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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)


Das Gespräch drehte sich, durch Frau Elfriede angeregt und nicht gerade erhebend für die Familie, um den Tod des Major von Tollen und die Lage, in der Frau und Kinder zurückgeblieben. „Seien Excellenz versichert,“ flötete Frau Becker und führte die Serviette an die Augen, gerade als der Diener mit frischer Platte eintraf „wir werden helfen, wo wir können; wozu wären wir denn verwandt mit einander?“

„Sie sind sehr gütig,“ antwortete Lore, „aber im Namen meiner Mutter danke ich, sie wird Ihre Unterstützung auf keinen Fall annehmen!“ Ihre Hand zitterte so, daß der Wein in dem Glase, welches sie mechanisch erfaßte, über den Rand floß.

Eine Verlegenheitspause entstand; es hatte verächtlich geklungen, und rauh war die Stimme gewesen, die sonst so biegsam. Der in veilchenblauen Plüsch gekleidete Diener bot verstohlen lächelnd ein Ragout an. Lore dankte. Man aß schweigend.

Frau Elfriede saß da, roth und zornig. Tante Melitta versuchte möglichst ungeschickt, ein Gespräch in Fluß zu bringen, aber ihre Mittheilung, daß irgendwo ein Eisenbahnunglück geschehen, erwies sich als wirkungslos. Lore blieb zurückgelehnt in ihrem Stuhl und spielte mit einem Bröckchen Semmel. Sie sah entsetzlich bleich aus.

„Wenn Du angegriffen bist, Lorchen, so zwinge Dich nicht; lege Dich doch!“ schlug Tante Melitta vor.

„In der That – Verzeihung –“ stammelte sie, unfähig sich zu beherrschen, und verließ das Zimmer.

Im hallenartigen Flur lag der letzte Tagesschein. Da, wo die große Treppe mündete, stand augenblicklich der Diener vor einer Dame.

„Ich bedaure sehr, gnädige Frau, der Herr ist verreist und die Damen sind gerade bei Tische,“ hörte Lore ihn sagen.

„Kann ich nicht warten?“ klang es gebrochen deutsch, „ich finde in der Dunkelheit so schlecht den Weg. Oeffnen Sie mir das Empfangszimmer und melden Sie mich nach beendetem Diner.“

Der Diener trat zurück, als Lore jetzt wie ein dunkler Schatten aus der Dämmerung des Korridors hervortrat.

„Die Dame wünscht zur gnädigen Frau,“ meldete er.

„Nicht doch! Frau Becker möchte ich in einer Angelegenheit sprechen,“ sagte die Fremde, die neben sich ein Kind, einen kleinen Jungen hatte, der sich dicht an sie schmiegte.

„Mich? – oder meine Schwiegermutter?“ fragte Lore müde.

„Frau Becker!“ wiederholte die Fremde stockend; und da in diesem Moment der flammende Kandelaber an der Treppe aufleuchtete, sah Lore in ein junges Frauengesicht, dessen Augen sie mit erstauntem Ausdruck anstarrten.

„Ganz recht, da werden Sie meine Schwiegermutter meinen,“ antwortete Lore. „Aber wollen Sie nicht – –“

„Die Mutter von Adalbert Becker –“ stieß die Dame hervor.

„Ja! Aber wollen Sie nicht bei mir oben so lange warten? Meine Schwiegermutter hat Gäste, und –“

„Sie sind – mein Gott, Sie sind –“

Lore fühlte sich am Arm gepackt, wie Eisenklammern hielten die schlanken Finger der Fremden sie fest. „Sie sind die Braut von Adalbert Becker?“ flüsterte es fast versagend neben ihr.

„Die Braut? Nein, seine Frau! … Aber mein Gott!“ schrie Lore erschreckt. Die Fremde wankte plötzlich und faßte nach dem schmiedeeisernen, zierlich mit Laubwerk umgebenen Pfeiler des Treppengeländers und lehnte da wie zusammengebrochen mit einem irren, entsetzten Ausdruck in den Zügen.

„Seine Frau? Seine Frau? Das ist nicht wahr!“ stieß sie hervor, „das ist einfach nicht möglich!“

„Mama, komm!“ bat das Kind.

Lore stand rathlos. Sie strich sich über die schmerzende Stirn. Was sollte das sein? „Kommen Sie mit nach oben, ich bitte Sie!“ flüsterte sie voranschreitend.

Die Fremde raffte sich zusammen und folgte ihr.

(Fortsetzung folgt.)




Wie erkennen und verbessern wir schlechte Zimmerluft?

Von Professor Dr. A. Wolpert.
II.
Der richtige Feuchtigkeitsgehalt der Zimmerluft und Feuchtigkeitsprüfer alter und neuer Zeit.

In einem feuchten Zimmer wohnt niemand gern, und doch wird, besonders bei den neueren Heizungsarten, viel über Trockenheit geklagt und auf Mittel gesonnen, die Zimmerluft zu befeuchten. Manche trockne, gesunde Wohnung wird so zu einer feuchten, ungesunden gemacht.

Da die Fähigkeit der Luft, Wasser aufzunehmen und aufgelöst zu halten – die Feuchtigkeitskapacität der Luft – mit der Erwärmung wächst, so geschieht es im Winter oft, daß die in einem kalten Zimmer nahezu mit Feuchtigkeit gesättigte Luft, nachdem sie durch Heizen erwärmt wurde, trocken befunden wird. Diese Veränderung tritt besonders da hervor, wo mit der Heizung reichlicher Luftwechsel verbunden ist, weil dann die durch Athmung und Ausdünstung der Bewohner und andere Ursachen, namentlich durch Aufnahme des vorher von den wasserziehenden Möbeln und Umgrenzungskörpern des Zimmers absorbirten Wassers, befeuchtete Luft abgeführt und durch trocknere Luft ersetzt wird.

Bei mangelndem oder geringem Luftwechsel steht der durch Erwärmung entstehenden Verminderung der relativen Feuchtigkeit (Verhältniß der in einem Raume gasförmig vorhandenen Wassermenge zu der bei gleicher Temperatur möglichen Sättigungsmenge) aus den genannten Feuchtigkeitsquellen eine solche Zunahme der absoluten Feuchtigkeit gegenüber, daß die Zimmerluft gewöhnlich feucht genug, oft sogar zu feucht ist.

Eine nahe liegende Folge dieser Verhältnisse ist es, daß man den neueren Heizungen mit ausgiebigem Luftwechsel, namentlich der Luftheizung als derjenigen Heizmethode, welche bei der üblichen unvollkommenen Einrichtung das Erwärmen der Zimmer nicht anders als mit beständigem Luftwechsel gestattet, den mitunter auch gerechtfertigten Vorwurf gemacht hat, die Heizung bewirke zu starke Austrocknung der Zimmerluft. Auf diesen Vorwurf hat man die Forderung gegründet, die Luftheizung aus öffentlichen Gebäuden, namentlich Schulen, zu beseitigen, obgleich seit Jahren in der Regel so umfangreiche Einrichtungen für Wasserverdampfung in den Luftheizkammern oder Heizkanälen und in den Zimmern selbst angewendet werden, daß man häufiger über zu große Feuchtigkeit als über zu große Trockenheit zu klagen Grund haben könnte. Ein lästiger Reiz auf die Schleimhäute des Athmungsorgans kann wohl durch Einathmung zu trockner Luft entstehen, nicht minder aber auch bei genügend feuchter Luft durch Einathmung von Erzeugnissen der trocknen Destillation, die bei mangelhaft ausgeführten oder schlecht bedienten Heizungsanlagen aus dem auf diesen abgelagerten Staube entwickelt werden.

Die Ansichten darüber, welchen Feuchtigkeitsgrad die Zimmerluft haben soll, sind sehr verschieden. Von wissenschaftlicher Seite ist eine Norm dafür noch nicht festgestellt, obwohl Männer der Wissenschaft ihre Meinungen darüber mehrfach ausgesprochen haben.

Ohne Zweifel ist es eine Bedingung unseres Wohlbefindens, daß wir fortwährend durch Athmung und Ausdünstung eine weder zu große noch zu kleine Wassermenge ausscheiden. Sehr trockne Luft kann dem Körper zu viel Wasser entziehen, sehr feuchte Luft nimmt zu wenig von ihm hinweg. Daher liegt die Annahme nahe, daß die etwa zur Hälfte mit Feuchtigkeit gesättigte Luft am angenehmsten und gesündesten sei. Dafür erklären sich denn auch mit ziemlicher Uebereinstimmung die meisten Physiologen; doch finden sich auch beachtungswürdige Stimmen, die bedeutend davon abweichen, und zwar nach der Richtung der Feuchtigkeit sowohl wie nach der der Trockenheit.

Das erklärt sich theilweise aus der Verschiedenheit der individuellen Empfindung, beziehungsweise der Geneigtheit zum Schwitzen, theilweise aus unrichtigen Angaben oder unrichtiger Benützung der zur Messung der Feuchtigkeit dienenden Vorrichtungen,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 186. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_186.jpg&oldid=- (Version vom 3.5.2021)