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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Zwanglose Blätter. Beilage zur Gartenlaube Nr. 5, 1883.

Lehr- und Lernmittel.


Weiße Schreibtafeln. Die gute alte Schiefertafel, auf welcher wir Alle die hohe Kunst des Schreibens erlernt haben, ist ein wahrer Segen für die Schule. Der kleine ABC-Schütze kritzelt auf ihr Tausende von nichts weniger als kunstgerechten Buchstaben, und sie bleibt trotzdem unverwüstlich; sie leistet geduldig und willig ihre Dienste, bis der Schüler nach erlangter Sicherheit der Hand für immer von ihr Abschied nimmt und mit Stolz zu Feder und Papier greifen darf. Ohne diese Schiefertafel würde sicher die Erlernung der Schreibkunst eine viel schwierigere und kostspieligere bleiben, und wenn wir heute von der Geschichte der Buchdruckerkunst so viel sprechen und die Erfinder und Förderer derselben durch Denkmäler und Lobreden zu ehren wissen, so sollten wir doch auch einmal der Geschichte der Schiefertafel gedenken, die trotz ihrer Bescheidenheit unter den Culturförderern einen nicht unbedeutenden Rang einnimmt. Doch Undank ist der Welt Lohn, und so kam es auch, daß die Herausgeber der hervorragendsten Nachschlage- und Fachbücher über diese Erfindung und ihre Geschichte ein tiefes Schweigen beobachten. Wir möchten jedoch dieser lieben alten Bekannten gern zu einer ehrenden biographischen Anerkennung verhelfen; denn auf dem Horizonte der Erfindungen tauchen soeben neue Sternchen auf, welche den schwachen Glanz der Schiefertafel und des Schieferstiftes ganz zu verdunkeln drohen; ja es dürften vielleicht nur wenige Jahrzehnte vergehen, und die Zeit wird eingetreten sein, in welcher die Schiefertafel nur noch eine geschichtliche Erinnerung bilden wird, wie heute etwa die Holztafeln, auf denen die Griechen und Römer ihre unsterblichen Gesetzgebungen, oder wie die Schulterblattknochen der Kameele und der Hammel, auf denen die Araber ihre poetischen Werke und religiösen Satzungen niederschrieben.

Unserer lieben alten Freundin von der Elementarschule auf her wurden in jüngster Zeit gar schlimme Dinge nachgeredet. Sie war von jeher schwarz und blieb schwarz bis auf den heutigen Tag, und diesen Fehler konnten ihr die Menschen nicht verzeihen.

„Wir schreiben ja unser Leben lang mit schwarzer Tinte auf weißem Papier,“ sagten sie. „Warum sollen wir nun das Schreiben in umgekehrter Weise auf schwarzer Tafel mit weißer Schrift erlernen?“ Wie geringfügig auch dieser Gegensatz bei oberflächlicher Betrachtung erscheinen mochte, so durfte er doch vom streng erziehlichen Standpunkte aus nicht gebilligt, und die schwarze Tafel kannte nur als Notbehelf geduldet werden.

Die schwerste Anschuldigung aber ist gegen dieselbe von dem für die Schulhygiene hochverdienten Dr. Cohn in Breslau erhoben worden, welcher den Gebrauch der schwarzen Schiefertafel als eine der Ursachen der Kurzsichtigkeit unserer Kinder bezeichnete.

Kein Wunder also, daß man schon seit längerer Zeit weiße, für den Unterricht geeignetere Tafeln herzustellen versuchte. Aber allen ihren Concurrenten zum Verdruß behielt die Schiefertafel doch die Oberhand; denn die. neuen Ersatzmittel konnten trotz ihrer vorzüglichen weißen Farbe die geduldige Fügsamkeit und Unverwüstlichkeit der Schiefertafel nicht aufweisen.

Es tauchten zunächst Schreibtafeln aus Pergamentpapier auf, aber sie konnten sich in den Schulen nicht einbürgern, da sie den geschäftigen Händen der lieben Jugend zu geringen Widerstand entgegensetzten. Dann fabricirte man Schreitafeln aus einer Gummicomposition, die leider zu theuer waren, und endlich suchte man auch Porcellan den Unterrichtszwecken dienstbar zu machen, aber das feine Fabrikat war sehr zerbrechlich und schwer zu reinigen.

Die schwarze Schiefertafel spottete also aller Erfindungskunst der Menschen und bildet noch heute trotz ihrer augenverderbenden Eigenschaft den unentbehrlichsten Bestandtheil des ersten Schulranzens; nun ist aber vor Kurzem endlich ein Ersatz für sie gefunden worden.

Ein Deutscher, Eduard Goldscheider, ist es, dem es nach jahrelangen Versuchen gelungen, eine weiße Schreibtafel herzustellen, die unter sehr günstigen Bedingungen mit der Schiefertafel um den Preis der Anerkennung wetteifern kann. Heute werden diese Goldscheider’schen Tafeln in der ersten Pilsener Steinfabrik von E. Thieben in großen Mengen fabricirt und dürften in allen renommirten Lehrmittelhandlungen vorräthig sein. Um allen etwaigen Anfragen an die Redaction der „Gartenlaube“ im Voraus zu begegnen, theilen wir mit, daß dieselben unter Anderem auch durch die anerkannte Firma Dietz und Zieger, Internationale Lehrmittelhandlung in Leipzig, zu beziehen sind.

Auf diesen Steinschreibtafeln kann man mit Bleistift jeder Art ebenso leicht wie auf Papier zeichnen und schreiben, und die Schrift läßt sich bequem mit nassem Lappen oder Schwamm abwischen. Herr Eduard Goldscheider hat jedoch noch einen Stift hergestellt, der eigens zum Schreiben auf dieser Tafel bestimmt ist und dessen Schrift auf derselben auch mit trockenem Lappen auszulöschen ist.

Die Vorzüge der Goldscheider’schen Erfindung werden von einem Fachmanne in der Zeitschrift „Magazin für Lehr- und Lernmittel aller Länder“ kurz in folgende Sätze zusammengefaßt:

„1) Ist die Steintafel weiß, die Schrift dunkelgrau oder schwarz, mithin der Contrast zwischen Tafel und Schrift bedeutend größer, als bei der Schiefertafel, sodaß also das Ange nicht so angestrengt wird, wie bei dieser. 2) Da das Material, mit welchem der Schüler auf der Steintafel schreibt, ein viel weicheres ist, als der Schiefergriffel, so wird der Schüler nicht an das Aufdrücken beim Schreiben gewöhnt; er bekommt eine leichte Hand, was für das Zeichnen und Schreiben von großem Werte ist; denn er kann dann viel schreiben, ohne sich anzustrengen, und wird auch eine und dieselbe Feder viel länger gebrauchen können, als jetzt. Ferner lassen sich Haar- und Schattenstriche vollkommen correct anbringen, was bei der Schiefertafel bekanntlich nur so lange möglich ist, wie die feine Zuspitzung des Griffels vorhält. 3) Bei der Steintafel erkennt man viel leichter, ob der Schüler sie rein hält oder nicht, als bei der schwarzen Schiefertafel, deren Unsauberkeit man gewöhnlich erst entdeckt, wenn sie schon so schmierig ist, daß der Griffel seinen Dienst versagt. Der Schüler muß daher gleich von vornherein mehr Acht geben, und das Schreiben mit Tinte wird besser vorbereitet. 4) Die Linien sind aus der Steinschreibtafel nicht eingeritzt wie bei den Schiefertafeln; sie hindern daher den Schüler nicht beim Schreiben; auch ist die Schrift dauerhafter als auf der Schiefertafel, und der Schüler läuft weniger Gefahr, die Frucht seines Fleißes durch ein die Tafel berührendes Buch vernichtet zu sehen.“

Der Preis dieser Steinschreibtafel ist nicht viel höher als der einer gewöhnlichen Schiefertafel und beträgt 30 bis 50 Pfennig für das Stück.

Der Erfindergeist, welcher unser Zeitalter auszeichnet und auf allen Gebieten Neues und Vollkommeneres zu schaffen weiß, berechtigt uns wohl zu der Hoffnung, daß auch diese weißen Schreibtafeln in kürzester Zeit von etwaigen Mängeln befreit sein und im Preise sinken werden. Wir möchten daher mit obigen Zeilen das Publicum und namentlich die Lehrerkreise zu Versuchen mit diesem neuen Lehrmittel anregen.




Hölzel’s geographische Charakterbilder für Schule und Haus. Im allgemeinen bilden noch heute ein Leitfaden, der Globus und Landkarten die einzigen Lehrmittel für den geographischen Unterricht in der Schule, und erst in jüngster Zeit hat man sich bemüht, auch auf diesem Gebiete das erklärende Wort des Lehrers durch Anschauungsbilder zu ergänzen. Vor Allem vermißte man bis jetzt einen für Schulen verwendbaren geographischen Atlas, der uns in großen und farbigen Bildern die charakteristischen Landschaften der Erde vor Augen führte. Ein solcher Atlas würde ohne Zweifel dem Lehrer den Vortrag und den Kindern das Verständniß der geographischen Dinge wesentlich erleichtern, aber trotz des oft von Fachmännern ausgesprochenen Wunsches war die Herstellung eines ähnlichen Werkes mit ungeheuren Schwierigkeiten verbunden, bis die neuesten Fortschritte der Technik und namentlich des Farbendruckes endlich die Lösung dieser Aufgabe möglich machten und die rühmlichst bekannte Firma Ed. Hölzel in Wien für billigen Preis Gutes auf den Lehrmittelmarkt brachte.

Schon im Jahre 1881 trat Hölzel mit seinem neuen Unternehmen vor die Oeffentlichkeit, indem er die Ausgabe von sechszig farbigen geographischen Charakterbildern ankündigte. Gleich die erste Lieferung des großartigen Werkes erregte ein allgemeines Aufsehen und erntete den ungeteilten Beifall aller Fachmänner. Namentlich auf dem im Herbste 1881 in Venedig stattgefundenen geographischen Congresse wurde der Verlagshandlung die lobendste Anerkennung der Preisrichter aller dort vertretenen Nationen zu Theil. Nachdem nun heute vier Lieferungen dieses Werkes mit zwölf Bildern erschienen sind und auch wir die Gelegenheit gehabt, uns von der Vortrefflichkeit der Ausführung der einzelnen Blätter zu überzeugen, können wir mit bestem Gewissen das in seiner Art einzig dastehende Unternehmen der weitesten Beachtung empfehlen.

Die Bilder sind 79 Centimeter breit, 50 Centimeter hoch und mit 12 bis 14 Farbensteinen künstlerisch und der Stimmung der Natur entsprechend ausgeführt. Dabei ist der Preis dieser Farbendrucke äußerst billig; denn er beträgt für Abnehmer der ganzen Sammlung oder wenigstens einer Serie von 80 Bildern nur 4 Mark für das Bild, während einzelne Bilder 6 Mark kosten.

Wie sehr diese Farbendrucke den geographischen Unterricht zu fördern im Stande sind, davon konnten wir uns selbst öfters bei Alt und Jung überzeugen. Sobald wir z. B. das Charakterbild der Wüste, welches die Sand- und Steinwüste nach der photographischen Naturaufnahme von Rohlfs darstellt, vorzeigten, so vernahmen wir fast regelmäßig Ausrufe des Erstaunens und die Versicherung: „So habe ich mir die Wüste nie vorgestellt; ich hatte keine Ahnung davon, daß in derselben solche zerklüftete Felsbildungen vorhanden sind etc.“. Jeder beteuerte uns, daß ihm ein einziger Blick auf das Hölzel’sche geographische Charakterbild mehr zur Erkenntnis der Wüstennatur verholfen habe, als die trefflichsten und ausführlichsten Schilderungen, die er je gelesen.

Wir führen nur dieses Beispiel an und verzichten auf eingehendere Beschreibung der anderen uns vorliegenden Blätter, wie der Gebirgspartien aus dem Ortler Gebiete und dem Berner Oberlande, der sonnigen Landschaft des Golfes van Puzzuoli, der kochenden Sprudel aus Neu-Seeland oder des herrlichen Ostrandes des Plateaus von Anahuac mit dem berühmten Pic von Orizaba im Hintergrunde. Wollten wir dies thun, so würden wir ja selbst in den alten Fehler verfallen und das vergeblich mit Worten zu schildern suchen, was nur durch Anschauung sich richtig begreifen und empfinden läßt.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 856. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_088_a.jpg&oldid=- (Version vom 17.12.2023)