser Wälder ist mit einem dichten Teppich von Bärlapp, Moosen und kleinen Farnkräutern bedeckt.

Während in den niedriger gelegenen Wäldern sich ein reiches und mannigfaches Thierleben entfaltet, verirren sich nur selten einzelne Thiere bis auf die Gipfel der hohen Berge. In den Gipfelwäldern des 9200 Fuß hohen Gedehgebirges sah ich nur den Bankivahahn, den Stammvater unseres Haushahns, und eine Taube. Daß aber auch das Nashorn bis zu den Spitzen der Berge emporsteigt, ersieht man aus seinen nach verschiedenen Richtungen sich kreuzenden Pfaden. Alle übrigen Repräsentanten der höheren Thierwelt, wie die Affen, der Tiger, der schwarze Panther, der wilde Stier, die wilden Schweine und die schönen Kidang-Rehe bewohnen meistens die Wälder der mittleren Gebirgszone. Eines der niedlichsten Thiere dieser Wälder ist das zierliche Moschusthier, das nicht größer ist als ein Kaninchen und dessen Beine nur die Dicke eines Bleistifts haben.

Die größte Mannigfaltigkeit und Pracht entfaltet die javanische Vogel- und Insectenwelt. Die merkwürdigsten Insecten sind die Blatt- und Stabheuschrecken; die ersteren haben blattähnliche Flügel und sind daher, wenn sie auf Bäumen sitzen, kaum von den Blättern zu unterscheiden; ebenso wird man die Stabheuschrecken mit ihrem einem dünnen Aste ähnlichen graubraunen Körper leicht übersehen. Einer der am häufigsten vorkommenden Schmetterlinge ist der Todtenkopf, und der größte der Atlas.

Wenn wir, auf einem der vulcanischen Kegelberge angelangt, über das durchwanderte Gebiet Umschau halten, so bietet sich uns die herrlichste Aussicht auf die zu unseren Füßen liegenden und mit der üppigsten Vegetation bedeckten Landschaften dar. Und doch vermissen wir in der javanischen Landschaft manche unserer gemäßigten Zone zu Theil gewordenen Reize. Wir sehen uns vergeblich nach unseren blumigen Wiesen und grünen Matten um und können nicht dem schönen Gesang unserer Singvögel lauschen. Anstatt der Wiesen sehen wir mit mannshohem Grase bewachsene Flächen, die Alang-Alangflächen, und das Heer der Vögel macht sich nur durch melancholisches Flöten oder durch unausstehliches Geschrei bemerklich; dadurch wird der düstere Urwald nur noch unheimlicher.



Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 791. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_791.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)