Seite:Die Gartenlaube (1880) 311.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


ohne Unterschied von Farben und Grenzen alle Deutschen verbindet. Wer nur einigen Theil hat an den geistigen Genüssen, die ein gutes Buch gewährt, wem ernste, belehrende, erheiternde, rührende Schriften auch nur bisweilen eine trübe Stunde belebten, ihm höhere Freuden als die alltäglichen gewährend; ja, wer nur aus Anderer Munde, wenn er selbst nicht Zeit und Beruf hatte nach Büchern zu greifen, von den günstigen Einflüssen vernahm, die vielgelesene Werke auf Bildung und Sitte ausüben, der handelt sträflich, sobald er nicht ein Scherflein (seinen Mitteln entsprechend) zu diesem Monumente deutscher Eintracht, zu dieser Stiftung dankbarer Pietät liefert.“ – „Die Menge solch kleiner Gaben,“ heißt es weiter, „ist es, welche nach und nach große Massen bildet.“ Und endlich: „Wir Schlesier führen ein altes Sprüchwort: ‚Ist’s nicht mit Scheffeln so ist’s doch mit Löffeln.‘ Das findet hier vollkommene Anwendung.“

Von den hingebenden Mühen und Anstrengungen Derer, die allmählich in allen Theilen unseres Vaterlandes in edlem Wetteifer die Gründung von Zweig-Stiftungen erstrebten, kann hier nicht im Einzelnen die Rede sein. Die Geschichte der Schiller-Stiftung berichtet über schöne Erfolge, und die vierundzwanzig Zweig-Stiftungen,[1] aus welchen die Gesammt-Stiftung gegenwärtig besteht, sind ja die lebendigen Zeugen für das Gelingen eines wesentlichen Bruchtheils jener Mühen und Anstrengungen. Soweit diplomatische Vermittelung nöthig war, erwarb sich das sächsische Ministerium um die Stiftung große Verdienste. Hier und da mußte auch ein glückliches Ungefähr zu Hülfe kommen. So in Leipzig, wo Heinrich Brockhaus sich schon im Juli 1856 mit einer Tausend-Thaler-Spende als Freund der Stiftung bethätigte und auch der Buchhändler Veit in seinem Minoritäts-Votum vom Jahre 1857 sich mit schöner Wärme für eine vom Leipziger Börsenverein der deutschen Buchhändler zu bewilligende Tausend-Thaler-Spende verwendet hatte, und wo dennoch allerlei Bedenken die Gründung einer Leipziger Zweig-Stiftung verzögerten. Erst ein Schreibfehler in dem Zweitausend-Gulden-Vermächtniß des in München verstorbenen Literaturfreundes Freiherrn von Pflummern gab der Sache eine bessere Wendung. Die Summe war an die Dresdner Stiftung gekommen, aber die Adresse hatte „an die Schiller-Stiftung in Leipzig“ gelautet. Solcher Art standen unliebsame Verwickelungen in Aussicht, und daß sie vermieden wurden, dankt die Stiftung dem praktischen Rath des Major Serre, demgemäß das Geld wieder nach Leipzig ging, daselbst aber als erster Fonds für eine Leipziger Zweig-Stiftung angelegt werden mußte. Das Eis war nun gebrochen. Von allen Seiten flossen der Leipziger Stiftung Gaben zu, und gegenwärtig verfügt sie über mehr als 14,000 Mark, sodaß sie, dem Vermögensbestande nach, unter den Zweig-Stiftungen die siebente Stelle einnimmt – immer allerdings für die Bedeutung Leipzigs als Buchhändler-Metropole eine zu bescheidene Stelle.

Erwies sich hier der Zufall als ein freundlicher Bundesgenosse, so half an einigen anderen Orten die Energie eines Einzelnen die Schwierigkeiten überwinden, welche kleinstädtische Verhältnisse solchen Unternehmungen entgegen zu setzen pflegen. So ist das kleine Nienburg, Dank den rühmlichen Bemühungen einiger dortiger Männer, vor Allem Oppermann’s, des auch als Schriftsteller wohlbekannten, vor einigen Jahren verdorbenen Obergerichtsanwalts daselbst, zu der Ehre gelangt, allen anderen hannöverschen Städten voran eine Zweig-Stiftung zu gründen, ja die einzige Stadt in den hannöverischen Landen zu bleiben, die eine Zweig-Stiftung besitzt; denn selbst die Landeshauptstadt hat bis heute noch keine solche, gerade so wenig wie das benachbarte Bremen, dessen hochgebildete und allen deutschen Interessen so warm zugethane Bewohnerschaft doch gewiß, sobald aus ihrer Mitte der rechte Mahner erstände, mit Freuden zur Mitarbeit an dem guten Werke herantreten würde.

Unter den Fürsten, welche durch werthvolle Geschenke das Zustandekommen der National-Lotterie förderten, eröffnete König Johann von Sachsen den Reigen, und sein Sohn, König Albert, hat während der unlängst zu Ende gegangenen Dresdener Vororts-Periode die Stiftung nicht nur durch einen regelmäßigen Jahresbeitrag ausgezeichnet, er hat ihr auch in einem der königlichen Schlösser bereitwilligst Unterkunft gewährt und sein warmes Interesse für die Stiftung in jeder Weise bethätigt. Durch regelmäßige Spenden stehen ferner das deutsche Kaiserpaar, der Kaiser von Oesterreich, der Großherzog von Baden und der Großherzog von Sachsen-Weimar mit der Stiftung in fortdauerndem engem Zusammenhang; der letztere literatur- und kunstfreundliche Fürst hat sich die Stiftung überdies zu dauernder Erkenntlichkeit verpflichtet sowohl durch sein Protectorat über die National-Lotterie und durch die ansehnlichen Geschenke, welche er diesem Glücksspiel überwies, wie auch namentlich durch die schöne und zwanglose Gastlichkeit, welche – um mit den Worten des dritten Jahresberichts zu reden – „den Stiftungsgenossen bei jeder Gelegenheit an dem geweihten Musenhofe Weimars zu Theil wird.“

Im Zusammenhang mit der erwähnten, auf eine Akademie abzielenden Anregung war die Oeffentlichkeitsfrage schon bald nach dem Entstehen der Stiftung bei allen Betheiligten in ernste Erwägung gezogen worden. Der Umstand, daß sowohl die in England wie die in Frankreich bestehenden großartigen Stiftungen verwandter Art die Veröffentlichung der Namen ausschlossen, bewirkte auch für die Schiller-Stiftung eine ähnliche Fassung der betreffenden Bestimmung des Statuts. Dieselbe hat sich jedoch im Laufe der Zeit als unhaltbar erwiesen; die Jahresberichte haben seit dem 1. Januar 1871 von dem ihnen durch Beschluß der vorhergegangenen Generalversammlung eingeräumten Rechte, die Namen zu veröffentlichen, Gebrauch gemacht, und es hat sich nach dieser delicaten Seite hin dadurch nicht nur erschöpfendes Material zur Beurtheilung der Verwaltung und ihrer Unparteilichkeit ergeben, sondern auch die Hoffnung Derer bestätigt, welche voraussagten, der Bezug einer Pension aus unserer nationalen Stiftung werde in der allgemeinen Auffassung nicht als eine Verunehrung aufgefaßt werden, ganz ebenso wenig wie dies bei einer von irgend einem Fürst verliehenen Dotation oder Pension der Fall ist. Wie wäre es auch anders möglich gewesen, nachdem der nun gewährte Einblick in die Listen der Empfänger unter Denen, die für ihre Hinterbliebenen nicht in auskömmlicher Weise zu sorgen vermocht hatten, eine Menge Namen erkennen ließ, welche durch Leistungen bedeutender Art der Nation lieb und werth geworden waren! Gewiß, die Bestätigung, daß literarisches und dichterisches Schaffen in Deutschland nur ganz ausnahmsweise die Flamme des häuslichen Heerdes ergiebig nährt, ja nichts Erfreuliches, und das Bewußtsein, daß selbst Reiche bei uns ein gutes Buch lieber borgen als kaufen, ist nicht geeignet, unserm Nationalgefühl zu schmeicheln. In dieser Beziehung uns mit Engländern und Franzosen zu vergleichen, haben wir auch wohl nie für eine absonderlich erquickliche Beschäftigung erachtet. Um so tröstlicher aber ist das Wirken einer Genossenschaft, welche den Hinterlassenen von Männern wie Otto Ludwig, Julius Mosen, Hermann Kurz, Eduard Mörike, Karl Beck, Eduard Duller, Hoffmann von Fallersleben, Georg Herwegh, Georg Hesekiel, Venedey, de la Motte-Fouqué, Bürger, Herder, Musäus, Leopold Schefer, Eichendorff, Nikolaus Lenau und so vielen, vielen namhaften anderen Schriftstellern den schuldigen Ehrensold zahlt.

Mit diesem Wegfall jedweden demüthigenden Beigeschmacks für die Empfänger ist auch das aus zarter Rücksicht hervorgegangene Project einer Schiller-Akademie mit literarischen Graduirungen nach der Seite hin, durch welche allein es mit der Schiller-Stiftung als einer „milden Stiftung“ in Zusammenhang zu denken war, um seine eigentliche Basis gekommen. Eine Registrirung der endgültigen Ablehnung des Projects bildet ein Passus in dem Rescript des königlich sächsischen Cultus-Ministeriums vom 4. November 1862, welcher hier einen Platz finden möge. Er lautet: „Die Schiller-Stiftung, als eine milde Stiftung in Sachsen begründet, steht unter dem Schutze des § 60 der sächsischen Verfassung und ihr Vermögen darf solcher Art ‚zu anderen Zwecken als den durch die Stiftung vorgezeichneten niemals und unter keinerlei Umständen verwendet werden‘.“

Die Entwickelungsgeschichte der Schiller-Stiftung mag bei diesem ihrem Marksteine auch für gegenwärtige Skizze abschließen! Es geschieht mit dem herzlichen Wunsche, daß in weiten Kreisen das schöne, dem deutschen Namen zur Ehre gereichende Werk wieder

  1. Badische (Heidelberg, Karlsruhe, Mannheim), Berliner, Breslauer, Brünner, Danziger, Darmstädter, Dresdner, Frankfurter, Grazer, Hamburger, Hannöversche, Kölner, Königsberger, Leipziger, Linzer, Lübecker, Mainzer, Münchener, Nürnberger, Offenbacher, Salzburger, Stuttgarter, Weimarer, Wiener. In Augsburg besteht eine Schiller-Stiftung, doch kann das alphabetische Verzeichnis leider nicht mit Augsburg anheben, da jene Stiftung zu der deutschen Schiller-Stiftung bis jetzt nicht in den statutenmäßigen Verband getreten ist.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 311. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_311.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)