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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


die Königin eines Stockes herauszufangen und durch eine andere, bessere zu ersetzen, die Vermehrung durch künstliche Schwärme je nach Bedürfniß zu beschaffen, kurz, jeden Augenblick bald helfend und fördernd, bald hindernd, je nachdem es die Interessen des Züchters bedingten, in den Bienenstaat einzugreifen. Durch die Beweglichkeit der Waben allein gelang es vollkommen, das Leben der Bienen, deren Stock bisher dem Züchter ein Buch mit sieben Siegeln gewesen war, genau zu beobachten, die Eigenheiten des wundervollen Gemeinwesens zu erforschen und eine Theorie als Grundlage eines neuen zeitgemäßen Betriebes aufzustellen, der dem Menschen die vollkommenste Herrschaft über die Bienen sichert.

Die Beweglichkeit der Wabe hat auch zur Construction neuer Bienenwohnungen, die dem Bienenwesen angemessen und für den Bienenzüchter vortheilhaft sind, geführt. Zu den anerkannt besten gehören jetzt der Dzierzon'sche Zwillingsstock, die Berlepschbeute, der Dathestock und der aus Stroh gefertigte und deshalb billigere Gravenhorst'sche Bogenstülper.

Wie nun eine wichtige Erfindung meistens die Mutter einer zweiten, ja oft vieler anderer wird, so auch hier. Die bewegliche Bienenwabe führte gar bald zu der höchst wichtigen Erfindung der sogenannten Honigschleuder, einer Maschine, die durch Centrifugalkraft den Honig aus den Zellen wirft.

Zwar gestattete die an ein Stäbchen oder in ein Rähmchen gebaute Wabe ihre Herausnahme zu beliebiger Zeit, sodaß der Ueberschuß an Honig seit Dzierzon bequem zu gewinnen war; allein man mußte doch, wollte man den Honig von dem Wachse trennen, fortdauernd den Wachsbau zerstören, während es ohne Zweifel viel vortheilhafter sein mußte, wenn man die Honigwaben ohne Zerstörung oder Beschädigung vom Honig entleeren und alsdann den Stöcken wieder zurückgeben konnte. Man weiß nämlich, daß die Bienen aus ungefähr zehn Pfund Honig erst ein Pfund Wachs zu bereiten vermögen, ungerechnet daß der Neubau des Werkes auch Zeit in Anspruch nimmt, die für das Honigsammeln verloren geht. Das Problem nun, die vollen Honigwaben unbeschädigt vom Honige entleeren zu können, wurde vom Major von Hruschka durch die Erfindung der Honigschleuder vollständig gelöst. Der nach der Aufdeckung der Honigzellen ausgeschleuderte Honig wird in einem untergesetzten Gefäße aufgefangen, worauf die vollständig entleerten Tafeln den Stöcken zum abermaligen Volltragen wieder eingeschoben werden. Dabei trat die so erfreuliche Erscheinung zu Tage, daß, je mehr man Honig entnahm, desto mehr die Bienen bestrebt waren, den Abgang an Honig durch regeren Fleiß wieder zu decken. In ausgezeichneten Jahren kann man von einem einzigen Stocke oft über hundert Pfund ausschleudern, ohne ihn dadurch bei Schmalhans in die Kost zu schicken. So etwas war bei altem Betriebe gar nicht möglich. Und was für köstlicher Honig ist dieser sogenannte Schleuderhonig gegen das Product, welches man nach Altväter-Weise gewinnt und welches, aus den zerquetschten und erwärmten Wachswaben herausgepreßt, seine Farbe und sein Arom verliert! Dabei ist zudem gar nicht zu vermeiden, daß sich beim Pressen viel Blumenstaub, den die Bienen oft in großer Menge als stickstoffhaltige Zukost zwischendurch in den Zellen aufstapeln, sowie Wachstheilchen mit durchpressen und sich dem Honige beimischen. Dergleichen gemischter Honig verursacht hin und wider bei einzelnen Menschen nach dem Genusse Magenbeschwerden, wohingegen der geschleuderte ohne Unterschied höchst wohlthätig auf den menschlichen Organismus einwirkt. Indeß die Gewinnung des reinsten Honigs nebst den andern erwähnten Vortheilen ist es nicht allein, was die Honigschleuder so werthvoll für den Imker macht: sie setzt ihn sogar in den Stand, den Honig nach der Blüthe, aus der er stammt, zu sortiren. Blüht die Linde, die Akazie etc., so giebt er seinen Stöcken entleerte Wachstafeln zum Volltragen aus der Blüthe, die gerade Honig spendet. Schleudert er dann, bevor wieder eine andere Blüthe von den Bienen beflogen wird, so kann er sagen: das ist reiner Linden-, das Akazienhonig etc. Der Schleuderhonig behält sogar für die erste Zeit nach dem Schleudern noch das Arom der Blüthe, aus der er stammt. Die Gewinnung bestimmter verschiedener Honigsorten hat aber wieder ihren großen Werth. Da der Honig in Bezug auf Farbe, Geschmack, Arom und sonstige Eigenschaften sehr verschieden ist, so wird zum Genusse oder zu gewerblichen Zwecken bald diese, bald jene Honigsorte vorgezogen und demnach auch besser bezahlt.

Eine weitere bedeutsame Errungenschaft war die Erfindung der Kunstwaben von Mehring, das heißt künstlicher Bienenwachstafeln, die, vermittelst der Maschine gepreßt, die Zwischenwand der Waben nebst Zellenanfängen auf beiden Seiten darstellen. Die Bienen haben nur die Zellenanfänge fertig zu bauen, brauchen somit weniger Wachs zu schaffen und können viel mehr Honig tragen; zugleich – was gleichfalls wesentlich mit in's Gewicht fällt – verhindert man auf diese Weise den überflüssigen Drohnenbau, den die Bienen zu Zeiten gar zu gern aufführen.

Neben diesen hochwichtigen Erfindungen, die den Betrieb der Bienenwirthschaft ganz umgestalteten, ist auch die Entdeckung eines Heilverfahrens hervorzuheben, nach welchem die bisher für unheilbar gehaltene pestartige, oft plötzlich auftauchende Krankheit der Bienenvölker, die sogenannte Faulbrut, curirt wird. Viele Tausende von Stöcken hat diese bitterböse Krankheit jährlich allein in Deutschland ruinirt, und schon seit undenklichen Zeiten hatte man sich vergebens um ein sicheres Heilmittel bemüht. Da war es eben die „Gartenlaube“, welche die Bienenzüchter auf die rechte Fährte brachte. In Folge eines Artikels derselben über die antiseptischen Wirkungen der Salicylsäure stellte der Gutsbesitzer Hilbert umfassende Versuche mit dieser Säure bei seinen an der Faulbrut erkrankten Bienenvölkern an und war so glücklich, ein sicheres Vorbeugungsmittel wie Heilverfahren ausfindig zu machen. Das war wieder ein bedeutender Schritt vorwärts, dem ein anderer gleichfalls wichtiger an die Seite zu stellen ist.

Schon früher hatte Hilbert ein rationelles Verfahren bekannt gemacht, die Bienen mit Ei und Milch zu füttern. Diese Fütterung, die jedoch mit großer Vorsicht und gehöriger Sachkenntniß ausgeführt werden muß, bezweckt, durch die Darreichung stickstoffhaltiger Nahrung den Bienen die Stoffe, die zum Aufbau des Bienenkörpers etc. nöthig sind, zu liefern und den Brutansatz zu fördern. In letzter Zeit hat auch zu gleichem Zwecke der Pfarrer Weygandt eine Fütterung mit Mehl im Stocke, was bis dahin nie hatte gelingen wollen, ausfindig gemacht. Beide Fütterungsarten sind insofern von großer Bedeutung, als sie die Züchter in den Stand setzen, zur Zeit der Honigernte recht viele Arbeiter in den Stöcken zu haben.

Bei der Darlegung der großartigen Fortschritte in der Bienenzucht darf es hier nun auch wohl nicht unerwähnt bleiben, daß die Blutauffrischungen mit heimischen und die Kreuzung mit verschiedenen ausländischen Bienen, wie der italienischen und cyprischen etc., gleichfalls nicht ohne Vortheil für die Bienenzucht gewesen sind. So wurde die Leistungsfähigkeit der heimischen Bienen erhöht, und die Züchtung der italienischen Rasse hat nicht unwesentlich zur Lösung wichtiger theoretischer Fragen beigetragen. Allein es läßt sich auch nicht leugnen, daß bisher mehr als nöthig Geld für fremde Bienen in's Ausland gesandt worden ist, welches ohne Zweifel, besonders bei Anfängern, in heimischen Bienen besser angelegt worden wäre. Wir haben in Deutschland selbst genug gutes Zuchtmaterial, wenn es gilt, was ja die Hauptsache ist, auf Leistungsfähigkeit zu züchten. So ist z. B. die Haidbiene, die sich in den hannoverschen Haidegegenden bis Braunschweig und wohl etwas darüber hinaus vorfindet, unzweifelhaft eine durch besondere sorgfältige Züchtung entstandene Culturrasse. Nicht minder gut ist die allgemeine deutsche Biene in den Gegenden, in welchen eine zu starke Inzucht nicht getrieben wird. Die Kreuzung beider hat stets einen vorzüglichen Mittelschlag gegeben.

Nach den obigen Darlegungen wird Jeder, auch wer sonst nichts von der Bienenzucht versteht, leicht herausfinden, wie sehr die in den letzten Decennien gemachten Fortschritte die Einträglichkeit und Annehmlichkeit der Bienenzucht befördert haben müssen. Freilich ist es jetzt mehr als früher nöthig, sich die gehörigen Vorkenntnisse durch ein anerkannt gutes Lehrbuch der Bienenzucht zu verschaffen, ohne daß man dabei, mindestens anfangs, die Vorschriften erfahrener und bewährter Züchter entbehren könnte. In jedem Fall bleibt die Bienenzucht eine ebenso interessante Beschäftigung, wie sie als ein lohnender Nebenverdienst, welcher äußerst wenig Capitalanlage beansprucht, immer wieder empfohlen werden sollte.

C. J. H. Gravenhorst.



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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 495. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_495.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)