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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

also irgendwo im Wald stecken. Aber wo? Am Ende war er gar in Verfolgung seines Diebshandwerkes in einen der Trichter hineingestürzt, vor denen der Förster sich selbst gestern so in Acht genommen hatte. Vielleicht lag er dort irgendwo mit zerbrochenen Gliedern, vielleicht hatte er bei einem solchen Sturze sofort seinen Tod gefunden.

Das alles überlegte der Eisenhans, aber das, was bei der Sache für ihn selbst bedenklich war, kam ihm nicht in den Sinn. Erst der Eintritt des Kuraten gab seinen Gedanken die Wendung, auf welche ein Unbefangener schon von Anfang an leicht kommen konnte.

„Sonderbare Geschichte das, Herr Förster,“ sagte dieser, indem er es unterließ, ihm wie gewöhnlich seine Tabaksdose anzubieten. Dies fiel dem Förster auf und er faßte den geistlichen Herrn schärfer ins Auge. Es entging ihm nicht, daß sich im Wesen seines Besuches eine gewisse Veränderung zeigte.

„Das Weib sagt, es habe gestern gegen mittag, als es den Mann suchen ging, einen oder zwei Schüsse im Walde gehört. Sollte der Luka selber geschossen haben? So viel Verwegenheit hätte ich ihm nicht zugetraut,“ fuhr der Kurat fort.

„Das ist auch nicht nothwendig, Herr Kurat. Denn, der die Schüsse abgegeben hat, war ich und kein anderer.“

Der geistliche Herr schaute verdutzt darein. Wußte er doch, daß jetzt keine Jagdzeit war.

Der Förster begann nun, ihm seine Abenteuer seit vorgestern nachmittag zu erzählen. Dem Kuraten fiel es auf, daß der Eisenhans vorgestern des Luchses keine Erwähnung gethan hatte.

Der Eisenhans aber hatte damals von der Luchsfährte nichts erwähnt, weil das Gespräch vorher auf den Meßner gefallen war. Dann aber war er auch nicht gewöhnt, derlei Entdeckungen auszuplaudern, da er fast nur mit Jägern verkehrte, gegenüber denen er solche Sachen vor dem Erfolge geheim hielt.

„Lassen Sie sich einen guten Rath geben, Herr Förster, “ sagte der Geistliche nach längerem Stillschweigen. „Ihre Magd hat der Barbara erzählt, daß Sie gestern ganz verstört nach Hause gekommen seien. Bedenken Sie die Weiberzungen! Thun Sie jetzt alles, was in Ihren Kräften steht, den Meßner zur Stelle zu bringen!“

Der Eisenhans gab keine Antwort. Es ärgerte ihn, daß sich ein anderer unbefugt in etwas einmengte, was ihn allein anging und wofür er überdies schon Vorsorge getroffen hatte.

Nach einer Weile fragte der Kurat: „Was ist Ihre Meinung?“

„Der Mensch ist ein Lump!“ antwortete der Förster. „Ich habe ihn schon lange im Auge. Und der halb verhungerte Hase, den ich vorgestern aus der Schlinge gezogen habe, würde heute bei dem Sonnenschein ganz sicherlich irgendwo sein Frühstück verzehren ohne den Aasjäger. Aber erbarmen thut er mich doch.“

„Vorgestern haben Sie gesagt, Sie wollten ihn niederschießen,“ unterbrach ihn der Kurat.

Der Eisenhans machte mit den Schultern eine Bewegung der Ungeduld. Dann fuhr er fort:

„Ich fürchte, der Bursche ist gestern wieder hinausgegangen und hat sein gewöhnliches Handwerk getrieben. Ein Nebel war’s, daß man Knödel daraus hätte machen können. Ich selber habe auf jeden Schritt schauen müssen. Vielleicht liegt der Lump zu unterst drinnen in einem Taubenloch.“

„Um Gotteswillen,“ rief der Kurat, „da sollte man doch augenblicklich –!“

Seine Worte wurden durch Hundegebell und Stimmen von Männern unterbrochen.

„Da sind sie ja schon!“ sagte der Eisenhans, indem er dem Geistlichen einen Blick zuwarf, welcher demselben nochmals die Ueberflüssigkeit seiner Rathschläge deutlich machen sollte.

Draußen standen die Forstwarte, und der Eisenhans verabschiedete sich alsbald von dem Kuraten. Auf dem Platz vor dem Forsthause wollte das Weib des Meßners sich den Jägern beigesellen. Der Förster aber duldete das nicht. Er befürchtete einen peinlichen Auftritt für den Fall, daß die Auffindung des Schwerverwundeten oder des Leichnams gelänge.

Der Zug setzte sich nunmehr in Bewegung. Als man bei den großen Tannen angekommen war, wurde beschlossen, daß die drei Männer, denen sich auch noch der Schafhirt zugesellt hatte, mit je zwei Hunden den Wald in verschiedenen Richtungen absuchen sollten. Der Eisenhans selbst behielt sich diejenige vor, auf welcher die Stelle anzutreffen war, wo er die Schlinge gefunden hatte. Dort lag seiner Meinung nach die größte Wahrscheinlichkeit, Spuren des Vermißten aufzufinden.

Während er in dem schmal ausgetretenen Pfad, auf welchem noch die Spuren seines gestrigen Ganges zu sehen waren, sich mühsam fortbewegte, dachte er über das nach, was er eben vom Kuraten zu hören bekommen hatte. Er täuschte sich nicht darüber, daß ein Verdacht auf ihn fallen mußte. Dies machte ihm indessen keine Beschwer. Er war einer von den Leuten, die nichts anficht, solange ihr eigenes Gewissen sie in Ruhe läßt.

Etwas anderes aber war es in Bezug auf Luka, den Meßner, selbst. Es konnte kaum ein Zweifel mehr darüber sein, daß dieser auf irgend eine Weise im Walde verunglückt war. Bei dem Gedanken hieran verschwand der Zorn, den er gegen den Wilddieb hegte. Am Ende steckte derselbe noch lebendig mit zerschmetterten Gliedern in irgend einer Höhlung und wartete, von Schmerzen, Kälte oder Hunger gepeinigt, auf seine Rettung.

Je weiter der Eisenhans in den Wald kam, desto mehr verschwanden die Spuren. Der Sturm hatte an manchen Stellen den Boden rein gefegt, an anderen Berge von Schnee zusammengetragen. Indessen erreichte der Förster die Stelle, an welcher er die Schlinge gefunden hatte, von der noch ein Bruchstück am Baumstamme hing. Es war nichts davon zu sehen, daß die Stelle seither betreten worden war.

So schritt er weiter und weiter; manchmal blieb er stehen und lauschte, ob nicht aus der Ferne Rufe zu vernehmen wären, die einen Fund andeuteten.

Alles blieb still. Er machte sich nunmehr mit dem Gedanken vertraut, daß nichts aufgefunden werden würde. Etwas derartiges war ihm während seiner langen Dienstzeit noch nicht vorgekommen. Was mußte aus dem armen Weibe werden?

(Fortsetzung folgt)




Blätter und Blüthen.

Moltkes Uebertritt aus dem dänischen in den preußischen Militärdienst. Es ist begreiflich, daß der Vorgang, welcher Moltke zu einem Mitgliede der preußischen und später der deutschen Armee machte und unserer Armee damit ihren größten Strategen in diesem Jahrhundert schenkte, der Gegenstand vielfacher Erörterungen geworden ist. Man wußte allerlei Gründe anzuführen, warum der junge Offizier zu diesem Schritte sich entschloß. So wurde gesagt, er sei unzufrieden gewesen, weil er nicht in die Leibgarde gekommen oder weil er überhaupt nicht genügend von seinen militärischen Vorgesetzten anerkannt worden sei; es wurde auch erzählt, daß dänische Offiziere in der Unterhaltung mit deutschen Offizieren über den Grafen Moltke Bemerkungen gehört hätten, als ob sein Austritt aus dem dänischen Heer begleitet gewesen wäre von wenig vortheilhaften Aeußerungen seitens seiner Vorgesetzten, etwas, was selbstverständlich angeführt wird, um einen gewissen Mangel an Urtheilskraft bei allen diesen Vorgesetzten anzudeuten. Der damalige dänische Generaladjutant soll, indem er dem König Friedrich VI. des Lieutenant von Moltke Abschiedsgesuch überreichte, gesagt haben: „Lieutenant von Moltkes Weggang wird kein großer Verlust für das dänische Heer sein.“ – Es dürfte unter diesen Umständen nicht uninteressant sein, das Abschiedsgesuch des damaligen Lieutenants von Moltke nebst den begleitenden Auslassungen des Regimentskommandeurs und des Generalkommandos der Herzogthümer, welche in dem Archiv des dänischen Kriegsministeriums niedergelegt sind, im Wortlaut kennen zu lernen.

Das dänisch geschriebene Gesuch lautet in der Uebersetzung folgendermaßen:

„Allerunterthänigstes Promemoria.

Euer Majestät wage ich die allerunterthänigste Bitte vorzutragen um gnädigen Abschied aus dem dänischen Militärdienst. Da ich hoffen darf, in der preußischen Armee angestellt zu werden und dort eines rascheren Fortkommens als in meiner bisherigen Stellung gewiß zu sein glaube; da ich in diesem Fall gleichzeitig eine Unterstützung von meiner dort lebenden Familie genießen kann, die ich hier entbehren muß, so muß ich eine solche Versetzung wünschen, wenn ich gleich nur höchst ungerne den dänischen Dienst und das Land verlasse, das unter Ew. Majestät väterlichem Scepter so glücklich ist. Diesem meinem allerunterthänigsten Gesuch darf ich noch die Bitte hinzufügen um eine Unterstützung durch eine 3monatliche Gage, um mich im stande zu sehen, die Kosten der Reise zu bestreiten, die für meine beschränkten Verhältnisse sehr drückend sind. Im Vertrauen auf die väterliche Fürsorge, die Ew. Majestät für jeden Ihrer Unterthanen hegen, hoffe ich auf eine gnädige Entscheidung meines allerunterthänigsten Anliegens. Möchte es mir möglich sein, einst die Tüchtigkeit, die ich in fremdem Dienst zu erwerben mir zutraue, zum Besten meines Vaterlandes und Ew. Majestät zu verwerthen.

Altona, den 25. Dezember 1821.

Allerunterthänigst
von Moltke,
Sekondlieutenant im Oldenburgischen Infanterieregiment.“

Auf der linken Seite des Gesuchs steht: „Sekondlieutenant im Oldenburgischen Infanterieregiment Helmut Karl Bernhard von Moltke bittet um gnädigen Abschied aus dem dänischen Militärdienst.“

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_163.jpg&oldid=- (Version vom 3.12.2022)