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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Körper ausreichenden Schutz zu verleihen, nicht gerade einfach genannt werden kann. Einige Frauen, die wir am Munifluß sahen, waren ähnlich den Fetischweibern des Togolandes über und über mit Kaurimuscheln behängt. Andere hatten wegen der Trauer um einen kürzlich verstorbenen Häuptling ihren Körper mit gelbgrüner Erde beschmiert, was ihren Gestalten etwas Unheimliches und beinahe Gespensterhaftes verlieh. Die Männer trugen, ausgenommen einige Stutzer, die sich mit den Fellen junger Leoparden und wilder Katzen geschmückt hatten, sämmtlich bloß Hüftentücher. Einige hatten ihren Kopf nach Art der Muhammedaner rasirt, andere hatten sich eine regelrechte Tonsur und wieder andere hatten sich eine Frisur im Stile der Pompadour zugelegt. Lanzen, Bogen und Pfeile habe ich nicht gesehen, wohingegen man fast niemals einen erwachsenen Mpangwemann trifft, der nicht sein geladenes Gewehr in der Hand hielte. Ihre kurzen, nach Art der altrömischen geformten Schwerter tragen die Mpangwes ebenso wie die meisten übrigen Neger entweder an einer kurzen, über den Oberarm gestreiften Schnur oder an einem schärpenartigen Riemen; in beiden Fällen hängt die Klinge nicht etwa an der Hüfte, sondern an der linken Seite der Brust. Als besondere Sehenswürdigkeit zeigte man uns einen blitzartig gewundenen, mit einer Schnur zum Umhängen versehenen Messingstab, welcher denjenigen, der ihn trage, unverwundbar mache. Derjenige Vertreter der Mpangwe, welchen unsere Abbildung zeigt, trägt eine offenbar nur für friedliche Zwecke bestimmte Ausrüstung, Stab, Messer und Trinkflasche.

Trotz der Fremdartigkeit des Aufputzes findet man viele freundliche und bisweilen sogar hübsche Gesichter, die zu den landläufigen Erzählungen von der Wildheit der Fan einen schreienden Gegensatz bilden. Die jungen Mädchen haben bisweilen überaus milde Gesichtszüge, mit denen ihr schüchternes und doch wieder zutrauliches Wesen vollkommen im Einklang steht. Wie überall in Westafrika, so sind auch hier die älteren Frauen von wahrhaft erschreckender Häßlichkeit. Ein besonderes Interesse zeigten die Leute, wie ich das auch anderwärts in Westafrika beobachtet habe, für Farbe und Beschaffenheit unseres Haars. Unsere Frage, ob sie uns nicht einen von ihnen (die Fan stehen in dem Rufe, Menschenfresser zu sein) zum verspeisen geben wollten, erregte außerordentliche Heiterkeit. Scherzend erwiderten sie, sie hätten nichts dagegen, wenn wir ihnen zum Entgelt den Kapitän unseres Dampfers, der gemäß seiner Körperfülle einen guten Bissen abzugeben versprach, ausliefern wollten. Scheu waren die Leute durchaus nicht. Namentlich die Männer kamen sofort zu uns, um uns die Hand zu schütteln. Die Weiber und Mädchen kicherten dagegen und zeigten eine gewisse kokette Furcht, wie man das häufig bei Negerinnen zu finden pflegt. Unsere untere Abbildung auf S. 257 läßt uns einen Blick in das Innere einer Fanhütte thun, vor welcher, nicht ohne Gefühl seiner Würde, der Hausherr seinen Sitz eingenommen hat.

Die Fan besitzen genau dieselben aus einem cylinderförmigen inwendig ausgehöhlten Stück Holz bestehenden Trommeln, wie sie zu der hochentwickelten Signalsprache der Dualla verwandt werden. Aber die Trommelsprache selbst, deren Gebiet sich von Kamerun aus in südlicher Richtung bloß bis Malimba erstreckt, ist den Fan völlig unbekannt.

Unzweifelhaft sind die Fan nicht bloß das mächtigste und zahlreichste Volk in dieser ganzen Gegend, sondern auch an Kriegstüchtigkeit und persönlichem Muth den Küstenstämmen weit überlegen. In politischer Hinsicht werden sie aber voraussichtlich schon deshalb nicht gefährlich werden, weil die einzelnen Stämme stets unter sich in Fehde liegen. Die Fan verdrängen wohl andere Negerstämme, aber bloß um in deren Rolle einzutreten, nicht um mächtigere Staatswesen zu gründen, als es die früheren gewesen waren.




Der Spuk von Resau.

Es war im November vorigen Jahres, da geschah es, daß in dem kleinen, nur wenige Häuser umfassenden Orte Resau in der Mark die Schweine des ehrsamen Büdners Böttcher, während er mit seiner Frau das Abendbrot verzehrte und sein etwa 15jähriger Dienstknecht Karl Wolter ab und zu ging, plötzlich aus dem Stalle entliefen, trotzdem der Stall von dem Besitzer selbst vorher eigenhändig zugebunden worden war; desgleichen die acht folgenden Abende, ohne daß es dem Betroffenen gelungen wäre, diese höchst auffallende Erscheinung klar zu legen, welche erst aufhörte, als ein solides Schloß an Stelle des Strickes die Stallthür verwahrte.

Das war aber nur das Vorspiel; es kam noch besser. Am 13. November abends, als die Böttcherschen Eheleute und ihr Dienstknecht Wolter sich eben zur Ruhe begeben und das Licht ausgelöscht hatten, da begann es plötzlich in dem an das Böttchersche Wohngelaß anschließenden Alkoven an der Wand, an der das Bett der Frau und das des Karl Wolter stand, heftig zu klopfen. Erschreckt machte der Büdner, dessen Bett in dem Wohngelaß stand, Licht und untersuchte, was da geklopft, fand aber nichts; da es ihm unheimlich geworden war, so sandte er den Wolter hinüber zu dem jenseit des Flurs wohnenden Gemeindevorsteher Neumann, um denselben zum Zeugen für das räthselhafte Klopfen zu gewinnen; Wolter verläßt das Zimmer – das Klopfen geht weiter!

Neumann erscheint und Wolter legt sich wieder in sein Bett – da, richtig klopft es auch wieder an der Wand, an der das Bett des Wolter steht. „Was ist denn das?“ ruft der energische Ortsvorsteher, und als wäre dem Klopfgeist das Machtwort der weltlichen Obrigkeit in die Glieder gefahren, hält er alsobald inne mit seiner Thätigkeit, um sie erst nach einiger Zeit wieder aufzunehmen.

Am nächsten Tage wurde die Sache noch ärger. Erstlich trafen verschiedene Steine die Fenster und Fensterladen des Gemeindevorstehers, nicht ohne daß der Dienstknecht Wolter in der Gegend, aus der die Steine kamen, irgend eine unverfängliche Hantierung hatte. Des Abends aber – die Frau Böttcher und Wolter lagen bereits in ihren Betten und eben schickte sich auch der Mann an, in das seinige zu schlüpfen – schwapp, da flogen die Pantoffeln des Karl Wolter, die vor dessen Bett gestanden hatten, von unsichtbarer Hand geworfen gegen den Kachelofen im Zimmer; die Kleidungsstücke des Wolter, ursprünglich auf einem Stuhl, sahen sich plötzlich auf das Bett der Frau geschleudert, Kartoffeln, Kohlrüben und ein Schinkenknochen sausten durch die Luft, zuletzt auch noch ein Stiefelknecht. Abermals ward alles abgesucht, sogar unter die Betten und unter das Sofa stöberte Böttcher mit einem großen Besen, aber niemand wollte sich finden, der die sonst so harmlosen Gegenstände geschleudert haben konnte; denn der Dienstknecht Wolter lag ja in seinem Bette und war ein „guter Junge“ und außerdem verwandt mit der Frau, ihr Großneffe, und seine Mutter war im Hause aufgewachsen. So blieb denn den unglücklichen Bauersleuten nichts übrig, als zähneklappernd ins Bett zu kriechen und die Decke über den Kopf zu ziehen.

Nun kam der 15. November und da ging es schon in der Frühe an mit dem Fliegen von Kartoffeln, Kohlrüben, Schinkenknochen etc., so daß der geängstigte Büdner schließlich auf den Rath des Neumann die Mutter des Karl Wolter nach Bliesendorf zu dem Pastor Müller schickte, damit er komme und nach der Sache sehe. Pastor Müller, dem die Frau Wolter die Schrecknisse der vergangenen Tage genau berichtete, machte sich alsbald auf nach Resau und – nun müssen wir ihn selbst erzählen lassen:

„Kaum hatte ich die Wohnstube der Böttcherschen Eheleute betreten, als ich einen Knall hörte, der aus einem Milchregal kam, das sich zu meiner Linken befand. Ich fragte Böttcher, woher der Knall komme, und erhielt die Antwort, das sei nichts Neues, in jener Gegend klopfe es häufig, ohne daß man den Klopfer bemerken könne. Ich setzte mich zwischen Bett und Fenster auf einen Stuhl, die Böttcherschen Eheleute standen an meiner Seite, Wolter mir schräg gegenüber an dem Ofen. Ich hielt meine Augen auf das Milchregal gerichtet und sah, daß die Milch in einer Satte (Napf) aufschlug, als ob ein harter Gegenstand hineingeworfen würde. Ich ließ Böttcher nachsehen, was es war, und es stellte sich heraus, daß eine Kartoffel in die Satte geworfen worden war. Gleich darauf flog eine Kartoffel gegen meinen linken Oberarm. Jetzt wurde mir die Sache bedenklich, und da die Böttcherschen Eheleute sehr unglücklich waren, so griff ich zum Gesangbuch und tröstete sie aus demselben. Da fühlte ich plötzlich eine leise sanfte Berührung in meinem Nacken, ich wandte mich um, und da machte ich zwei Wahrnehmungen, die mich aufs höchste in Bestürzung und Verwunderung setzen mußten. Die Berührung kam von einer eisernen Pfanne her, die kurz vorher vor mir auf dem Ofengesims gestanden hatte. Die Pfanne schwebte frei in der Luft, sie muß, während ich ins Gesangbuch blickte, über meinen Kopf hinweggeschwebt sein. Sie schwebte langsam an meiner linken Körperseite vorbei und legte sich leise, aber doch hörbar, auf den Fußboden zu meinen Füßen nieder. Gleichzeitig sah ich, daß ein Blechmaß frei in der Luft neben dem vor mir stehenden Böttcher schwebte, und ebenso sah ich, daß plötzlich ein Blechtrichter auf dem Fußboden lag, der ohne äußere Ursache eine halbkreisförmige Bewegung machte. Währenddem sausten immer noch Kartoffeln durch die Luft, ich stand auf, und während ich mit Böttcher sprach, hielt ich meinen Schlapphut, um mich gegen das Getroffenwerden zu schützen, gegen meine linke Gesichtshälfte. Plötzlich fühlte ich einen ziemlich starken Schlag gegen den linken Unterkiefer, dessen Wucht durch den vorgehaltenen Hut gemildert worden war. Neben mir fiel ein Schinkenknochen, das Wurfinstrument, zur Erde. ‚Wo hat der Knochen gelegen?‘ fragte ich Böttcher und erhielt die Antwort: ‚In jenem Spinde‘. Ich war starr. ‚Gegen diese Mächte können wir nicht kämpfen, da bleibt uns nur übrig, zu beten,‘ sagte ich zu den Anwesenden, und dann betete ich mit ihnen.“

Soweit der Pastor Müller über den Hergang. Er will während desselben die Bewegungen des Karl Wolter stets im Auge gehabt haben, traut diesem überhaupt derartige „Tollheiten“ gar nicht zu; die Vorsichtsmaßregel hat er übrigens nicht angewendet, einmal alle anwesenden Personen sammt dem Karl Wolter auf Wurfweite vom Hause wegzuschicken und dann den Spuk zu beobachten.

Wir können die Erzählung damit schließen und haben nur noch hinzuzufügen, daß verschiedene andere Zeugen mehr oder minder deutlich den Karl Wolter über Wurfbewegungen ertappten, daß dieser nachgewiesenermaßen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 258. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_258.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)