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verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Blätter und Blüthen.

Deutschlands merkwürdige Bäume: Alte Linde auf dem Schloßwalle zu Pyrmont. (Mit Abbildung S. 277.) Der Erdboden zu Pyrmont, aus welchem blutstärkendes und blutbildendes Wasser hervorquillt, scheint auch den Pflanzen, namentlich den Bäumen, besonders zuträglich zu sein. Das überaus kräftige Grün zeugt davon und das Alter vieler mächtiger Stämme, welche die herrlichen Alleen und Parkplätze zieren. Eine Linde auf dem Schloßwalle thut sich besonders hervor; lustig ist sie durch Jahrhunderte fortgewachsen, ohne bis jetzt einen Abgang an Kräften zu zeigen, wenn nicht die zum Theil unverhältnißmäßig langen und dabei nach den Spitzen zu ungewöhnlich dünnen Ausläufer der Aeste dahin zu deuten sind. Diese lose herunterhängenden, dem Greisenhaare vergleichbaren Zweige würden gewiß noch ausgebreiteter auf der Erde lagern, wenn nicht die Hauptäste, von welchen sie kommen, mit Ketten und Krampen aneinander geschlossen wären; man bemerkt indeß kaum etwas davon. Der Stamm des gewaltigen Baumes hat einen Umfang von über 7 Meter.

Der Schloßwall soll sehr alt sein. Schon im Mittelalter bestand das mit Kasematten versehene fürstliche Schloß und hat verschiedene Belagerungen ausgehalten. Unter dem Laubdache haben viele Geschlechter geruht: gepanzerte Ritter und ihre Frauen und der Troß ihrer Hörigen; Landsknechte und Soldaten aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges; dann gelehrte Männer, das Zöpfchen im Nacken, gepuderte und geschminkte Damen; Friedrich der Große und seine Begleiter, Goethe, ja so ziemlich alles, was die neuere Zeit in Deutschland an hervorragenden Männern und Frauen aufzuweisen hat; dazu viele Gäste aus fremden Landen.

Allem Anscheine nach wird der uralte Lindenbaum noch lange fortgrünen, wenn neuer Geschlechter Erinnerungen unseres Heute als einer verblaßten Vorzeit gedenken. Robert Geißler.

Frithjof bei König Ring. (Zu dem Bilde S. 280 und 281.) Auf seinem Bilde zeigt uns Ferdinand Leeke, wie der tapfere Nordlandssohn Frithjof, der Held der vielgefeierten und in Deutschland durch zahlreiche Uebersetzungen eingebürgerten schwedischen Dichtung Tegnérs, bei König Ring erscheint, der Frithjofs Geliebte, Ingeborg, als Gattin heimgeführt hat; sie folgte gehorsam dem Willen ihres Bruders, dem sie dadurch Krone und Reich rettete.

Wir sehen den König auf dem Hochsitz thronen, während Ingeborg auf seinen Wunsch dem Gast, welcher sich als Frithjofs Freund ausgegeben und erklärt hat, ihn gegen eine Welt beschirmen zu wollen, das Trinkhorn reicht:

„Der König lacht’ und sagte: ‚Das heißt gelockt zum Streit;
Doch frei ist jede Rede, wo König Ring gebeut.
Gieß’ Wein ins Horn ihm, Kön’gin, den besten, den du hast,
Der Fremdling, will ich hoffen, ist unser Wintergast.‘

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Da nahm die Frau, die edle, das Horn, das vor ihr stand,

Das Kleinod, einst die Zierde des Urs, in ihre Hand,
Auf blanken Silberfüßen, mit goldner Reifen Wehr,
Das Vorzeitbilder schmückten und Runenschrift umher.
Mit zücht’gen Augen reichte dem Gast das Horn sie dann,

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Doch ihre Hand erzittert und etwas Wein verrann.

Wie abendrother Purpur bestrahlt der Lilien Rand,
So glühn die dunklen Tropfen ihr auf der weißen Hand.“

Wie schmerzlich auch diese Begegnung sein mag, wer die Dichtung kennt, der weiß ja, daß Frithjof und Ingeborg nicht auf ewig geschieden sind, daß nach König Rings Tode der starke Held der geliebten Jugendfreundin die Hand zum dauernden Bunde reichen wird.

Die Nordlandsscenerie ringsum auf unserem Bilde gemahnt uns, daß König Ring ein Friedensfürst war, der aber auch die Waffen siegreich zu führen wußte; in seiner Umgebung zeigen sich reckenhafte Gestalten neben andern, deren Gesichtszüge das Gepräge einer milden Weisheit tragen; auch fehlt es nicht an zarten und kräftigen Frauen, welche den Hof des mächtigen Herrschers verschönen. Und an seine Seite schmiegt sich eines jener Kinder aus erster Ehe, für welches er in Ingeborg die Mutter gewann.

Das Viktoriahaus für Krankenpflege in Berlin. Weit ab von dem eleganten Westend, dessen Glanz den Besitz und die Macht des neuen Reiches versinnbildlicht, erhebt sich in dem bescheidenen, gewerbfleißigen Osten eine Anstalt, die ihrerseits von den großartigen Leistungen der Reichshauptstadt auf dem Gebiete der Humanität Zeugniß ablegt: das städtische Krankenhaus im Friedrichshain. Erbaut nach dem neuen Grundsatze getrennter Einzelhäuser, umfaßt es mit seiner Mauer eine eigene kleine Welt, außerhalb deren der große Verkehr brandet, während innerhalb friedliche Stille herrscht und nur die Interessen der Kranken und der Wissenschaft gepflegt werden. Ein blühender Garten, der Aufenthalt der Genesenden, ist rings umgeben von hellen prachtvoll eingerichteten Krankensälen und Operationszimmern, jedes wissenschaftliche Hilfsmittel der Neuzeit steht den leitenden Aerzten, Sanitätsrath Hahn und Professor Fürbringer, zu Gebote. Was aber diese Anstalt vor vielen ihresgleichen voraus hat, das ist ein Pflegepersonal ersten Ranges, der Stab von „Viktoriaschwestern“, welche die Opferfreudigkeit der Diakonissin und barmherzigen Schwester mit einer von den genannten Aerzten geleiteten gründlichen wissenschaftlichen Ausbildung vereinigen.

Es gehört zu den größten Verdiensten der Kaiserin Friedrich, das segensreiche Viktoriahaus gestiftet und ausgestattet zu haben, welches diese Schwestern ausbildet und zur Pflege überallhin entsendet. Nicht nur das Krankenhaus im Friedrichshain, sondern zahlreiche andere Stationen sind den Viktoriaschwestern anvertraut, vor allem das Seehospiz für kränkliche Kinder in Norderney, von dessen ausgezeichneter Wirksamkeit wir in Nr. 29 des Jahrgangs 1888 der „Gartenlaube“ berichtet haben. Das Viktoriahaus zählt gegenwärtig 86 Schwestern, die meisten davon wirken im Friedrichshain, wo sowohl in den Räumen der chirurgisch Schwerkranken, als in den Frauen- und Kindersälen ihre geräuschlose, hilfreiche Gegenwart für Aerzte und Kranke unentbehrlich ist. Man muß es sehen, wie dankbar sich in den letzteren die blonden und braunen Köpfchen an die Brust der geduldigen Pflegerin schmiegen, und man wird einen unauslöschlichen Eindruck mit hinwegnehmen.

Außerhalb des Dienstes, der Tag oder Nacht über dauert, genießen die Viktoriaschwestern einer viel größeren persönlichen Freiheit als die religiösen Orden. Sie kehren zum Ausruhen in das freundliche schöne Viktoriahaus zurück, wo sie im Anschluß an eine pflichteifrige, vortreffliche Oberin ein familienhaftes beglückendes Heim finden; sie tragen dort ihre Privatkleidung und haben an ihrem wöchentlichen Ausgangsnachmittag die volle Freiheit, die jedes gesittete und gebildete Mädchen genießt, sie können in guter Begleitung Konzerte, Theater und Gesellschaften besuchen. Kein religiöser Zwang wird ausgeübt, die Anstalt trägt keinen konfessionellen Charakter, sondern beherbergt friedlich die verschiedenen Bekenntnisse. Die Gehaltsbedingungen bei völlig freier Station sind günstig, die Verpflichtung dauert immer nur zwei Jahre, nach Ablauf deren der Austritt erfolgen kann; der letztere ist indessen infolge besonderer Verhältnisse auch in der Zwischenzeit möglich. Der Beruf ist selbstverständlich kein leichter; Gesundheit, physische und moralische Kraft sind dazu nöthig, aber er lohnt mit reichem Segen den Muthigen und Thatkräftigen, die mit frohem Entschluß ihn ergreifen. Die Arbeit ist so ernst, so nothwendig, die Erfolge sind so groß und beglückend, daß die Schwestern darüber alles erlebte Schwere, oft sogar frühere Herzenswünsche vergessen und nur noch das eine Ziel vor Augen sehen: Menschenleben zu erhalten, zu retten.

Wollten doch recht viele ältere Mädchen, die innerhalb ihrer Familie über verfehlte Existenz nachdenken, diesem Beispiel folgen! Man macht heute im Suchen nach „Berufen“ so viel Anstrengungen, Pforten zu sprengen, die den Frauen noch verschlossen sind – hier aber steht eine weit offen, die noch nicht hinlänglich benutzt wird. Im kommenden Herbst übernehmen die Viktoriaschwestern ein neues großes Krankenhaus; der erste Lehrkurs hierfür begann mit dem 1. April, ein zweiter folgt am 1. Oktober. Gern würde die Vorsteherin noch eine Anzahl von Mädchen aus gebildeten Ständen aufnehmen, da es an Kräften fehlt. Wir wollen hiermit die Anregung dazu geben; möchte sie viele zu dem Entschluß bringen, ein bisher unbefriedigtes Dasein mit einem thätigen und dadurch zufriedenen und segensreichen zu vertauschen! R. A.




Kleiner Briefkasten.

G. H. in München. Der Artikel „Ein nützliches Geburtstagsgeschenk“ hat in Ihnen den Wunsch nach ausführlicher Belehrung über Pflege und Erhaltung der Zähne rege gemacht. Sie finden dieselbe in dem vortrefflichen Buche von Geheimrath Dr. Süersen: „Anleitung zur Pflege der Zähne und des Mundes“, welches Sie zum Preise von M 2.— broschiert und M 2.50 gebunden durch ihre Buchhandlung beziehen können.

S. M. in Triest. „Elda“ ist uns nur als Name einer spanischen Stadt und eines Flusses bekannt. Eine Heilige dieses Namens giebt es unseres Wissens nicht.

W. in Stolp. Nach den uns zu Gebote stehenden Angaben sind die schwersten Lastpferde in ausgewachsenem Zustande rund 20 Centner schwer. Doch sollen auf einer Ausstellung zu Philadelphia Pferde bis zu 27 Centnern vorgeführt worden sein.

M. v. L. in Margonya, Ungarn. Die Erzählung „Der Mann im Mond“ ist von Wilhelm Hauff nicht aus einer andern Sprache übersetzt, sondern als Originalroman verfaßt worden, und zwar als eine Parodie auf die süßlich ungesunde Manier der Romane H. Claurens. Wilhelm Hauff ist längst todt; er starb, erst 25 Jahre alt, am 18. November 1827, also vor beinahe 62 Jahren.


Für unsere Knaben und Mädchen empfohlen:
Deutsche Jugend.
Herausgegeben von Julius Lohmeyer.
Inhalt des eben erschienenen Heftes 7 (Preis des Heftes 40 Pf.):

Gierigs Abenteuer. Märchen v. A. Godin. Mit Illustr. v. Herm. Vogel. – Veilchenkörbchen. Eine Frühlingsgabe v. Anna Fränkel. – Ueber Sedans Wahlstatt. Von Julius Lohmeyer. – Der alte Schimmel. Von W. Heimburg. Mit Illustr. von Herm. Vogel. – Sprüche. Von O. Sutermeister. – Der neue Harpunier. Ein Walfischjagdabenteuer v. M. Reymond. Mit Illustr. von C. W. Allers. – Unsere Winterschläfer. Von Ludw. Staby. M. Illustr. v. Fedor Flinzer. – Der treue Neger. Von L. M. – Nagelarbeit. Illustr. v. J. Laudien. – Knackmandeln, Räthsel etc.


Inhalt: Nicht im Geleise. Roman von Ida Boy-Ed (Fortsetzung). S. 277. – Eine merkwürdige Thierfreundschaft. Von Heinrich Leutemann. S. 283. Mit Abbildung S. 289. – Die Fahrradausstellung in Leipzig. Von Max Hartung. Mit Abbildungen S. 285. – Lore von Tollen. Roman von W. Heimburg (Fortsetzung). S. 286. – Blätter und Blüthen: Deutschlands merkwürdige Bäume: Alte Linde auf dem Schloßwalle zu Pyrmont. Von Robert Geißler. S. 292. Mit Illustration S. 277. – Frithjof bei König Ring. S. 292. Mit Illustration S. 288 und 281. – Das Viktoriahaus für Krankenpflege in Berlin. S. 292. – Kleiner Briefkasten. S. 292.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
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