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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


Mäßigung auf der andern Seite, namentliche in der Person Garfield’s, der als Obmann der Ohio-Delegation für Sherman einzutreten gekommen war und sich bald als den eigentliche Führer der Anti-Grantleute erwies. Garfield ist eine imponirende Erscheinung, mit einer ausdrucksvollen Kopfbildung und intelligenten Gesichtszügen. Er sprach stets ruhig und versönlich, ohne alle persönlichen Angriffe, und die Rede, welche er zu Gunsten seines Freundes Sherman hielt, war vielleicht die beste und wirksamste, welche überhaupt in der Convention gehalten wurde.

Montag, den 7. Juni, fanden zwei Sitzungen der Convention statt, in denen nicht weniger als achtundzwanzigmal über den Präsidentschafts-Candidaten abgestimmt wurde. Die Gesammtanzahl der Stimmen betrug 756, sodaß zur Ernennung 379 nothwendig waren. Anfangs kamen in der Zahl der auf die einzelnen Candidaten fallenden Stimmen nur geringe Veränderungen vor. Noch dachte kaum Jemand an eine Candidatur Garfield’s. Von der zweiten bis zur dreizehnten Abstimmung stimmte ein einziger Delegat für ihn, dann wurden es zwei, dann wieder einer; bis zur neunzehnten Abstimmung verschwand er ganz, um von da an bis zur dreißigsten wiederum mit einem oder zwei Anhängern aufzutauchen. Endlich gaben die Anhänger von Windom, Edmunds und Blaine nach, und nun kam das Ende schnell heran. Dienstag, den 8. Juni, füllte sich Garfield’s Liste, bis er in der sechsunddreißigsten Abstimmung mit 399 Stimmen, also zwanzig mehr als zum Siege nöthig waren, die Ernennung erhielt, die nun auf – Conkling’s Antrag zu einer einstimmigen gemacht wurde. In der Abendsitzung des 8. Juni wurde dann General Chester A. Arthur aus New-York, dem Grantflügel angehörig, beim ersten Wahlgange mit 468 Stimmen als republikanischer Vicepräsidentschafts-Candidat gewählt; auch seine Ernennung wurde zu einer einstimmigen erhoben.

Auf der Nationalconvention der demokratischen Partei, die am 22. Juni zu Cincinnati sich versammelte, ging die Ernennung der betreffenden Candidaten schnell und ohne nennenswerthen Kampf vor sich. Es wurden nach kurzem Ringen General Winfield Scott Hancock für das Amt des Präsidenten und William H. English, für das des Vicepräsidenten ernannt.

Werfen wir einen Blick auf die Vergangenheit der beiden Präsidentschafts-Candidaten! James Abraham Garfield, in dessen Adern nach einigen Nachrichten deutsches Blut fließen soll, gehört zu den in Amerika so häufigen „self-made men“. Arm geboren (am 19. November 1831), in Dürftigkeit aufgewachsen, hat er sich durch angestrengte Arbeit, große Sparsamkeit und eisernen Fleiß eine ziemlich gute Bildung, namentlich in national-ökonomischen Fragen erworben. In den Jahren 1857 und 1858 betheiligte er sich zuerst lebhaft an politischen Dingen, trat mit Erfolg als öffentlicher Redner auf und wurde 1859 in den Senat des Staates Ohio gewählt. Beim Ausbruch des Bürgerkrieges trat er als Oberst in die Unionsarmee und zeichnete sich wiederholt durch Umsicht und Tapferkeit aus; wegen seines ebenso kaltblütigen, wie muthigen Benehmens in der blutigen Schlacht bei Chicamauga wurde er zum Generalmajor befördert.

Seit 1862 wurde er neun Mal hinter einander von demselben Wahldistricte Ohio’s in das Repräsentantenhaus des Congresses gewählt, wo er zuletzt die Führerschaft der republikanischen Partei übernahm. In der so wichtigen Geldfrage hat er zu allen Zeiten eine gesunde und ehrliche Finanzpolitik vertheidigt. Seine achtzehnjährige hervorragende Thätigkeit in der Bundeslegislatur hat ihm eine genaue Kenntniß der politischen und socialen Verhältnisse seines Vaterlandes verschafft. Eine Reise nach Europa, die er im Jahre 1867 unternahm, hat seinen geistigen Blick auch nach anderer Richtung hin erweitert. Von seinen demokratischen Gegnern wird ihm der Vorwurf gemacht, daß er sich 1872 bei den nicht immer ganz sauberen Unternehmungen des amerikanischen „Credit Mobilier“ betheiligt habe; doch liegt Grund zu der Annahme vor, daß dieser Vorwurf mehr eine gehässige Parteianklage, als thatsächlich begründet ist; andernfalls hätte Karl Schurz nicht folgenden telegraphischen Glückwunsch an Garfield nach Chicago senden können: „Empfangen Sie meinen Glückwunsch zur Nomination; dem Lande ist ebenso wohl Glück zu wünschen, wie Ihnen selbst.“

Was nun Garfield’s Gegencandidaten, den General Winfield Scott Hancock, anbetrifft, so wurde derselbe am 14. Februar 1824 in Montgomery County, im Staate Pennsylvanien, geboren und genoß eine militärische Erziehung. Er zählt zu den unionstreuen Demokraten und kämpfte mit großer Auszeichnung während des Bürgerkrieges in der Unionsarmee. Der glückliche Ausgang der entscheidungsvollen Schlacht bei Gettysburg ist vornehmlich sein Verdienst und trug ihm auch den Dank des Congresses ein. Nach dem Kriege hat er sich durch thatkräftige und unparteiische Leitung der Dinge in der Verwaltung verschiedener Militärdepartements im Süden und Osten der Union einen achtungswerthen Namen erworben. Sein Charakter ist vollkommen makellos.

Nicht allein die Republikaner, sondern auch die Demokraten haben also, hinsichtlich ihres Präsidentschafts-Candidaten eine glückliche Wahl getroffen. Beide Männer haben eine ruhmvolle Vergangenheit hinter sich; beide haben sich in Krieg und Frieden um ihr Vaterland wohlverdient gemacht; beide waren stets der Union getreu, und ihr Name ist überall in den Vereinigten Staaten bekannt und geehrt. Dennoch neigen wir uns der Ansicht zu, daß Garfield vor Hancock als Präsident den Vorzug verdient, sowohl wegen seiner persönlichen Eigenschaften, wie wegen seiner politischen Parteistellung. Mag immerhin Hancock als General und Soldat höher stehen, so übertrifft ihn Garfield doch als Staatsmann und erfahrener Politiker im höchsten Grade. Der erste Beamte der Republik soll aber vor allen Dingen und in erster Linie staatsmännische Kenntnisse und politische Erfahrung besitzen. Er soll nicht Schlachten schlagen, sondern mit Weisheit und Gerechtigkeit das Land regieren. Ein in politischen Dingen unerfahrener Präsident wird nur zu leicht ein Spielball gewandter, ehrgeiziger, selbstsüchtiger und gewissenloser Politiker; zu dieser Classe von Politikern zählt aber die große Mehrzahl der Führer der gegenwärtigen demokratischen Partei in Amerika. Während Hancock dem politischen Parteikampfe innerhalb und außerhalb des Congresses ziemlich fern stand, hat Garfield in den Vorderreihen der politischen Kämpfer gestanden und die nicht nur in finanzieller, sondern auch in national-freiheitlicher Beziehung verderblichen Bestrebungen der früheren Sclavenbarone mit Kraft und Geschick bekämpft. Wie sehr diese noch immer den Kern der demokratischen Partei bilden, das zeigt die Wahl des demokratischen Vicepräsidentschafts-Candidaten: der Ernannte, English, hat seinerzeit durch die berüchtigte „English-Bill“ in raffinirter Weise das Territorium Kansas bei dessen Aufnahme in die Union zu einem Sclavenstaat machen wollen. Das deutsche Element in den Vereinigten Staaten steht, wie zur Zeit des Bürgerkriegs, so auch heute in seiner großen Mehrzahl auf Seiten der unionstreuen und freiheitsliebenden Republikaner; es wird daher auch im kommenden November seine Pflicht thun und Garfield zum Präsidenten wählen helfen, der nach seiner Vergangenheit verspricht, ein würdiger Nachfolger von Rutherford B. Hayes zu sein.

Rudolf Doehn.




Der Burschenschafter auf dem theologischen Lehrstuhl.
(Fortsetzung.)


Hase traf 1823 in Tübingen ein. Auf dem Wege dahin hat er die Nächte über in Dorfschenken auf einer Streu gelagert, und seine erste Wohnung in der Neckarstadt, ein von einem Freunde nur für dessen Gepäck gemietheter Raum, den ihm derselbe überließ, ist etwas „hundestallmäßig“. Der Prälat von Bengel, der erste Professor der Theologie, dem er sich vorstellt, hat nicht den Muth, für ihn bei der Universitätsbibliothek zu bürgen, damit er sich dort Bücher leihen kann. Indessen geht der Flüchtling den Cultusminister in Stuttgart, von Schmidlin, an, sich habilitiren, das heißt das Recht zur Abhaltung von Vorlesungen erwerben zu dürfen – ein unerhörter Fall, da die freie Habilitation in Tübingen ganz unbekannt geworden war. Nach langem Erwägen giebt man nach. Er läßt sich examiniren, promovirt, was sein bischen Vermögen fast verschlingt, und disputirt. Zum Glück kommt gerade Professor Winer auf einer Durchreise an, wohnt der Disputation bei und betrachtet Hase als seinen Schüler; das wirkt auf

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 488. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_488.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)