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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Die Zucht der Tropenfische in Deutschland.

Die Ueberschrift mag dem freundlichen Leser wohl etwas wunderlich vorkommen, denn es dürfte nur wenig bekannt sein, daß es bei uns im Reiche auch Leute giebt, die sich nicht blos mit der Massenvermehrung der Forellen, Karpfen und Lachse beschäftigen, sondern eifrig an der Einbürgerung ganz seltener und kleiner Wasserbewohner aus warmen Erdstrichen arbeiten. Allerdings handelt es sich dabei nicht um ein neues Nahrungsmittel, denn auf lange Zeit hinaus würde sich kaum ein Rothschild eine Mahlzeit von jenen Luxusfischen gestatten können, von denen ich hier etwas mittheilen werden aber werthvoll in anderer Hinsicht ist die Sache doch für die gesammte Oeffentlichkeit, denn noch vor wenigen Jahren wanderten für solche Luxusartikel ungezählte Tausende in’s Ausland, nach England und mehr noch nach Frankreich, wo besonders der Importeur Carbonnier in Paris ein ganz enormes Geschäft in Zierfischen entwickelte. Das Ausgreifen Deutschlands in alle Fernen der Erde hat auch hierin Wandel geschaffen und uns selbstständig gemacht, sodaß wir jene Prachtthiere aus China, Afrika und Südamerika nicht mehr, wie seiner Zeit das deutsche Kronprinzenpaar das erste Makropodenpärchen mit 300 Mark, sondern nur noch mit bescheidenen Preisen bezahlen.

Japanische Goldfische.
Schleierschwanz.       Großflosser.
Chinesische Teleskopfische
Tropische Zierfische im Aquarium. Originalzeichnung von Emil Schmidt.

Wer jetzt Sinn dafür hat, der braucht in seinem Aquarium nicht mehr seine drei bis vier langweiligen Goldfischchen allein zu halten, die er ohnehin nur betrachtet, wenn er sie gerade füttert, sondern er kann sich eine ganz andere, eine wirklich spannende Unterhaltung verschaffen, er kann sogar selber, ohne viel Kosten und Mühen, sich der Fischzucht widmen und dies Dank dem Unternehmungsgeist besonders des ältesten deutschen Zierfisch-Züchters Paul Matte in Groß-Lichterfelde bei Berlin.

Besuchen wir deshalb im Geiste einmal die Anstalt dieses Mannes, eine Sehenswürdigkeit allerersten Ranges, und lernen wir die Objecte der Bemühungen des Züchters kennen. Bisher erschienen wohl die Naturforscher regelmäßig dort, um neue Kenntnisse zu sammeln und Thiercharaktere zu studiren, die sonst nur entlegenen fernen angehörten, der gewöhnliche Tourist aber achtete nicht des stillen Oertchens Lankwitz bei Groß-Lichterfelde. Wer jedoch einmal dort war der kehrt noch oft zurück und lernt immer wieder.

Man kann sich kaum wenden in den Räumen, die, mit Heizeinrichtungen versehen, bis in den letzten Winkel mit Aquarien für größere und kleinere Fische vollgepfropft sind. Matte züchtet eben nur ausländische, exotische Fische, die durch ihre Farbenschönheit oder Eigentümlichkeiten der Lebensweise einen besonderen Werth besitzen. Da werden, unter großen Mühseligkeiten, aus Indien, Japan, China, Nord- und Südamerika die Fische herbeigeschafft, beobachtet und gezüchtet, nur den deutschen Handel an die Stelle des fremden zu setzen und Jedermann die Freude an selteneren Geschöpfen zu ermöglichen. Man sieht da die monströsesten Formen und Gestalten der Teleskopfische mit weit hervorstehenden Augen gleich Operngläsern, der Schleierschwänze, japanischen Goldfische, der mexicanischen Axolotls, darunter einer ganz weißen Art mit rothen Ohren, und vieler anderer Sorten, besonders aber einen Fisch, klein und zierlich, aber von einer Farbenpracht, die man sich nur schwer vorstellen kann und die dem Thier mit Recht den Namen des Paradiesfischchens erworben hat, nämlich den Großflosser (Makropoden, macropus venustus).

Letzterer wird immer mehr der Liebling der Aquarienfreunde, und er besonders ist es, dessen Zucht und Vermehrung Jedermann selbst betreiben kann. Die Natur hat an diesem Thierchen all ihren Farbenreichthum verschwendet und ihm eine Zutraulichkeit gegeben, wie sie kein anderer Fisch besitzt. Der lange, breite Schweif gleicht ganz dem des Pfauen, der Körper schimmert in gelb, blau und roth mit stahlgrünen Querstreifen, die Kiemenränder sind orangefarbig, die langen Flossen grünlich-blau, der Bauch hellgelb bis braun. Das Thier ist nur fingerlang, das Weibchen kenntlich an kleineren Flossen und matteren Farben, und kein Fisch ist so intelligent und zahm wie dieser und so bequem zu halten. Der Großflosser

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 527. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_529.jpg&oldid=- (Version vom 3.1.2023)