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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

heitere Gesellschaft da erhoben hätte; die hohen Spiegel und das Gold der Bilderahmen und Gaskronen durchleuchteten die Dämmerung des Raumes. Ein zweites, drittes Nebenzimmer folgte, alles gleich behaglich eingerichtet – zuletzt betraten sie ein Kabinett mit Bücherschränken und einem breiten Fenstersitze nach dem Walde. „Hier ergänzt ein glückliches Paar die Lücken seiner Bildung, denn sie hatten beide eine schwere Jugend,“ erklärte Waldemar. „Und hier“ – er schob wie zögernd einen schweren Plüschvorhang zur Seite – „hier ist das Heiligthum der jungen Hausfrau – Liebe, liebe Hilde!“ –

Weiter kam er nicht, denn Hilde hatte sich schon von ihm losgerissen und stand mit einem Ausruf des Entzückens in dem halbrunden mäßig großen Raum, durch dessen nur mit Spitzenwolken leicht drapirte Bogenfenster der volle Mond fast tageshell hereinschien. Die schönsten Rosen, sammetartig glühend, schienen aus der lichten Wand hervorzubrechen, dieselben leuchteten zu ihren Füßen auf dem Teppich, blühten und dufteten lebendig in den köstlichsten Gefäßen. Dazu zierlich gedrehte leichte Möbel, Sesselchen und Sofa, Schreib- und Nähtisch, Spiegel mit Konsolen, Ampeln mit zartem, grünem, lustigem Geranke – es war ein Frühlingstraum mitten im Winter.

„Gefällt Dir’s, Liebling?“ fragte Waldemar sehr leise. Es war, als schnüre ihm etwas die Kehle zu; doch auch ihr erstarb das Wort im Munde – vor Schrecken. Sie hörte Thüren gehen – Schritte – in dem stillen Hause wurde es lebendig – Man kam – man kam hierher! Und sie, als Eindringlinge! Es war gräßlich. Schamvoll flüchtete sie an die Brust des Mannes, der sie hierher geführt und der jetzt selbst ein wenig zu erschrecken schien. „Ich hätte Dir es eher sagen sollen, ich –“

Da fluthete auch schon ein greller Lichtschein um sie her und unter der zurückgeschlagenen Portière, den Armleuchter weit in das Zimmer haltend, stand ein weißbärtiger, verwitterter Gesell in langem Dienerrock, hinter dem zwei weibliche Gestalten, eine ältere und eine jüngere, in weißen Küchenschürzen sichtbar wurden. „Da haben wir’s: der Herr Professor!“ rief er ihnen zu. „Und die junge, gnädige Frau!“ flüsterten die Mädchen, die knixend und verlegen näher kamen.

„Und kein Empfang und keine Vorberatung!“ ergänzte der entlarvte „Herr Professor“. „Nicht wahr, die Kränze und Guirlanden liegen noch im Keller?“ lachte er.

„Ja wohl! Und wir, da sitzen wir tief hinten in der Küche und warten auf das Telegramm, und währenddessen –“

„Nicht ’mal den Wagen hat man rollen hören.“

„Weil er nicht gerollt hat,“ tröstete Waldemar. „Und telegraphiren – ging nicht,“ log er lustig. „Die bösen Schneeverwehungen! Ihr wißt –“

Ja, sie wußten, sie hatten in den Zeitungen gelesen und schrecklich Angst gehabt um ihren Herrn Professor und um die junge gnädige Frau. Und wenn sie nur geahnt, daß sie doch heute, am Christabend, noch kämen, so wäre eine gute Mahlzeit hergerichtet, jammerte die Köchin.

„Die große Weihnachtstanne hätte brennen und der Name überm Eingang hätte leuchten müssen,“ brummte Schmidt, der als ehemaliger „Maldiener“ die großen Künstlerfeste hatte „arrangiren“ helfen.

„Schad’ um Ihr großes Transparent da draußen auf der Treppe!“ bemerkte das freundliche Hausmädchen.

Schmidt war versöhnt. „So reden wir es! Mit Erlaubniß. ‚Es lebe unser hochberühmter Meister und sein junges Hausglück! Hoch!‘“ rief er mit einem Meisterstücke von Verbeugung gegen Hilde, die in ihrer Verwirrtheit und Verstummtheit unaussprechlich lieblich aussah.


Endlich waren sie allein. „Sei mir nicht böse, liebe, liebe Hilde!“ bat Waldemar, indem er zärtlich vor ihr niederkniete.

Sie schüttelte den Kopf: „Es war doch eine Täuschung, wenn auch – wenn auch –“

„Eine furchtbar nette, willst Du sagen?“

Da siehe! stand das Lachen und die Freude und die große, große Liebe wie eine Sonne wieder hinter ihren Thränen. Er küßte ihr die letzten aus den Augen.

„Nur eine Weihnachtsüberraschung!“ rief er fröhlich. „Mein erstes Christgeschenk an meine Frau. Das Häuschen, wenn es Dir gefällt, ist Dein. Villa Hildegard steht überm Eingang. Doch mußt Da mich darin mit wohnen lassen. Mein Atelier ist oben. Willst Du’s sehen?“

„Ja, Liebster! morgen!“

„Dann weihe ich Dich ein in meine Kunst, Du kleine Hinterwäldlerin!“

„O Du! Ich bin mehr eingeweiht, als Du wohl denkst. Deine Erstlingsbilder – ich fand sie ganz und gar verstaubt ’mal auf dem Boden – schmückten jahrelang mein stilles Stübchen. Ich habe sie mit eingepackt. Willst Du sie sehen?“

Waldemar fuhr sich mit allen Zeichen eines komischen Entsetzens durch die Haare.

„Ja, Liebste! morgen.“

O dieses „morgen“ mit seiner Perspektive reinster Freuden im Glanz und Glücke eines netten Daseins!


Deutsche Städtebilder.
Hamburg.
(Mit Illustrationen S. 880 und 881 und S. 889).

Aus der alten Freien und Hansestadt Hamburg ist im Monat Oktober so manches Telegramm gekommen, welches das gesammte Deutschland interessirte: am 15. Oktober die Nachricht vom vollzogenen „Zollanschlusse“, am 18. sodann die Kunde von der Beendigung des Nachversteuerungsgeschäftes und Herstellung des freien Verkehrs mit dem Zollvereinsgebiet, und endlich am 29. Oktober die Botschaft von dem begeisterten Empfange, welchen die Hamburger dem Deutschen Kaiser bereiteten, als derselbe unter glänzenden Feierlichkeiten die Schlußsteinsetzung der neuen Freihafenbauten vollzog.

„Zollanschluß“ – dieses vor zwei Jahrzehnten in den Hansestädten gebildete Wort ist erst in neuester Zeit auch anderswo gäng und gäbe geworden. Die rein sprachliche Erklärung würde lauten: „Uebergang der Stadt Hamburg aus der bisherigen Freihafenstellung in die Gemeinschaft des deutschen Zollvereins-Inlandes, unter Beibehaltung eines kleineren, auf den Hafen und einige Strecken am Elbufer beschränkten neuen Freihafens (Zollvereins-Auslandes)“. Der Begriff aber dürfte auch jetzt noch wohl manchem unserer Leser ziemlich dunkel geblieben sein. Die Geschichte ist auch in der That verwickelt. Selbst der deutsche

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 886. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_886.jpg&oldid=- (Version vom 7.5.2019)