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verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Umgebung Dresdens unterhalb der Marienbrücke.

gegen den Ruß, der alle Architektur zu Dresden auffrißt, hat der herrliche Park einen schützenden Wall gebildet. Der „Große Garten“ mit weiten Teichanlagen diente den üppigsten Sommerfesten; auch das, Jagdschloß zu Moritzburg erinnert an die luxuriösen Gelage Augusts des Starken; die Abbildung (S. 589) zeigt seine aparte Lage mitten im See, auf welchem der lebenstrunkene Monarch Seegefechte mit venetianischen Gondelfesten abwechseln ließ. Das Bildchen darunter zeigt den Sommersitz des regierenden Königspaares, Schloß Pillnitz an der Elbe, ein etwas wunderliches Gemisch von chinesischer, japanischer und italienischer Bauart. Die obenstehende Abbildung deutet den idyllischen, stellenweise niederländischen Charakter (unterhalb der Marienbrücke) der nächsten Umgebungen von Dresden an. Dieser Charakter ändert sich jedoch von Tag zu Tag mehr, indem namentlich im Westen, also unterhalb der Elbe, ein Fabrik- und Industrieviertel, eine Arbeiterstadt heranzuwachsen scheint. Dresden hat wohl noch immer seinen vornehmen Charakter; es ist die bevorzugteste Stadt der Fremden im Deutschen Reich; Engländer, Amerikaner und Russen bilden hier starke Kolonien, geben ganzen Stadttheilen den Namen und haben, wie unsere Abbildungen zeigen, ihre eigenen Kirchen; Dresden ist auch noch immer die Stadt der Schulen und Pensionate; es ist mit seinen herrlichen Umgebungen und gartengeschmückten Villenvorstädten das Eldorado der Rentiers und auf Pension gesetzten Familien und hat noch vielfach den Charakter eines großen fashionabeln Weltbadeortes; aber der Ruß, der von den vielen Schloten des Plauenschen Grundes und den Westvorstädten als eine wahre Plage über Dresden sich ergießt, die entwickelte Kettenschleppschifffahrt auf der Elbe, die mit ihren dichten Rauchwolken und dem Getöse der Nebelpfeife die Besucher der Terrasse, des Linkeschen Bades oder des Waldschlößchens mitten in der schönsten Bewunderung stört, geben fühlbar zu erkennen, daß Dresden bereits ein wichtiger Schifffahrtsplatz, eine ansehnliche Industriestadt geworden ist. Die sächsische Residenz befindet sich gegenwärtig gleich andern Städten im Reich im Uebergangsprozeß von der großen Stadt zur Großstadt.

Von innen heraus offenbart sich dieser Fortschritt in den grandiosen Durchbrüchen vom Altmarkt zur Ringstraße, von der Moritzstraße über den Johannisplatz zum Großen Garten, sowie in der Umbildung von unansehnlichen Häusern der Altstadt zu großstädtischen Palästen, Magazinen und Kaufhallen. Großartige öffentliche Bauunternehmungen sind bereits im Werke, wie auf der Terrasse, die Erschließung der Ringstraße, oder stehen nächstens bevor, wie die vierte Brücke, die Bebauung des weitschichtigen fiskalischen Areals der Neustadt mit öffentlichen Prachtbauten und imposanten Quai- und Straßenanlagen. Möge die Aera der Durchbrüche der freien Entwickelung auf allen Lebensgebieten eine Gasse bahnen!

Der Georgsbrunnen an der Sophienkirche in Dresden.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1888, Seite 590. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_590.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2018)