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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

unverkennbar von größtem Einfluß auf die vortreffliche Herzens- und Charakterbildung des dereinstigen Kaisers gewesen.

Prinz Wilhelm im dritten Lebensjahre.

In die Obhut solcher Eltern gegeben, mußte die zarte Lebenspflanze des Prinzen Wilhelm sich zu einem glücklichen Frühlingsdasein entfalten. Von welcher sorgenden Zärtlichkeit die ersten Kindertage desselben umhegt waren, ist schon aus dem uns überlieferten Zuge zu erfahren, daß die königlichen Eltern auch nach dem rauschendsten Hoffeste, zu welchem die Etikette sie zwang, niemals zur Ruhe gingen, ohne noch einmal in die Kinderstube zu treten und einen leisen Kuß auf die Stirn der schlummernden Lieblinge zu drücken.

Die thatsächlichen Schilderungen aus den Kinderjahren des Prinzen Wilhelm sind nicht zahlreich. In einem traulichen Erinnerungsbilde, auf welchem der etwa dreijährige Prinz zwischen seinen Eltern auf dem Sofa stehend einen Säbel schwingt, während der Kronprinz sich an das Knie seines Vaters lehnt und die 1798 geborene Prinzessin Charlotte, die nachmalige Kaiserin von Rußland, auf dem Schoße der Mutter sitzt – könnten wir versucht sein, ein Symbol früher Hinneigung des späteren kaiserlichen Helden zum kriegerischen Beruf zu entdecken, wenn wir uns nicht genügen ließen, darin den Ausdruck ungetrübten häuslichen Glücks der königlichen Familie zu erkennen. – Wir wissen, daß die kleinen Prinzen in Begleitung ihrer Mutter wiederholt an Bewirthungen und Weihnachtsbescherungen der Kinder des Berliner Friedrichs-Waisenhauses theilnahmen und daß sie am sechsten Geburtstage des Kronprinzen im Prüfungssaal der Potsdamer Gewerbeschule den fleißigsten Schülern Geschenke reichen und dann mit ihnen festlich essen und spielen durften.

Schon als fünfjähriger Knabe wohnte Prinz Wilhelm seiner ersten Fahnenweihe bei. Königin Luise ließ am 5. April 1802 den Bürgern der Köllnischen Vorstadt, seitdem Luisenstadt genannt, eine neue Fahne überreichen, bei deren Befestigung an der Fahnenstange der Kronprinz den ersten, Prinz Wilhelm den zweiten Nagel einschlug. Nachher nahmen beide Prinzen an dem Festmahl der Bürger Theil.

Den Ueberlieferungen des preußischen Königshauses entsprechend, empfingen die beiden Prinzen mit ihrem Vetter Friedrich, dem Sohne des verdorbenen Prinzen Ludwig, früh Unterricht im Exerciren, und zwar in Potsdam durch den Unteroffizier Bennstein vom damaligen Bataillon Garde und in Berlin durch den Feldwebel Klary vom Regiment Möllendorf. Prinz Wilhelm, obschon in den ersten Kinderjahren vielfach kränkelnd und der schwächste unter den drei Prinzen, scheint gleichwohl der eifrigste bei diesem Studium gewesen und sich allen militärischen Uebungen mit der ihm schon damals eigenen vollen Hingebung an die einmal ergriffene Sache unterzogen zu haben.

Am Weihnachtsabend des Jahres 1803 begrüßte Prinz Wilhelm unter seinen Geschenken mit hellem Jubel eine kleine Uniform nach dem Muster des damaligen Rudorff’schen, früher Ziethen’schen Husarenregiments. Auch der Kronprinz und Prinz Friedrich hatten Uniformen erhaltest; der erstere eine solche der Garde du Corps, der andere eine des Dragonerregiments Kurfürst von Pfalzbayern Nr. 1. Es war eine köstliche Scene, als der König nach geschehener Einkleidung der kleinen Soldaten diese militärisch stramm antreten ließ und sie der freudig erstaunten Königin als „die drei jüngsten Rekruten der preußischen Armee“ vorstellte.

Wie der König früh für die den Körper kräftigende militärische Disciplin der Prinzen sorgte, so war die Königin nicht minder auf die rechtzeitige Ausbildung der geistigen Fähigkeiten derselben bedacht.

Prinz Wilhelm schlägt einen Nagel in die von der Königin Luise den Bürgern der Luisenstadt geschenkten Fahne.

„Allerdings ist es mein heißester Wunsch“ – so hatte sie an Professor Heidenreich in Leipzig auf die Zusendung seines Buches „Grundsätze für Geist und Herz“ geschrieben – meine Kinder zu wohlwollenden Menschenfreunden zu bilden; auch nähre ich die frohe Hoffnung, diesen Zweck nicht zu verfehlen.“

In diesem Sinne hatte sie durch ihr Beispiel von jeher auf die Gemüther ihrer Kinder zu wirken gesucht; in diesem Sinne auch war auf Empfehlung des damaligen ersten deutschen Pädagogen, des Professors Niemeyer, Direktors der Franke’schen Stiftungen in Halle, ihre Wohl des Erziehers der Prinzen auf den bisherigen Rektor der Klosterschule zu Magdeburg, Friedrich Delbrück, gefallen Im Juli 1800 trat dieser sein Amt zunächst bei dem Kronprinzen, später auch beim Prinzen Wilhelm an.

Die erste Censur über die Fortschritte des letzteren im Lesen ist uns in einem im Hohenzollern-Museum aufbewahrten Lesebuche des Prinzen mit dem Titel „Kleine Plaudereien für Kinder,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 179. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_179.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2018)