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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

würde ihn mit höhnendem Lachen zurückweisen. Konnte er hoffen, daß des Mädchens Herz in Liebe ausharren werde, da er bei allem Fleiße Jahre nöthig hatte, um das väterliche Gut etwas wieder emporzubringen? Das war es, was ihm die Brust zusammenschnürte.

Er blickte hinüber zum Oberburgstein, der lag in vollem Morgensonnenglanze da. Von seiner Esse stieg eine graue, gerade Rauchsäule zum Himmel empor. Das Alles lag so hell und nahe da. Weshalb hatte er nicht Flügel, um sich hinüber zu schwingen, aber so tief wie das Thal war, welches zwischen ihm und dem Oberburgstein lag, so tief war auch die Kluft, welche ihn von dem stolzen Bauer trennte.

Nur kurze Zeit gab er sich diesen trüben Gedanken hin, dann raffte er sich auf, denn das Kopfhängen konnte ihm am wenigsten nützen. Er kehrte zum Gehöfte zurück und ging frisch an die Arbeit, die sich ihm von allen Seiten aufdrängte. Er wollte thun, was in seiner Kraft stand. Eins konnte ihm doch Niemand wehren, daß er jeden Tag und zu jeder Stunde hinüber schaute zum Oberburgstein, daß er Grüße hinübersandte und hoffte, daß auch die Moidl sein gedenken werde. –

Der Unterburgsteiner hatte sein Gehöft mehrere Tage lang nicht verlassen. Es hatte ihn mächtig gepackt, daß er im Raufen geworfen war. Er würde dies ruhiger ertragen haben, wenn es nicht durch den Welschen, durch den, den er so glühend haßte, geschehen wäre. Und er konnte sich nicht einmal mit dem Gedanken beruhigen, daß er eine schwache Stunde gehabt habe, denn er fühlte noch, wo ihn die eisernen Hände des Welschen ergriffen. Wie einen Ball hatte derselbe ihn erfaßt und zur Erde geschleudert.

Schlimme Gedanken fuhren ihm durch den Kopf hin, während er in seiner Stube saß und brütend vor sich hinstarrte. Wenn er dem Welschen auflauerte und ihn niederschlug, wenn er ihn von einem Felsen hinabstürzte, wer konnte dann dem zerschmetterten Körper ansehen, daß er ihn hinabgestürzt? Er schreckte vor dieser That selbst nicht zurück, aber ein Bedenken stieg doch in ihm auf. Sollte nicht doch der Verdacht auftauchen, daß er den Gegner aus dem Wege geräumt habe, und konnte er dann hoffen, daß die Moidl je die Seinige werde?

Das war es, was ihn zurückhielt. Vergebens marterte er seinen Kopf, um einen andern Weg zu finden, auf dem er Hansel entfernen konnte.

Als noch einige Tage geschwunden waren, da wuchs auch sein Muth wieder. Des Mädchens Vater war stets freundlich gegen ihn gewesen und wies seine Werbung sicher nicht zurück. War der Oberburgsteiner auch ein strenger und finsterer Mann, so konnte er für seine Tochter doch keinen reicheren Mann begehren. Beide Besitzungen grenzten an einander, und wenn sie in einer Hand vereinigt wurden, so konnte sich kein Mann in dem ganzen Thale mit dem Besitzer messen.

Am nächsten Morgen zog er seine Sonntagsjoppe an, steckte von den Winternelken, die in seinem Fenster blühten, eine frische Blume auf seinen Hut und stieg zum Oberburgstein hinauf.

Als er dem Gehöft sich näherte, sah er die Moidl am Fenster stehen, aber schnell trat sie zurück, als sie ihn erblickte. Er hatte durch ein tüchtiges Glas Holderbranntwein sich zu dem schweren Gange gestärkt, sein Muth hielt deshalb Stand.

„Guten Tag, Oberburgsteiner,“ sprach er, als er zu dem Bauer in das Zimmer trat.

Der Angeredete, der auf einer Bank am Fenster saß, erhob sich langsam und streckte ihm die Hand entgegen.

„Setz’ Dich,“ erwiderte er, indem er einen Schemel an den Tisch rückte. „Ich hab’ in das Land geschaut und mein’, es ist gut, daß das Vieh von den Almen zurück ist, denn es steckt Schnee in der Luft.“

„Der Himmel ist klar und der Wind kommt aus Norden,“ warf David ein.

„Um so schlimmer, dann wird der Winter gleich mit dem ersten Schnee eintreten,“ fuhr der Bauer fort. „Es ist heuer zeitig, aber mir kann’s recht sein. Da können meine Knechte das Holz, was sie gefällt haben, noch vor dem Christfest zu Thal bringen. Du hast’s bequemer und kannst, was Du brauchst, jederzeit hinabschaffen.“

„Ja, der Unterburgstein liegt günstiger,“ entgegnete David, der auf seine Besitzung stolz war.

„Das will ich nicht gesagt haben,“ warf der Bauer ruhig, aber mit ernstem Gesichte ein. „Wer hier oben geboren ist und gelebt hat, der hält’s unten nicht lange aus. Wenn ich in’s Thal hinabsteig’, dann ist es mir stets, als ob etwas auf meiner Brust läg’ und drücke.“

„Im Thal hielt ich’s auch nicht aus,“ rief David. „Du kommst selten zu mir, deshalb weißt Du nicht, daß sich auf dem Unterburgstein auch gut leben läßt. Luft und Wind hab’ ich allzeit genug. Aber ich hoff’, Du wirst dies kennen lernen.“

„Was meinst?“ fragte der Bauer, die Augen forschend auf den jüngeren Mann richtend.

„Daß ich’s offen heraussage,“ gab David zur Antwort. „Ich komm’ zu Dir, um die Moidl zu werben. Ich brauch’ eine Frau, und ich wüßt’ keine, die auf den Unterburgstein besser paßte, als die Moidl.“

Der Bauer verzog keine Miene.

„Hast es so eilig?“ fragte er.

„Ja. Ich wüßt’ nicht, worauf ich noch warten sollt’; die Stätte für eine Frau ist bereit.“

„Hast schon mit der Moidl gesprochen?“ forschte der Bauer weiter.

„Nein, ich wollt’ zuerst wissen, wie Du denkst,“ gab David zur Antwort. „Ich hoff’, die Moidl wird nichts dagegen haben, Herrin auf dem Unterburgstein zu werden, wenn es Dein Wille ist.“

Ueber das Gesicht des Bauern glitt ein genugthuendes Lächeln.

„Du hast klug gehandelt, denn ohne meinen Willen wär’ es nicht gegangen,“ sprach er. „Du hast mir Deine Meinung offen gesagt, und offen sollst Du die meinige hören. Mir ist’s recht, und ich hab’ nichts dagegen, wenn sie bald dort unten als Deine Frau einzieht. Es ist vielleicht gut so!“

Er streckte David seine Rechte entgegen, und freudig schlug dieser ein, denn er hatte kaum auf ein so williges Entgegenkommen bei dem finsteren Manne gerechnet.

„Bestimm’ Du, wenn die Verschreibung sein soll!“ rief er. „Wie hoch mein Gehöft zu schätzen ist, weißt Du, und was die Moidl mitbringt, darnach frag’ ich nicht, denn ich würde sie zum Weibe begehren, selbst wenn sie nichts hätte.“

„Eine Bettlerin ist sie nicht,“ entgegnete der Oberburgsteiner nicht ohne Stolz, denn seit Jahren hatte er nur für seine Tochter gespart und gearbeitet. „Sie braucht sich ihrer Mitgift auch nicht zu schämen. Ehe ich aber die Verschreibung aufsetz’, will ich ihr sagen, daß Du um sie geworben.“

Er öffnete die Thür und rief laut den Namen seiner Tochter.

Einige Minuten später trat die Gerufene ein. David hatte sie nie so schön gesehen, denn ihre Wangen waren geröthet, und aus ihren großen Augen leuchtete ein Gefühl der Befangenheit.

Ruhig begrüßte sie den Unterburgsteiner.

„Moidl,“ sprach ihr Vater, „der David hat um Deine Hand geworben, ich habe ihm dieselbe zugesagt und denk’, es wird Dir recht sein, wie es mir recht ist.“

Das Mädchen fuhr unwillkürlich zusammen. Es hatte dies vorausgesehen und doch erschrak es. Das Blut wich aus seinen Wangen, es preßte die Hand auf die Brust und schien sprechen zu wollen, aber die Lippen versagten ihm den Dienst.

Dies Alles war dem Oberburgsteiner nicht entgangen, und seine buschigen Brauen zogen sich zusammen.

„Gieb eine Antwort,“ mahnte er.

Moidl rang nach Athem. Aengstlich und bittend zugleich blickte sie zu ihrem Vater auf.

„Nie – nie! Ich kann die Seinige nicht werden!“ rief sie dann.

„Moidl, ich hab’ Dich so lieb!“ rief David.

„Laß mich reden,“ unterbrach ihn der Bauer streng. „Sprich, weshalb Du meinem Willen entgegentrittst,“ wandte er sich an seine Tochter. „Sprich!“

„Ich lieb’ ihn nicht,“ gab die Moidl zur Antwort.

„Haha! Die Lieb’ wird kommen, wenn Du erst sein Weib bist!“

„Nein – nie! Ich will gar nicht heirathen – ich will bei Dir bleiben!“

„Moidl, ist Dir’s zu gering, Herrin auf dem Unterburgstein zu werden?“ warf David ein.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 514. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_514.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)