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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

eines Druckes war, wie wenig die fleißigsten Arbeiter an einem Tage vollenden konnten, wie theuer deshalb die Bücher und Zeitungen waren und wie sehr dies ihrer Verbreitung und damit der ganzen Bildungs- und Geschäftsförderung im Wege stand. Jetzt aber, wo man gewöhnt ist, seine sauber gedruckten Bücher für Schule und Haus, seine Unterhaltungsliteratur und Prachtwerke billig zu kaufen, sein Geschäfts- oder politisches Blatt mit unfehlbarer Regelmäßigkeit auf dem Frühstückstische liegen zu sehen, vergißt man darnach zu fragen, wem man denn eigentlich all diese Wohlthaten und Annehmlichkeiten verdankt.

Das Herannahen des halbhundertjährigen Todestages desjenigen, dessen Erfindung der Grundstein und Pfeiler eines nicht geringen Theils der Entwickelung der Neuzeit geworden ist, bietet demnach eine geeignete Gelegenheit, der gegenwärtigen Generation Leben und Wirken dieses Wohlthäters der Menschheit wieder in’s Gedächtniß zu rufen.

Friedrich Koenig wurde am 17. April 1774 zu Eisleben, der Geburtsstadt des großen Reformators, als der Sohn des dasigen Ackerbürgers Johann Christoph Koenig geboren. Mit seinem achten Jahr wurde er in das Gymnasium daselbst aufgenommen, und er verließ es 1790, um in die Buchdruckerei von J. G. J. Breitkopf in Leipzig in die Lehre zu treten. 1794 zum Gehülfen ernannt, hat er während der nächsten Jahre, über welche bestimmte Nachrichten fehlen, wohl als solcher an verschiedenen Orten gearbeitet, auch einen Onkel, Buchdruckereibesitzer zu Greifswald, besucht und sich bei ihm noch die Kenntniß des Buchhandels angeeignet; er hospitirte auch während dieser Zeit an der Universität Leipzig, und der berühmte Emst Platner war es hier namentlich, dessen Vorträge ihn fesselten. Den größten Theil des Tages aber mußte er dem Broderwerb in Buchdruckereien oder der Anfertigung niedrig bezahlter Uebersetzungen für Buchhändler zuwenden, und nur die Nächte gehörten ganz seinen Studien, von denen er mit Vorliebe Mathematik und Mechanik trieb.

Im Jahre 1802 finden wir ihn zu Eisleben, wo er einen Vertrag mit einem gewissen Riedel behufs Errichtung einer Buchhandlung schloß; dieselbe sollte wieder mit einer Buchdruckerei verbunden werden, und Koenig’s Compagnon erbot sich, hierzu die nöthigen Mittel zu liefern. Doch wurde der Plan bald aufgegeben; 1803 ist Koenig in Suhl mit dem Bau einer verbesserten Buchdruckpresse beschäftigt, und Riedel’s Einschüsse dienten mit dessen Genehmigung zu ihrer Fertigstellung. In seiner praktischen Thätigkeit an der alten, seit Gutenberg’s Tagen fast unverändert gebliebenen hölzernen Handpresse hatte er deren Mängel empfunden; die großen politischen Ereignisse jener Tage ließen aber einen vollkommeneren Druckmechanismus zur beschleunigteren Verbreitung der Tagesnachrichten dringend geboten erscheinen, und Koenig hatte sich die Aufgabe gestellt, ihn zu schaffen.

Suhl, damals schon ein bedeutender Eisenfabrikort, erschien ihm als der geeignetste Platz hierfür. Seine neue Presse sollte durch einen besonderen Mechanismus in Bewegung gesetzt werden, sodaß sie alle Manipulationen des Druckens, mit alleiniger Ausnahme des Einlegens und Auslegens der Druckbogen, vollkommen selbstthätig ausführte, wofür namentlich das Farbwerk eine ganz neue, von der bisherigen Methode des Einschwärzens der Druckformen mittelst Lederballen abweichende und eigenartige Construction erhalten hatte: die Ballen waren durch mit Leder überzogene Walzen ersetzt, denen außer der drehenden auch eine seitliche Bewegung gegeben war zur Erzielung einer vollständigen Vertheilung und Verreibung aller Farbetheilchen, eine Einrichtung, die sich so trefflich bewährt hat, daß sie selbst heute noch in fast allen Schnellpressensystemen beibehalten worden ist.

Mit dem Fortschreiten der Presse Koenig’s hielt aber auch die Erschöpfung seiner Mittel gleichen Schritt. Als der Antriebsmechanismus in Angriff genommen werden sollte, konnte sein Compagnon Riedel, der contractlich 5000 Thaler zugesagt, aber im Ganzen nicht volle 3000 eingezahlt hatte, nichts mehr senden, und so blieb derselbe unausgeführt, für den Erfinder aber begann eine Periode bitterer Enttäuschungen. Vergeblich suchte er, die bairische Regierung, die Behörden in Wien und namhafte Privatpersonen für seine Pläne zu gewinnen. Vergeblich blieb auch seine Reise nach Petersburg.

In England, dem Mutterlande der Technik, sollte er endlich die so lange und mühevoll gesuchte Unterstützung finden, und zwar in den Kreisen, die den Werth seines Strebens am besten zu würdigen verstanden: unter Geschäftsgenossen, Nachdem er zuvörderst zur Erlangung seines Unterhalts in Druckereien gearbeitet, schloß er am 31. März 1807 mit dem Londoner Buchdrucker Thomas Bensley einen Vertrag zur Ausführung seiner Erfindung, welchem, als die Versuche immer größere Summen beanspruchten, 1809 noch zwei andere Londoner Drucker, George Woodfall und Richard Taylor, beitraten.

Um diese Zeit trat Friedrich Koenig auch zu dem am 18. August 1783 zu Stuttgart geborenen Optiker und Mechaniker Andreas Friedrich Bauer, der 1805 zu seiner Ausbildung nach England gegangen war, in nähere Beziehungen, und es entspann sich hieraus jene Freundschaft, welche diese beiden Männer ihr ganzes Leben lang im gleichen Streben vereinigte und die nicht wenig beigetragen hat zur glücklichen Durchführung der Koenig’schen Pläne. Mit Bauer’s technischer Hülfe und mit der pecuniären der drei Londoner Drucker gelang es, die erste Druckmaschine, auf welche am 29. März 1810 ein Patent genommen wurde, zu vollenden, der Probedruck konnte aber, in Folge einer schweren Krankheit des Erfinders, erst im April 1811 vor sich gehen. Die Maschine war ganz nach den ersten von ihm aufgestellten Principien erbaut, nur war an Stelle des plumpen Holzgerüstes ein Gestell aus Eisen getreten, und statt einer Walze zum Auftragen der Farbe hatte Koenig deren zwei gesetzt zum Zwecke der Erreichung einer vollständigen Einschwärzung. Die Maschine erfüllte, was ihr Erfinder sich von ihr versprochen: sie druckte gut und ersparte die Arbeit eines Mannes, aber sie genügte doch nicht allen seinen Wünschen, und namentlich erreichte ihre Arbeitsleistung nicht den Grad der Schnelligkeit, welcher gerade das Hauptziel seiner Erfindung war.

Koenig erkannte somit, daß auf dem Wege des Flachdruckes die Quantität der Arbeit seiner Maschine stets eine relativ beschränkte bleiben müsse. Er hatte nämlich von der alten Gutenbergischen Presse die Einrichtung beibehalten, daß jeder Bogen flach auf die geschwärzte Druckform zu liegen kam; dies verursachte noch viel Zeitverlust, der nur verringert werden konnte, wenn der zu bedruckende Bogen auf einer großen Walze über die Druckform hinlief. Dieser Gedanke führte ihn zu Versuchen mit dem Cylinderdrucke, die über Erwarten gelangen. Unverweilt ging er jetzt an den Bau einer Maschine mit verändertem Druckprincipe; schon am 30. October 1811 konnte diese patentirt werden, und im December erfolgten die ersten Druckversuche. Ihnen wohnte Master John Walter, der Besitzer der „Times“, bei, der selbst verschiedene Männer, welche Druckmaschinen hatten bauen wollen, mit beträchtlichen Summen unterstützt hatte, ohne ein befriedigendes Resultat zu erlangen; die Koenig’schen Erfolge entsprachen indeß so vollkommen seinen Wünschen, daß er sofort zwei nach dem gleichen Principe zu construirende Doppelmaschinen in Auftrag gab. Mit höchster Anspannung aller Kräfte gelang es Koenig und seinem Freunde Bauer, dieselben bereits im November 1814 zu vollenden, und am 29. November konnte die „Times“ der Welt verkünden, daß sie zum ersten Male auf Druckmaschinen mit einer Schnelligkeit von 1100 Drucken in der Stunde (vorher eine Tagesarbeit!) hergestellt worden sei. Bei Bau und Aufstellung derselben aber hatte mit größter Heimlichkeit vorgegangen werden müssen, um Gewaltthätigkeiten seitens der Drucker, die sich in ihrer Existenz bedroht sahen, zu verhüten.

Koenig’s Erfolge reizten indeß auch zur Concurrenz an, die bald zu unehrlichen Mitteln griff. Zwei der Concurrenten Koenig’s, Edward Cowper und Augustus Applegath, suchten Thomas Bensley in ihr Interesse zu ziehen und in dessen Druckerei Eingang zu erlangen, was ihnen schließlich nur zu gut gelang. Dieser Letztere hatte Koenig’s Pläne und Arbeiten nur vom egoistischen Standpunkte, um aus denselben den thunlichst größten Vortheil zu ziehen, gefördert; als der Erfinder aber auf seine Absicht, nur eine beschränkte Anzahl von Maschinen für Zeitungen zu bauen, den Druckern von Werken jedoch keine zu überlassen, da er nur allein sie hierfür benutzen wollte, nicht einging, da lieh Bensley jenen Schleichern und Nachahmern offenes Ohr.

Koenig hatte inzwischen seine Erfindung noch erweitert und vervollkommnet; denn wenn nach seiner ersten Einrichtung jeder Druckbogen erst auf einer Seite (technisch „Schöndruck“ genannt) und dann auf einer zweiten Schnellpresse auf der anderen Seite („Wiederdruck“) bedruckt werden konnte, so baute Koenig nun eine Complet- oder Schön- und Wiederdruckmaschine, bei welcher der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_031.jpg&oldid=- (Version vom 15.1.2023)