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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

nach Süden vorschritt, um das wichtige geographische Problem vom Ursprung des Benuë und der Zusammengehörigkeit des zum Tsad-See abfließenden Logone, des Flusses von Bagirmi, glücklich zu lösen.

Der Aufenthalt in Jola war mir ein recht angenehmer, wenn auch die Habsucht des dortigen Sokotogesandten mir manche Unannehmlichkeit bereitete und fast diesen letzten Erfolg gehindert hätte. Auf seine Veranlassung nämlich bemerkte der Bote, welchen mir König Burba von Bakundi mitgegeben, in geheimer Audienz dem Jolaherrn Umoru Sanda (Omar mit dem Beinamen „der Stab“): ich hätte, wie er bestimmt wisse, den Auftrag von meinem Könige erhalten, nach Jola zu kommen, um ihn, den Herrn von Jola, zu begrüßen und ihm meine sämmtlichen mitgebrachten Waaren als Geschenk zu überbringen. Man solle mir also nicht gestatten, meinen Ehrgeiz zu befriedigen, sondern mir die Waaren abnehmen und mich mit gehöriger Botschaft zurückschicken. Dank einigen hervorragenden Männern kam dieser Anschlag nicht zur Ausführung, sondern der König wurde bewogen, in Aussicht auf künftige Handelsverbindungen mir sein Wort, das er in Rücksicht auf das Schreiben von Sokoto bei der ersten Audienz gegeben, zu halten und mir die freie Bereisung von ganz Adamaua zu gestatten.

Dennoch gelang es dem intriganten Sokotogesandten, der mir gegenüber immer den Liebenswürdigen spielte, den Geleitbrief nach Ngaundere so abfassen zu lassen, daß ich daraufhin genöthigt war, von Ngaundere nach Jola zurückzukehren. Die eingehenden Mittheilungen über die schlau arrangirten Verwickelungen, welche mich dadurch später in Ngaundere trafen, würden den mir hier gestatteten Raum zur übersichtlichen Darstellung meiner vierjährigen Reise überschreiten. Daher nur soviel, daß ich unter den Verhältnissen und auch hauptsächlich, weil es mir an Mitteln fehlte, mit Beginn der trockenen Zeit theilweise auf neuen Pfaden nach Jola zurückkehrte.

Hier ward diese meine Rückkehr mir hoch angerechnet, da man sich seiner Handlungsweise wohl bewußt war und meine Feinde – die Herren Elfenbeinhändler namentlich – behauptet hatten, daß ich ganz gewiß nicht kommen würde. Der König entließ mich verhältnißmäßig reich beschenkt. Ich erhielt außer dem üblichen Ochsen zum Schlachten zwei schöne Pferde und einen circa 45 Pfund schweren Elephantenzahn. Von Jola nach Kontscha hatte ich denselben Weg einzuhalten; von Kontscha aber wanderte ich nördlich auf kürzerem Wege über Itére, wo ich am Weihnachtstage 1882 durch ein böses delirisches Fieber meinen alten Freund in Aufregung und Sorge um mein Leben versetzte, nach Beli. Hier feierte ich Neujahr, die zwölfte Stunde mit Madugu heranwachend, der frierend am Feuer saß und meinen Erklärungen über die Bedeutung dieser schönen Zeit lauschte.

Auf dieser Rückreise fand ich viel herzliches Willkommen, auch da, wo man mich früher scheu und argwöhnisch betrachtet hatte. –

Ich übergehe die Zeit der Sorge, mir neue Mittel für die Fortsetzung der Reise nach Süden zu beschaffen, meinen langen Aufenthalt in Lagos, die Unterstützung, die mir von Freundesseite dort zu Theil wurde und mir so die neue Abreise nach dem Niger ermöglichte, die Enttäuschungen, die mir bereitet wurden, um noch über die Erfolge meiner neuen (dritten) Adamauareise in einem zweiten Artikel berichten zu können.


Blätter und Blüthen.

Gehörprüfung in den Schulen. (Nachdruck verboten.) Heutzutage müssen die größten Gelehrten öfters wieder in die niederen Schulen gehen, um in denselben gar manche wichtige Dinge zu studiren und Fragen zu lösen, welche ihre Wissenschaft stellt, die zwar mit dem ABC und der Grammatik nicht mehr zusammenhängen, deren Erledigung aber ohne Zuhülfenahme dieser Schulen nicht leicht möglich wäre! Bergen dieselben doch wahre Schätze für anthropologische, statistische und gesundheitswissenschaftliche Studien, Schätze, die erst zu einem kleinen Theile gehoben sind. Und doch – was hat man nicht schon Alles durch Untersuchung der Schuljugend erfahren! Wir erinnern nur an die Erhebungen über die Farbe der Haare, über das Wachsthum des Körpers, über die Verbreitung der Kurzsichtigkeit, der Farbenblindheit etc., wodurch Resultate zu Tage gefördert wurden, die zu Zeiten selbst weite Kreise bewegten und erregten. Waren doch einzelne unter den letzteren recht betrübender Art, z. B. der Nachweis der großen Procentzahl Kurzsichtiger und mit anderen Gesichtsfehlern Behafteter unter den Schülern und Schülerinnen.

Weniger – nach unserer Meinung zu wenig! – in die Oeffentlichkeit gedrungen sind dagegen die fast ebenso wichtigen Ergebnisse der Untersuchungen des Gehörs bei Schülern. Freilich sind sie auch noch nicht so zahlreich ausgeführt worden, wie in Bezug auf das Auge, gewähren aber doch bereits einen recht beängstigenden Einblick in die Häufigkeit der Fehler des zweitwichtigsten Sinnesorgans, zugleich auch einen solchen in die Sorglosigkeit gar vieler Eltern bei Erkrankungen dieses letzteren.

Den ersten Anstoß zur Prüfung des Gehörsinns gaben die vorausgegangenen Augenuntersuchungen im Interesse des Eisenbahn- und Schiffsdienstes. Der Heidelberger Ohrenspecialist Moos machte nämlich mit Recht darauf aufmerksam, daß Gehörfehler des betreffenden Dienstpersonales nicht weniger verhängnißvoll werden könnten, wie mangelhaftes Farbenunterscheidungs-Vermögen, ja daß die Folgen jener noch ernster zu nehmen seien, weil bei ihnen die Uebung als Ausgleichsmittel wegfalle. Das Ohr hat ja nicht, wie das Auge, welches außer den Farben selbst bekanntlich noch Abstufungen derselben von Hell zu Dunkel unterscheiden kann, die Fähigkeit, etwas Anderes an Stelle des einfachen Eindrucks eines Schalls zu setzen.

Auf jene Anregung hin untersuchte dann zuerst, so viel wir wissen, in größerem Maßstabe der Stuttgarter Ohrenarzt Dr. Weil die Hörfähigkeit und zugleich die Ohrenerkrankungen und Gehörfehler der Schüler und Schülerinnen mehrerer Volks- und höheren Schulen, sowohl in der Stadt, als auf dem Lande, um auch einen vergleichenden Ueberblick über die etwaigen Verschiedenheiten in letzterer Richtung zu erhalten; das wohlwollende Interesse, welches die Königin von Württemberg an der Sache nahm, förderte ihn dabei durch Hinwegräumung mancher Schwierigkeiten, die ohne jenes nicht leicht zu beseitigen gewesen wären.

Als Maßstab legte Dr. Weil das deutliche Nachsprechen gewisser Worte und Namen, die so gewählt waren, daß sie nicht leicht errathen werden konnten, zu Grunde, und nahm als räumliche Norm dafür eine Entfernung des Sprechenden und Hörenden von 20 bis 25 Metern an. Er prüfte stets die Hörfähigkeit eines jeden der beiden Ohren für sich. Daß solche genaue Untersuchungen sehr zeitraubend und schwierig sich darstellten, sieht selbst der Laie leicht ein: untersuchte doch der Genannte nach und nach 4500 Kinder der Altersstufen zwischen 7 und 14 Jahren aus den verschiedensten Gesellschaftskreisen, deren Intelligenz natürlich sehr große Verschiedenheiten der Entwickelung darbieten mußte! Gerade durch den letzteren Umstand aber wurde die Sache besonders verwickelt.

Das Endresultat war die erstaunliche Thatsache, daß fast ein Dritttheil (30 Procent) aller untersuchten Kinder an Gehörfehlern auf einem oder auf beiden Ohren litt! An Gehörfehlern, von denen sehr oft die Kinder selbst so wenig, wie deren Eltern eine Ahnung hatten, weil in vielen Fällen wenigstens ein Ohr ganz unversehrt war! Weiter ergab sich (wie dies auch bei den Augenuntersuchungen sich herausgestellt hatte), daß die Procentzahl der Nicht- oder Schwerhörigen mit dem zunehmenden Alter wuchs, und daß die Anzahl derselben in Landschulen geringer war, als in den Stadtschulen. Entgegengesetzt waren dagegen die Ergebnisse der Augen- und Gehöruntersuchungen in der Richtung, daß dort die wohlhabenden Schüler in größerer Anzahl mit Fehlern behaftet waren, hier aber, in Bezug auf die Gehörfehler, die Aermeren die überwiegende Mehrzahl bildeten. Und gar manche dieser Kinder galten für unfähig, andere wurden wegen Unaufmerksamkeit sogar gestraft, nur, wie sich nun herausstellte, weil sie schlecht hörten!

Was soll aber die praktische Lehre aus solchen Untersuchungen sein? Einfach die: daß Eltern sowohl, wie Lehrer in Zukunft auch dem Gehörorgane der Kinder dieselbe Ueberwachung und Aufmerksamkeit widmen, wie sie neuerdings erfreulicher Weise bezüglich des Auges mehr und mehr gang und gäbe werden!

Ist doch ohne Frage ein gutes Gehör für das ganze Lehren, Lernen und Leben ebenso bedeutungsvoll und fördernd, wie ein gutes Auge!

Dr. B. (W.)


Zum fünfundzwanzigjährigen Bestehen der „Schlaraffia“. An einem Stammtische in der primitiv ausgestatteten Gaststube des Brauhauses „Zum Hopfenstock“ in Prag ging es am 10. October des Jahres 1859, also vor rund fünfundzwanzig Jahren, außergewöhnlich laut zu. Die Tafelrunde, zum Theil glattrasirte Charakterköpfe, zum Theil wildbärtige Karyatidenhäupter mit wallendem Lockenhaare aufweisend, hörte einen mit lebhaften Gesticulationen erstatteten Bericht zweier Genossen in größter Aufregung an. Eine geschlossene Gesellschaft in Prag hatte einige zur Aufnahme gemeldete Schauspieler der damals noch vereinigten deutschen und böhmischen Theater in der Ballotage durchfallen lassen. Tiefe Erregung gab sich in dem Kreise der zumeist aus Bühnenmitgliedern, Schriftstellern und Musikern bestehenden Zechgenossen kund, und man beschloß als Gegenzug die Gründung einer eigenen Vereinigung, die alles philisterhafte Element ausschließen solle. Dem Beschlusse folgte sofort die Ausführung, und der Stammtisch that sich als Verein „Prager Schlaraffia“ auf.

Dieser anspruchslose Vorgang bezeichnet den Ursprung des Schlaraffenbundes, einer großen Vereinigung, die sich heute über ganz Deutschland erstreckt, viele Hunderte von Mitgliedern zählt und sich nicht ohne Berechtigung als das Freimaurerthum des Humors bezeichnet. Die Seele, den Kitt dieses so merkwürdig herangewachsenen Bundes bildeten und bilden noch heute die Bühnenmitglieder. Bei dem Nomadenleben, das die meisten von ihnen zu führen gezwungen sind, ist den Schauspielern eine Vereinigung zur Nothwendigkeit geworden, die, wie die „Schlaraffia“, dem von weit her zugereisten Künstler ein gemüthliches Heim in der fremden Stadt bietet und zugleich die Brücke bildet, die ihn zu den künstlerisch und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 715. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_715.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)