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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)

nöthig; vom Bache herauf hörte ich das bekannte Plätschern – dann wieder Stille, und siehe! seinen feisten Leib durch die Umzäunung drängend, erschien, behaglich grunzend, Wirodrono-Wildschwein auf der Bildfläche. „Warte, Freundchen!“ dachte ich, legte an und gab Feuer. Der Räuber fuhr zusammen; ganz wie ein „angeschossener Eber“ brach er durch die Hecke, raste in vollem Galopp, ohne zu grüßen, an mir vorbei und lief einem kleinen Hügel zu, wo er meinen Blicken entschwand. Da ich deutlich das Anschlagen der Kugel wahrgenommen hatte und reichliche Blutspuren mich zur Annahme eines Treffschusses berechtigten, so überließ ich das Thier für heute Nacht seinem Schicksale, begab mich nach Hause und genoß ohne alle Gewissensstörungen die Segnungen eines wohlthätigen Schlafes.

Als ich mit Sariman und vier andern Javanen mich des andern Morgens auf die Suche begab und meine Schritte direct nach dem vorhin erwähnten Hügel lenkte, fragte mich der javanische Diener:

„Habt Ihr dort Wild geschossen, Herr?“

„Nein,“ antwortete ich, „warum fragst Du mich danach?“

„Weil dort der Begräbnißplätz ist.“

Ich wußte das nicht und muß gestehen, daß mir die Mittheilung nicht besonders angenehm war. Hätte das dumme Thier nicht einen andern Weg einschlagen können? Die Sache fing wirklich an, fatal zu werden. Und was ich im Stillen fürchtete, das traf leider nur zu vollständig ein: starr und steif lag das von mir geschossene wilde Schwein da, und keine zwanzig Schritte davon entfernt war das noch ziemlich frische Grab des seligen Wirodrono.

Himmel, was für Augen machte mein Sariman! Einen wüthenden Schrei ausstoßend und heftig mit den Armen gesticulirend, stürzte er wie ein Rasender den Berg hinab, hinter ihm her die vier anderen Javanen. Da ich dem todten Eber keine Leichenrede halten wollte, machte ich mich auf den Weg, wählte jedoch einen Pfad, welcher mich sofort, ohne daß ich durch das Dorf gehen mußte, direct nach meinem Hause führte. Kaum war ich da angekommen, als meine zwei Diener, welche ich mir von Batavia mitgenommen hatte, mit den gesattelten Pferden aus den Ställen eilten; zugleich hörte ich im Dorfe das Alarmzeichen schlagen, welches alle streitbaren Einwohner vor der Wohnung des Oberhauptes versammelt, merkte überhaupt aus dem ganzen Rumor, daß es durchaus nicht recht geheuer sei. Höflichkeit gegenüber den Europäern ist eine Haupttugend der Javanen; was man nur irgend verlangt, wird gern gethan, doch muß man natürlich des Landes Weise, des Landes Ehre auch berücksichtigen. Ich gestehe gern, daß ich in dieser Beziehung gefehlt hatte, und hielt es nun in Anbetracht der nicht ganz civilisirten Sitten für das Beste, durch einen unceremoniellen Abschied allem Gedankenaustausch mit der Dorfbevölkerung über das Thema Wirodrono-Wildschwein aus dem Wege zu gehen. Leider aber hatte Sariman’s Botschaft sich so schnell im Dorfe verbreitet, daß ich keine Zeit mehr hatte, diesen Vorsatz auszuführen. Ehe ich mich's versah, war mein Haus rings von Javanen umstellt, welche zwar bei meinem Erscheinen sofort auf die gebräuchliche Manier ihre Ehrerbietung durch Niederkauern bezeigten, im Allgemeinen jedoch sehr lebhaft wünschten, daß ich meine Abreise einige Augenblicke verzögere. Ich sah durchaus keine Gelegenheit, um auf gütlichem Wege mich aus dieser unangenehmen Situation zu retten – also auf die Pferde! Dieselben standen gesattelt und gezäumt vor der Thür, auf ein von mir gegebenes Zeichen saßen wir im Sattel – und nun vorwärts, entweder darüber oder darunter! Einige Spornstöße – dann hörte ich nur noch ein wahrhaft teuflisches Kreischen, und mit weitausgreifenden Sätzen bog mein Fuchs den steilen Pfad hinab. Erst von der Station aus, wo ich mich vor Verfolgung sicher fühlte, entrichtete ich an Pa Idja durch einen Boten meine Schuld, indem ich zugleich von ihm mein Gepäck verlangte. Es wurde mir dasselbe gesandt, aber ich hielt es doch für angemessen, vorläufig den Ort zu meiden, wo verstorbene Freunde in Gestalt von wilden Schweinen nicht nur ihren Angehörigen, sondern auch dem harmlosen Fremdling Unannehmlichkeit und Gefahr bereiten.

R. K.




Herman von Schmid.
An Abschiedsstraußn
von dö Berg und dö Leut aus’n oberboarischen Gebirg.


Pfüat[1] Gott, Du alta, liawa Freund!
Da[2] Herr gib Dir die ewi Ruah!
Wir schaugn mit schwara Kümmernuß
Heunt Deiner Leich’ da draußen zua.
Du hast uns g’freut, wennst kemma bist
Und selm[3], wennst wieda furt,
Denn in Gedanka warst bei uns,
Warst aa in Münka[4] durt.
Was um uns is und was ma san
Und wia ma schö und wild,
Du hast viel Büacheln d’rüber g’schrieb’n,
Uns g’lobt mit Wort und Bild.
Du hast es eana[5] draußen zoagt,
Wia’s rin[6] no’ richti ist
Und bei uns g’ratt[7] koa Feserl[8] Falsch,
Koa Lug, koa Hintalist;
Wia unsa Kini[9], ’s Boarnland
Is unsa Stolz und Freud
Und wia ma unsan Herrgott treu
Verbleib’n in Ewigkeit. –
Jätzt hat Dei Schreib’n, Dei’ G’sang an End –
Was thuats? für uns stirbst nit,’
So lang dö Berg und d’ Alma steh’n,
Dazihlns[10] vom Herman Schmid.
Und wenn uns aa heunt ’s Flenna[11] kimmt,
Weilst machst dö weite Reis’:
Du g’freüst uns selm als Todta no’
Wia’s schönste Edelweiß!

Maximilian Schmidt.
  1. Behüte Dich.
  2. Der.
  3. selbst.
  4. München.
  5. ihnen.
  6. hier innen, bei uns.
  7. geräth, gedeiht.
  8. Fäserchen.
  9. König.
  10. Erzählen sie.
  11. Flennen, Weinen.


Ein deutscher Flußhafen.

Wohl giebt es in Deutschland bedeutende Flußhäfen, in denen seit alten Zeiten Handel und Wandel blühten. Sie bilden in der Regel einen Theil großer Städte, mit deren Wachsthum auch die Hafenanlagen sich vergrößerten. Selten aber dürfte eine derselben eine so eigenthümliche Entstehungsgeschichte zu verzeichnen haben wie der wunderbar schnell aufgeblühte, ungefähr dreiviertel Stunden nördlich von der Residenzstadt Dessau gelegene Ausladeplatz „Wallwitzhafen“. Dieser Name wurde der Oertlichkeit erst 1861 von dem damals regierenden Herzoge beigelegt. Bis 1857 bildete dieselbe einen mit Bachweiden und verkrüppelten Eichen bestandenen fiscalischen Platz, der, ursprünglich zur Ausschiffung von Kaufmannsgütern, später auch von böhmischer Braunkohle benutzt, wegen seines sumpfigen, im Frühjahr und Herbst kaum passirbaren Bodens „Moderberg“ genannt wurde. Das schnaubende Dampfroß brachte in diese Einöde Leben und Cultur. Bei der Erbauung der Berlin-Anhaltischen Eisenbahn war die Stelle der betreffenden Gesellschaft von der anhaltischen Regierung mit überwiesen worden, und als nun in der Mitte der fünfziger Jahre auch die neue Eisenbahnlinie Berlin – Bitterfeld – Leipzig vollendet war, ließ die Gesellschaft das beim Bau südlich von der Stadt Dessau ausgestochene und anderweit nicht benutzbare Erdreich nach jenem „Moderberg“ fahren und dort anschütten.

Bald nach der Eröffnung der Bitterfelder Eisenbahn fand die Verwaltung der Berlin-Anhaltischen Eisenbahngesellschaft eine günstige Verwendung der „Elbablage am Moderberg“. Dorthin ließ sie die in der Nähe des Städtchens Bitterfeld gewonnenen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 740. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_740.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)