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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


Strom aus. – Der gebräuchliche Apparat stellt einen Blechkasten dar, in welchen beständig Wasser herabstürzt, um durch einen Einsatz mit fein durchlöchertem Boden, auf dem sich fünf- bis achttausend Fischeier befinden, in einen zweiten ebensolchen, nur kleineren Apparat (Fangapparat) abzuströmen. Die Aufstellung des Troges kann überall da erfolgen, wo in einem geschlossenen, frostfreien Raume ein dauernder Strahl nicht verunreinigten Quell-, Bach- oder Flußwassers zur Verfügung steht. Die Zeit, welche die Eier von der Befruchtung bis zum Ausschlüpfen der jungen Fischchen brauchen, hängt von der Temperatur des Wassers ab. Die Forelle verläßt bei 8° Celsius nach 42 bis 48 Stunden die Eihülle, während es bei 1° Celsius wenigstens 100 Tage dauert; durch besondere Eisbrütapparate, die in voller Thätigkeit durch Haack-Hüningen und Schuster-Freiburg ausgestellt waren, kann das Ausschlüpfen monatelang verzögert werden, eine Entdeckung, die für die längeren Transportreisen von großer Wichtigkeit ist. Das ausgeschlüpfte Fischchen ist ein kleines unbeholfenes Wesen, dem die Natur einen ungeheuren, die Bewegung hindernden Speisesack in Form eines gelben Dotterbläschens mit auf den Lebensweg gegeben hat. Wehr- und schutzlos, ist es in Bach und Fluß auch jetzt noch ein wahrer Leckerbissen für die genannten Feinde; erst wenn es nach sechs bis sieben Wochen das ganze Säckchen aufgezehrt hat, kann es sich wenigstens den Angriffen durch die Flucht entziehen. Es ist deshalb geboten, die junge, selbstgezogene Brut erst dann in dem dazu geeigneten Wasser auszusetzen, wenn sie anfängt zu fressen, das heißt nach dem Schwinden des Dottersäckchens.

Eine leichte Beantwortung erfährt die Frage nach einer Bezugsquelle für Fischerei. Es sind die bereits genannten Fischzüchter respective Anstalten, welche ihre begehrte „Waare“ nach allen Theilen Deutschlands und Europas verschicken, und zwar eignen sich für den Versand bereits angebrütete Eier, d. h. solche, in welchen die Augen des Fischchens als schwarze Punkte erkennbar sind; das Ausschlüpfen der Thierchen geschieht, da die Entwickelung schon weit vorgeschritten, in acht bis vierzehn Tagen nach dem Einsetzen in den Trog und überhebt damit den kleineren Züchter einer längeren Beaufsichtigung.

Es würde uns zu weit führen, an dieser Stelle anzugeben, welche Arten von Fischen dem einzelnen Interessenten zu empfehlen sind (in erster Linie sind es die Forellen). Wir verweisen aber auf ein leichtverständliches Buch: „Die Fischzucht“ von dem tüchtigen Züchter und Landwirth Max von dem Borne (Berlin, Wiegandt, Hempel und Parey), sowie auf dessen für einige Pfennige zu beziehende „Kurze Anweisung“ (Berlin, W. Moser). Eine Anschauung von den Preisen mögen ein paar Angaben aus der Preisliste der Schuster’schen Fischzuchtanstalt Selzenhof bei Freiburg vermitteln. Tausend Stück angebrütete Eier kosten daselbst: Rheinlachs (Salmo salar) 6 Mark, Bachforelle (Trutta fario), Lachsforellen-Bastarde, Ritter oder Saibling (Salmo valvelinus) je 7 Mark, Seeforelle (Trutta lacustris) 8 Mark, Felchen (Coregonus Wartmanni) 2 Mark, Aesche (Thymallus vexillifer) 4 Mark. Stellen wir hierzu den auf der Ausstellung vielfach vertretenen, leicht zu beschaffenden Bruttrog (Bezugsquellen: Weinhold-Tharand; Mühlbach-Neudamm in der Neumark) im Preise von 6 bis 10 Mark, so ergiebt sich eine Rechnung, die manchen Wasserberechtigten oder Naturfreund veranlassen dürfte, sich der wenig Mühe verursachenden, aber großen Gewinn verheißenden Fischzüchterei zuzuwenden.

Die künstliche Befruchtung wird in der einfachsten Weise bewerkstelligt. Man nimmt einen laichfähigen weiblichen Fisch (Rogener), faßt ihn mit Daumen und Zeigefinger dicht hinter den Kiemen und streicht leise mit dem Mittelfinger den Bauch von oben nach unten; in Folge dieser Operation fließen die Eier aus und werden in einem flachen Gefäß aufgefangen. Auf gleiche Weise nöthigt man auch das Männchen, die Milch abzugeben; man vermischt dieselbe durch vorsichtiges Umrühren mittelst einer Federfahne mit dem Rogen, gießt nach einiger Zeit Wasser hinzu, und die Ausbrütung der nun befruchteten Eier (circa fünfundneunzig Procent) kann sofort in's Werk gesetzt werden.

Bemerkenswerth ist, daß Milch und Eier, getrennt, mehrere Tage ohne Schaden in Flaschen aufbewahrt werden können; auf der Ausstellung befanden sich sogar Meerforellen, deren Eltern als Leichen schon eine weite Reise gemacht hatten, um schließlich noch auf obige Art – fortgepflanzt zu werden. Die Bastardirung hat durch die geschilderte Methode die erfreulichsten Resultate aufzuweisen. So errangen sich die von der Hüninger Anstalt ausgestellten lebenden Bastarde von Saibling und Forelle und von Lachs und Forelle wegen ihrer vortrefflichen körperlichen Beschaffenheit den ungetheiltesten Beifall aller Züchter und Fischkenner. Einen lebhaften Versand unterhalten die genannten Firmen an Fischbrut (fressende, kleine Fische); dieselbe kostet circa dreimal so viel wie die Eier. Außer den Salmoniden (Forellen und Lachse) empfehlen sich vorzüglich junge Karpfen, deren Aufzucht wir, auf Grund des von M. v. d. Borne vorgeführten Modells, Privaten und Gemeinden, die irgend über einen nicht gerade verunreinigten Teich oder Tümpel verfügen, auf das Dringlichste anrathen. Eckardt in Lübbinchen und Andere versenden 1000 Stück Karpfenbrut für 5 Mark.

Der Versand junger Fische führt uns unmittelbar auf die eminent wichtige Frage der Transportgefäße für lebende Fische, an deren Lösung, wie die Ausstellung zeigt, viele Köpfe mit Erfolg gearbeitet haben. Alle suchen den in einem größeren oder kleineren Bottich (Faß) reisenden Fischen Sauerstoff und Kühlung zuzuführen, wobei Luftpumpe und Eis eine große Rolle spielen. Als „lebendige Beweise“ der Leistungsfähigkeit der verschiedenartig geformten Gefäße sehen wir muntere Forellen aus Süddeutschland und Thüringen, Huchen aus der Donau, Lachse aus allen Gegenden der Windrose, Sterlett von der Wolga, den so empfindlichen Hering aus der Nordsee und verschiedene Seethiere des Mittelmeeres. Letzteren diente ein von dem Director des Berliner Aquariums, Dr. Hermes, ausgestellter, sinnreich construirter Apparat mit beständig circulirendem (und dadurch luftzuführendem) Wasser, ohne Anwendung von Luftpumpen und Eis, als Transportmittel. Der Versand todter, in zerkleinertes Eis gepackter Fische wird uns auf der Ausstellung von den größeren Berliner Handlungen in den erprobtesten Methoden gezeigt; hoffentlich trägt dies dazu bei, die noch immer bei vielen Hausfrauen zu findenden Vorurtheile gegen „todte Fische“ zu zerstreuen.

Wie die genauere Kenntniß der Lebensgewohnheiten einzelner Fische die Vermehrung derselben begünstigen kann, beweist einer der wohlschmeckendsten und größten Gäste des deutschen Flußgebietes, der Lachs (Salmo salar). Alle Lachse wandern zur Laichzeit aus dem Meere in die Flüsse und Bäche, um sich hier fortzupflanzen, und zwar kehrt jeder einzelne Fisch wieder in denselben Fluß oder doch dasselbe Stromgebiet zurück, in welchem er geboren wurde. Der „Aufstieg“ wird von den Thieren mit einem wahrhaft todesverachtenden Eifer ausgeführt; Stromschnellen und kleinere Wasserfälle werden durch große Luftsprünge genommen, wobei sich der Lachs durch etwaige anfängliche Mißerfolge von seinem Vorhaben nicht zurückschrecken läßt. Senkrechte Wasserfälle und die in neuerer Zeit bei Stromregulirungen vielfach angelegten Wehre setzten aber leider den Lachsen ein oft unüberwindliches Hinderniß entgegen, sodaß der edle Fisch in Stromgebieten, wo er früher in Unmassen gefangen wurde, ausgestorben ist.

Dieser Schaden kann aber bei gutem Willen von Gemeinden respective Regierungen durch Anlegung von Lachsleitern leicht in das Gegentheil umgewandelt werden. Die Ausstellung bot eine überaus reiche Sammlung von Modellen, mit deren Construction sich viele Nationen beschäftigt haben. Es handelt sich dabei um die Aufgabe, dem Fisch eine „Treppe“ mit einzelnen Stufen beziehentlich Absätzen zu bauen, auf denen er sich ausruhen kann, um allmählich in die Höhe zu steigen. Bei einigen Leitern schwimmt er, stets durch vorspringende Holz- oder Eisenplatten gedeckt, im Zickzack nach oben; bei anderen wird auf seine Kunstfertigkeit im Springen gerechnet; ein Modell hat sogar das Princip der Wendeltreppe zur vollen Geltung gebracht.

Außerordentliches leistet auf diesem Gebiete England und Amerika, sowie Norwegen durch das kühne Bauwerk der Lachstreppe bei Sarpsborg, die in großem Zickzackweg aufsteigt; recht praktische Fischwege stellte auch der Fischzuchtverein Ohrdruf und der bereits genannte Fischzüchter M. v. d. Borne aus, auf die wir Interessenten, ohne anderen guten Quellen zu nahe treten zu wollen, hiermit verweisen.

Die Bemühungen des eifrigsten Fischzüchters können aber leicht zunichte gemacht werden, wenn er unterläßt, sein Augenmerk auf die Fischfeinde zu richten. Dieselben waren auf der Ausstellung in einer Menge zu bemerken, daß man sich eines

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 410. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_410.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)