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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


Erzbischof Engelbert war es, der zuerst den Plan anregte, den Dom des heiligen Petrus neu zu erbauen; er gewann das Capitel für diesen Gedanken und versprach fünfhundert Mark zum Beginne der Ausführung, sowie jährlich bis zur Vollendung eine gleiche Summe.

Wir verdanken diese Nachricht dem Biographen Engelbert’s, dem Novizenmeister Cäsarius von Heisterbach, der sie niederschrieb, noch bevor der Dombrand des Jahres 1248 den Neubau nothwendig machte.

Diesseits der Alpen gab es keine Reliquien, die in so hohem Ansehen gestanden und ihre frommen Verehrer so massenhaft angezogen hätten, wie die Leiber der heiligen drei Könige. Engelbert durfte sich daher überzeugt halten, daß der größte Theil der ganzen Christenheit freudig seinen Beitrag darbringen werde, wenn über dem Grabe der morgenländischen Weisen ein Tempel aufgeführt würde, der auf dem ganzen Erdenrunde vergebens seines Gleichen suchte. Ehe er selbst Hand an das große, gewaltige Werk legen konnte, erlag er den Streichen ruchloser Mörder, und sein Nachfolger, Heinrich, ließ den Plan seines Vorgängers ruhen. Nach dessen Tode scheint das Capitel die Dombaufrage in die Hand genommen zu haben.

Die älteste Nachricht über die Absicht des Capitels, eine neue Domkirche zu bauen, findet sich in einem in das Kalendarium der Domthesaurarie eingetragenen Capitelsbeschluß vom 23. März 1247, also dreizehn Monate vor dem Dombrande. Sobald sich das Capitel entschieden hatte, traf es mit dem Thesaurar Philippus ein Abkommen, wonach dieser sämmtliche Opfer, welche auf den Altar des heiligen Petrus gelegt würden, sechs Jahre lang zur Baucasse abführen solle; nur dreißig Mark solle er für sich behalten. In gleicher Weise wurde der Custos angehalten, die Opfer, welche in der goldenen Kammer bei den daselbst ruhenden Reliquien niedergelegt wurden, nach Abzug von drei Mark an die Rendanten der Baucasse abzuliefern. Diese Uebereinkunft wurde in das Kalendarium des Ober-Custos, der zugleich Thesaurar war, eingetragen. Es geht aus diesem Actenstücke unwiderleglich hervor, daß im Jahre 1247 der Gedanke an Herstellung einer neuen würdigern Domkirche bei der zuständigen Stelle zur Geltung und Anerkennung und zu bindendem Beschlusse gekommen und nicht etwa ein blos theilweiser Neubau oder eine gründliche Reparatur der alten Domkirche beabsichtigt war.

Wie Engelbert der Heilige, wird auch der nunmehrige Erzbischof Conrad, welcher die Anregung des Capitels freudig begrüßte und welchem denn auch beschieden war, den Grundstein des Baues zu legen, sich zu reichlichen Beiträgen für den beabsichtigten Neubau bereit erklärt haben. Den bei weitem größten Theil der Baukosten hoffte man durch Opfer, Vermächtnisse und Collectionen zu decken; die Opferwilligkeit der Christgläubigen aber konnte am erfolgreichsten zu Gaben geweckt und lebendig erhalten werden, wenn der Papst sich der Sache annahm.

Der Ablaßbrief, durch welchen Papst Innocenz am 6. April 1247 allen Denjenigen, welche am Tage der Kirchweihe den Kölner Dom mit reumüthigem Herzen besuchen würden, Nachlaß der zeitlichen Sündenstrafen verhieß, wird denn auch seinen guten Einfluß auf die Bereicherung der Baucasse nicht verfehlt haben. Das Capitel aber hat sicher, so gut wie es sich die Gründung und Füllung einer Baucasse angelegen sein ließ, auch alsbald auf einen Plan für die Ausführung des neuen Werkes Bedacht genommen, und so will es mich denn, gegenüber den Ausführungen Schnaase’s, als zweifellos bedünken, daß der ganze Grundriß des Kölner Domes schon im Laufe des Jahres 1247 entworfen ist. Zwar ist es richtig, daß der Plan zu Langhaus und Querschiff, so wie unser Jahrhundert ihn in unvollendeter Form vorfand, nicht im Geiste der Baukunst des dreizehnten Jahrhunderts componirt ist. Der Grund für diese Thatsache kann aber sehr wohl darin gesucht werden, daß die Ausführung des ursprünglichen Planes nur stückweise vorging und der Plan zu Langschiff und Seitenschiff, bevor dieselben in Angriff genommen wurden, nach den im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert zur Geltung gekommenen Bauprincipien umgeändert wurde.

Aus Rücksicht auf den Stiftsgottesdienst dürfte man sich entschlossen haben, zuerst das Chor hinter der alten Domkirche fertig zu stellen und dann erst den alten Bau niederzulegen und den Ausbau des Langhauses und Querschiffes in Angriff zu nehmen. Daß es im ursprünglichen Plane gelegen habe, den alten Dom nur durch das neue Chor zu vergrößern, dafür kann die auf die Einweihung des Chores bezügliche Inschrift nicht entscheidend sein; es liegt in der Inschrift nur der Sinn, daß man im Jahre 1322 den Chorbau als eine factische Erweiterung des alten Domes ansah, keineswegs aber, daß man im Jahre 1248 weiter nichts als eine solche Erweiterung beabsichtigt habe.

Einen werthvollen Beweis, daß von Anfang an die Absicht bestand, an die Stelle des alten Domes ein ganz neues Prachtgebäude aufzuführen, bietet Folgendes dar. In diesem Falle mußte das Capitel, da die zwischen dem Porticus und der Johannis-Capelle liegenden „Gademen“ in den Bauplan fielen, alle diese Häuschen eigenthümlich erwerben; und wirklich wurden sie, wie das Domcapitel ausdrücklich erklärt, schon gleich beim Beginne des Baues der Fundamentirung wegen niedergelegt und vernichtet. Erst einige Jahre später, als die alte Kirche wieder nothdürftig reparirt worden und man sich vorläufig auf die Ausführung des Chorbaues zu beschränken entschlossen war, konnten die Gademen wieder hingesetzt werden, und der Custos erscheint im Maihinger Kalendarium als Zinsherr derselben.

Die Werkleute – so erzählen nun zwei Handschriften des siebenzehnten Jahrhunderts – welche mit dem Abbruche der östlichen Mauer beauftragt waren, wollten den Einsturz dadurch herbeiführen, daß sie den Boden aushöhlten, die Fundamente untergruben, die Höhlen mit Holz füllten und dieses dann anzündeten. Die Unvorsichtigkeit der Arbeiter und ein ungünstiger Wind verursachten ein weiteres Umsichgreifen der Flammen, als man erwartet hatte. Hierdurch brannte das alte Gebäude bis auf die Mauern ab; die zwei in der Kirche hängenden goldenen Kronleuchter wurden gänzlich zerstört, der Schrein der heiligen drei Könige aber war beim Beginn der Arbeit, damit er nicht durch den Einsturz der Mauer beschädigt werde, von seiner Stelle inmitten der Kirche an den Ausgang derselben gebracht und hierdurch vor jeder Verletzung bewahrt worden.

Den Nachrichten dieser Handschriften ist aber nicht viel Glauben beizumessen. Gerade die Umständlichkeit, mit der die Einzelheiten bei der ganzen Operation erzählt werden, erweckt die gerechtesten Zweifel, und ich halte mich für berechtigt, der Thatsache, die von keinem gleichzeitigen Localschriftsteller berichtet wird, den Glauben zu versagen. Die ganze Erzählung ist weiter nichts, als ein willkürlicher, dazu noch unwahrscheinlicher Versuch, den Dombrand des Jahres 1248 zu erklären, welcher im Uebrigen zweifellos am Quirinus-Abend den alten Dom beschädigt hat.

Es sagt Papst Innocenz in seiner Bulle vom 21. Mai 1248, daß die Domkirche durch Brand zerstört worden. Der Chronist Matthäus Paris schreibt, daß die Kathedrale des heiligen Petrus bis auf die Mauern durch Feuer vernichtet worden. König Heinrich der Dritte von England empfiehlt die Collecte für den Kölner Dombau mit dem Bemerken, daß in Köln die Kirche, in welcher die Leiber der heiligen drei Könige ruhen, durch einen traurigen, unvorhergesehenen Unfall in Flammen aufgegangen, und die Kölner Annalen von St. Gereon berichten zum Jahre 1248, daß am Tage des heiligen Quirinus der hohe Dom abgebrannt sei. Was die Ausdehnung des Dombrandes anbelangt, von dem auch das Kalendarium der Custodie spricht, so war derselbe keineswegs so bedeutend, daß die Kirche dadurch völlig vernichtet oder unbrauchbar geworden wäre; es handelte sich allem Anscheine nach um ein Brandunglück, welches zeitweilig die Fortsetzung des Gottesdienstes hinderte, jedoch keinen vollständigen Um- oder Neubau bedingte, und ist es richtig, daß bei diesem Brande die beiden goldenen Kronleuchter geschmolzen sind, so wird der Brand das Dach und das Gewölbe des Schiffes zerstört haben.

Rasch und energisch wurde die Reparatur in Angriff genommen. Wenn nicht schon früher, war die Kirche im Jahre 1251 wieder dem Gottesdienste geöffnet, da im Mai dieses Jahres eine Rechtshandlung im Dome vor vielen Zeugen aus dem geistlichem und weltlichen Stande vorgenommen werden konnte. Auf diese Reparatur bezieht sich die so vielfach angeführte und angefochtene Urkunde des Papstes Innocenz des Vierten, durch welche jeder Beitrag zu den Reparaturkosten mit einem Ablasse belohnt wird.

Der Grundstein zum neuen Dome wurde vom Erzbischof Conrad 1248 am 14. August in Gegenwart des deutschen Königs Wilhelm, des Herzogs Heinrich von Brabant, des Herzogs Walter von Limburg, des päpstlichen Legaten, des Bischofs von Lüttich und vieler anderen weltlichen und geistlichen Großen unter pomphaften

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 634. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_634.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)