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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

ausgezeichneter Kopf, und dies mußte ihm bei seiner Stellung den wichtigsten Einfluß auf die Geschicke Englands sichern. Mit seltenem Freimuth bespricht er die Weltlage, die europäischen Kabinette und ihre Leiter. Die mitgetheilten Briefe des Kaisers Napoleon sind zwar von Interesse, rücken aber den Charakter desselben nicht gerade in neue Beleuchtung. Wohl aber lassen die Aufzeichnungen des Herzogs über seine Begegnungen mit dem Kaiser manches interessante Licht auf diesen fallen. Ueber keinen öffentlichen Charakter gehen die Ansichten so auseinander wie über Napoleon III.; man besinnt sich, daß Fürst Bismarck im Reichstage gelegentlich keine allzuhohe Meinung von der geistigen Bedeutung des Kaisers aussprach. Der Herzog ist gänzlich anderer Ansicht: er erklärt sich gegen das so sehr verbreitete ungünstige Urtheil über dessen Begabung. „Nicht daß er suchte, über einen Gegenstand sofort prägnante Worte auszusprechen, aber jede interessante Seite desselben, die berührt wird, ruft auf seinem sonst unbeweglichen Gesicht eine Veränderung hervor, die das lebhafte Interesse zeigt, das in ihm rege wird. Er äußert sich dann natürlich und verständig, mitunter geistreich, immer ohne Phrase und Deklamation. Richtig dagegen ist es, daß er eine sehr langsame Art zu denken hat und daß man leicht den Eindruck empfing, als wüßte er nur schwer zu begreifen.“ Die Aufzeichnungen aus dem Jahre 1854 schließen mit den prophetischen Worten: „Diese Züge, die nur wesentlich günstige Seiten hervorheben, mögen dazu dienen, dem Ungünstigen, was die Geschichte liefert, eine Beschränkung zu geben. Jedenfalls ist der Kaiser ein außerordentlich organisirter Mensch. Das verkannt zu haben ist der Fehler und zugleich das Unglück seiner Gegner in Frankreich und auf den Thronen gewesen. Er hegt unzweifelhaft große Entwürfe; wenn er zunächst als ein Vertheidiger der europäischen Freiheit auftritt, so wird sie vielleicht noch einmal gegen ihn vertheidigt werden müssen. Für Deutschland kann er viel gefährlicher werden, als es sein Onkel war.“

In Deutschland selbst war der Herzog unermüdlich thätig, ein Gegengewicht gegen das damalige Regierungssystem herzustellen und für nationale Zwecke zu wirken. Der von ihm gestiftete litterarisch-politische Verein, für welchen besonders Gustav Freytag thätig war, der Vorgänger des Nationalvereins, legte in jener Epoche Zeugniß ab für solche hochherzige Bestrebungen. Niemand wird jetzt die Rolle, welche der Herzog in der europäischen Politik spielte, unterschätzen, aber unser deutsches Volk wird ihm von Herzen Dank dafür wissen, daß er in einer Zeit unseligster Zersplitterung den Glauben an die Zukunft des Vaterlandes nicht verloren und eine Fahne hochgehalten hat, um welche jetzt sich das geeinigte Deutschland sammelt.

Neues vom Kommabacillus. Professor Löwenthal, früher in Lausanne, jetzt in Paris thätig, stellte neuerdings bemerkenswerthe Versuche an, deren Ergebniß auch dem Laien einen Einblick in die Geheimnisse der Heilkunde gestattet und ihm namentlich zeigt, wie man nach Heilmitteln in wissenschaftlicher Weise sucht. Cholerabacillen, die längere Zeit in den üblichen Nährmitteln wie Fleischbrühe, Gelatine etc. gezüchtet werden, verlieren ihre Giftigkeit und werden den Versuchsthieren – weißen Mäusen – völlig unschädlich. Professor Löwenthal wollte nun diese unschädlichen Bacillen wieder schädlich machen, sie veranlassen, ihr specifisches Gift wieder zu erzeugen. Es gelang ihm dies auch, nachdem er sie in den „Löwenthalschen Brei“, ein Gemenge von Schweinefleisch, Schweinepankreas, Bohnenmehl, Pepton, Traubenzucker und Kochsalz, gebracht. Welcher Stoff in diesem Ragout hatte nun die Eigenschaft, die Bacillen so unvortheilhaft umzustimmen? Nach vielem Hin- und Herprobiren fand der Gelehrte es endlich heraus: der Pankreassaft, das heißt der Saft der Bauchspeicheldrüse, war der Stoff, ohne dessen Gegenwart der Cholerabacillus sein besonderes Gift nicht hervorbringen konnte. Nun forschte Professor Löwenthal nach einem Stoff, der diese Beihilfe des Pankreassaftes aufheben würde, und er fand ihn in dem 1886 vom Professor von Nencki hergestellten Salol, einer Verbindung von Salicyl- und Karbolsäure. Schon 1 Prozent Salol in dem Brei macht die Entwicklung der Cholerabacillen in dem oben angedeuteten schädlichen Sinne unmöglich. Da man nun Salol als Medizin innerlich einnehmen kann, so liegt die Vermuthung nahe, daß Salol ein Vorbeugemittel gegen die Cholera sein könnte. Professor Löwenthal selbst fügt aber mit Vorsicht hinzu, daß dieser im Laboratorium gemachte Versuch erst in wirklichen Cholerafällen auf seine Richtigkeit geprüft werden muß. Es sollen auch demnächst in Indien oder Tonkin damit Versuche gemacht werden.

Wie auch das Endergebniß ausfallen mag, aus diesen Mittheilungen ersehen wir, daß die moderne Wissenschaft rastlos im Dienste der Menschheit arbeitet, und dies bestärkt uns in der Hoffnung, daß mit der Zeit auf die Entdeckung der Verursacher der Seuchen deren gründliche Vernichtung folgend werde. *

Für Gärtner und kleine Landwirthe, namentlich in der Nähe größerer Städte, ist es bekanntlich von Wichtigkeit, ihre Bodenerzeugnisse möglichst früh im Jahre zur Reife und auf den Markt zu bringen, da die Erstlinge stets höher im Preise stehen als die späteren Früchte. Wem die Verhältnisse es gestatten, der kann durch Frühbeete zeitige Produkte erzielen, aber auch auf viel einfachere Weise ist für manche Gartengewächse dasselbe Ziel zu erreichen. Die vielbegehrten frühen Gurken z. B. erhält man, wenn man im April die Kerne in feuchte, wollene Lappen wickelt und an einem mäßig warmen Ort aufbewahrt. Die Keime entwickeln sich schon nach wenigen Tagen und werden dann in das freie Land auf Pferdedung gebracht, oder man pflanzt sie in Töpfe, welche ebenfalls in einem nicht zu warm gehaltenen Zimmer aufgestellt werden, damit die jungen Pflanzen beim Versetzen in die Beete nicht zu empfindlich sind. Letzteres geschieht, wenn sich das dritte Blatt zeigt, und zwar stülpt man die Töpfe mit der Erde um und bringt die Triebe mit dieser in den Boden. Bei eintretender Dunkelheit bedeckt man die jungen Pflanzen mit Blumentöpfen, die man des Morgens wieder entfernt, was so lange fortgesetzt werden muß, bis keine Nachtfröste mehr zu erwarten sind. Auf diese Weise erhält man sehr früh marktfähige Gurken.

Ganz in derselben Weise verfährt man mit den Bohnen, welche wie Gurken gegen Frost sehr empfindlich sind. Bei beiden Früchten wird die kleine Mühe durch reichlichen Ertrag belohnt.




Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

N. F. in W. Wir sind mit Gedichten so sehr überhäuft, daß wir Ihr gefälliges Anerbieten mit Dank ablehnen müssen.

J. D. in Böhmisch-Leipa. Sie fragen, bezugnehmend auf den Artikel von Maximilian Harden in Nr. 2 des laufenden Jahrgangs der „Gartenlaube“, ob sich das Fremdwort „Reklame“ nicht vollständig durch ein einheimisches Wort ersetzen lasse, und schlagen als solches „Anpreisung“ vor. Gewiß, in vielen Fällen wird Ihre Verdeutschung vollkommen zutreffend und ausreichend sein. Sie findet sich auch unter den Übersetzungen, die Otto Sarrazin in seinem Verdeutschungswörterbuch (2. Aufl. Berlin 1889) aufführt. Sarrazin nennt außerdem noch Marktschreierei, marktschreierische Anzeige, Anzeigeschwindel, lärmende Ankündigung, Lärm, Geschrei, Geräusch, Klapperei, das Klappern. Aber eine Seite des Begriffs der Reklame geben alle diese Verdeutschungen nicht wieder, diejenige, durch welche sie in der That zur „schwarzen Kunst des 19. Jahrhunderts“ wird. Die Reklame tritt nicht bloß auf in der pomphaften Toga oder in der grellen bunten Hanswurstjacke. Zuweilen schleicht sie auch geräuschlos auf den Socken, stiehlt sich auf allerlei Hinterthürchen und -treppchen bis zu Ohr und Auge. Statt aller theoretischen Auseinandersetzungen kann Ihnen vielleicht eine Anekdote dienen. Man erzählt, dem amerikanischen Dichter Longfellow habe einmal irgend ein amerikanischer Pillenfabrikant die hübsche Summe von 3000 Dollars angeboten, wenn er, Longfellow, in seinem nächsten Romane die Pillen des Auftraggebers nur mit einem Wort, ohne jeden lobenden Beisatz, sondern nur überhaupt erwähne. Angenommen, Longfellow wäre darauf eingegangen – gewiß that er das nicht – hätte er die Pillen seines Landsmanns „angepriesen“? Doch wohl nicht – und trotzdem hätte er „Reklame“ für sie gemacht.

T. E. in Quedlinburg. Nein, so kann man unmöglich sagen. Die einzig richtige Form ist: „Das geht Dich nichts an.“

H. in B. Krokodile werden in Afrika nicht nur gegessen, sondern mitunter auch gezüchtet. Stanley berichtet darüber vom Oberen Kongo Folgendes: „In Lukolela betrachtet man die Züchtung von Krokodilen als eine sehr gewinnbringende Beschäftigung. Entdecken die Eingeborenen ein Nest, so nehmen sie die Eier heraus und vergraben sie an einer ungestörten Stelle in den Sand; sobald die Jungen die Schale zerbrechen und auskriechen, werden sie in einen mit einem Netz überspannten Teich gesetzt, in welchem sie gefüttert werden, bis sie ein gewisses Gewicht und eine bestimmte Größe haben, um dann an Markttagen verkauft zu werden.“

M. St. in Darmstadt. Der Name „Alma“ ist allerdings wie noch mancher andere erst in neuerer Zeit eingebürgerte in den Kalender nicht aufgenommen. „Alma“ stammt aus dem Lateinischen, wo es die „Nährende“ bedeutet, und war ursprünglich ein Beiname der Ceres und anderer fruchtbarkeitspendender Erdgöttinnen.

H. W. in Kaichen. Sie wünschen zu wissen, wie es sich erklärt, „daß bei Sonnenaufgang die Kälte am intensivsten während des Tages auftritt“? Die Auskunft ist kurz die folgende: Wenn die Erde von der Sonne nicht beschienen wird, so strahlt sie Wärme aus. Der Höhepunkt der Ausstrahlung wird selbstverständlich beim Sonnenaufgang erreicht, denn von diesem Augenblicke an empfängt die Erde wieder Wärme. Dies trifft jedoch nur dann zu, wenn die atmosphärischen Ursachen, welche die Witterung bedingen, sich während der zu beobachtenden Zeit gleich bleiben. Aendert sich z. B. die Windrichtung und bringt die neue Luftströmung wärmere Massen mit sich, so kann es am Morgen wärmer sein als am Mittag oder Abend.


Inhalt: Nicht im Geleise. Roman von Ida Boy-Ed (Fortsetzung). S. 261. – Die Schwalben sind wieder da! Illustration. S. 261. – ’s Leibliedl. Illustration. S. 265. – Klaus Groth. Von Eugen Wolff. S. 267. Mit Porträt S. 268. – Friedrich von Bodenstedt. Von Rudolf v. Gottschall. Mit Porträt. S. 269. – Lore von Tollen. Roman von W. Heimburg (Fortsetzung). S. 270. – Die Samoainseln. S. 273. Mit Abbildungen S. 273 und S. 274. – Die Wahl des Berufes. Von Dietrich Theden. S. 274. – Blätter und Blüthen: Denkwürdigkeiten des Herzogs Ernst von Sachsen-Coburg-Gotha. S. 275. – Neues vom Kommabacillus. S. 276. – Für Gärtner und kleine Landwirthe. S. 276. – Kleiner Briefkasten. S. 276.


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Stuttgart, im April 1889. J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 276. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_276.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)