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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

zu meiden. Diese letzteren selbst sollen wenigstens den Haupterfordernissen einer richtigen Hygieine entsprechen, wenn man schon bei ländlichen Gebäuden seine Ansprüche in dieser Beziehung nicht allzu hoch zu stellen gewohnt ist. Am wohnlichsten sind kleine, von den Nachbargebäuden getrennte Häuschen oder Villen mit hübschen großen Vorgärten oder mitten in einem anmuthigen Garten stehend. An Berglehnen dicht angebaute Häuser sind möglichst zu vermeiden, denn solche Gebäude haben durch die Feuchtigkeit zu leiden, welche von der Bergwand herabdringt, und werden darum mancherlei Krankheit fördernde Uebelstände bieten. Zur Trockenhaltung der Wohnung ist es auch nothwendig, daß für die Ableitung der Regenwässer durch Rinnsale oder noch besser durch Kanäle gesorgt sei. Mit der Entfernung der Fäkalien ist es auf dem Lande oft noch sehr schlimm bestellt, und häufig bringen die Senkgruben, welche jene Stoffe aufnehmen, eine wahre Verpestung des ganzen Gebäudes mit sich. Man sehe wenigstens darauf, ob nicht die Senkgrube ihren Inhalt dem fließenden Wasser mittheilt, welches zum Waschen, Kochen oder gar zum Trinken benutzt wird, denn solchermaßen werden die Krankheitskeime am allerleichtesten verbreitet. Der Zustand der Bedürfnißorte muß als ein ganz richtiger Maßstab für die empfehlenswerthe Beschaffenheit eines Wohnhauses betrachtet werden.

An Sommerfrischen in erhöhter, waldiger Lage, welche reine Luft, gesunde und zweckmäßige hygieinische Einrichtungen haben, ist in Deutschland und Oesterreich kein Mangel. Der Harz, der Thüringer Wald, das Fichtelgebirge, das sächsische Erz- und Elbsandsteingebirge, die Sudeten, der Taunus, der Schwarzwald, die bayerischen Alpen, der Böhmerwald und die österreichischen Alpen gestatten eine reiche Auswahl unter solch gesegneten Orten, wo es mit geringen Kosten und wenig Reisestrapazen ermöglicht ist, bei guter Verpflegung und im Kreise der Seinen sich einige Wochen behaglicher, angenehmer Erholung zu gönnen, Körper und Geist neu zu beleben und zu kräftigen.

Personen, deren Stellung eine aufregende gesellschaftliche Thätigkeit mit sich bringt oder deren Beruf sie nöthigt, stets mit vielen Menschen in Verkehr zu treten, werden wohl daran thun, sich zur Sommerfrische irgend einen stillen Gebirgswinkel zu wählen, wo sie die erwünschte Ruhe und Gelegenheit zur geistigen Sammlung finden. Andere Personen wiederum, welche sonst durch stete ernste Arbeit an den häuslichen Herd gebannt oder an den Schreibtisch gefesselt, von jeder Unterhaltung und Zerstreuung abgehalten werden oder in trüber Stimmung sich schädlichem Grübeln hingeben, müssen in belebtere, zahlreich besuchte Sommerfrischen gehen, wo ihnen gesellige Anregung in Fülle geboten wird und ein buntbewegtes Treiben die Gedanken in angenehmer Weise ablenkt. Im allgemeinen sind Plaudereien im Kreise anregender Personen, eine leichte Lektüre, fleißiges Spazierengehen, mäßiges Kegelschieben, Billardspiel, Scheibenschießen etc. die zweckmäßigste Beschäftigung in der Sommerfrische, wogegen Kartenspielen sowie jedes aufregende Spiel als eine ebenso schädliche wie leider noch immer selbst im Freien so sehr beliebte Art des Zeitvertreibes sorgfältig gemieden werden sollte. Alles an die Sorgen des Alltaglebens Gemahnende, das Gemüth Aufregende und die Sinne Reizende soll von der Sommerfrische ferngehalten werden.

Zum Schlusse noch eine Mahnung! Besonders wer mit seiner Familie in die Sommerfrische reist, vergewissere sich vorher, oh daselbst nicht irgendwelche epidemische oder ansteckende Krankheiten herrschen. Man gehe bei diesen Erkundigungen sehr vorsichtig zu Werke, denn noch immer gehört es nicht zu den größten Seltenheiten, daß die Ortsbewohner das Vorkommen von Blattern oder Diphtheritis verheimlichen, um die Fremden nicht zu verscheuchen. Man sehe ferner darauf, namentlich wenn Kinder mitgenommen werden, ob in der Sommerfrische oder mindestens in der Nähe derselben sich ein Arzt befinde, welcher imstande ist, in Erkrankungsfällen rasche Hilfe zu leisten und zu beurtheilen, ob eine Rückkehr in die Heimath angezeigt erscheine. Die sorgsame Hausfrau wird gewiß nicht ermangeln, eine kleine Hausapotheke mit sich zu führen.

Endlich vergesse man nie, auch wenn die Hitze noch so groß ist, für die Sommerfrische recht warme, dicke Kleidungsstücke einzupacken. Die Unterlassung dieser Vorsichtsmaßregel rächt sich gar oft, wenn im Gebirge eine rasche Abkühlung der Luft oder ein Umschlag der Witterung eintritt, durch einen heillosen Schnupfen oder andere Erkältungszustände.

Der Aufenthalt in einer richtig gewählten, guten Sommerfrische möge sich auch unseren Lesern als ein Mittel bewähren, Körper- und Geisteskräfte neu zu beleben und frischen Lebensmuth anzufachen. Dann werden sie die Wahrheit des schönen Spruches von Anastasius Grün empfinden:

„Hier ruht mein treuster Genoß’ im Land,
Herr Hypochonder zubenannt,
Er starb an frischer Bergesluft,
An Lerchenschlag und Rosenduft.“




Blätter und Blüthen.

Eine Fürstin unter den Palmen. (Mit Abbildung S. 341.) Es ist in botanischen Kreisen eine alte gute Sitte, an hervorragende Pflanzen die Namen hervorragender Personen zu knüpfen und so das Eine durch das Andere zu adeln, indem die Pflanze sich von da ab eines tönenden Namens erfreut und der Name des Pathen andererseits für alle Zeiten in die Tafeln der Wissenschaft eingegraben ist.

Nicht immer sind diese so getauften Pflanzen Erscheinungen, welche auch dem Laien imponiren, beispielsweise ist der Name der strahlenden Kaiserin Katharina von Rußland von dem Botaniker Hedwig an eine kleine nordeuropäische Moosgattung verliehen worden, welche der Forscher „Catharinea“ taufte. Als die Höflinge des damaligen Petersburger Regimentes sich mißbilligend darüber äußerten, wie ein Gelehrter es wagen könne, ein solch winziges Pflänzchen nach einer so mächtigen Kaiserin zu taufen, war die Kaiserin selbst es, welche sie zurechtwies und die Widmung der Moosgattung dankend annahm.

Naturgemäß war es, daß die Verehrung, welche dem Fürsten Bismarck als dem Neubegründer des Reiches von allen Seiten entgegen gebracht wurde, ganz besonders aber von denjenigen Deutschen, welche draußen in der Ferne es praktisch kennen lernten, wie seit den Tagen von 1870 der Deutsche hochgeachtet wurde, auch in wissenschaftlichen Kreisen ihren lebhaften Wiederhall fand. Die botanische Wissenschaft hat keine Orden zu verleihen, keine Titel zu vergeben, aber indem sie den Namen des Fürsten Bismarck an eine der herrlichsten Palmen knüpfte, welche der Erdball trägt, sucht sie in ihrer Weise den Kanzler zu ehren. Bismarckia nobilis heißt die wundervolle Palme, welche Hildebrandt 1878 auf Madagaskar auffand und in Samen nach Europa brachte, wo sie im Oktober 1880 von Hildebrandt und dem Gartendirektor Wendland in Herrenhausen, dem ersten Gewährsmann auf dem Gebiete der Palmenkunde, als bisher unbeschrieben festgestellt wurde. Auf die von beiden Forschern dem Reichskanzler unterbreitete Bitte, zu gestatten, daß diese schöne Palmengattung den Namen Bismarckia führen dürfe, erfolgte die Annahme der Widmung durch den Fürsten Reichskanzler, und am 11. Oktober 1880 wurde der Name Bismarckia mit der eingehenden Beschreibung der wissenschaftlichen Charaktere, welche die neue Gattung kennzeichnen, von Wendland in der „Botanischen Zeitung“ veröffentlicht. Bismarckia gehört, wie unsere Abbildung zeigt, in das Geschlecht der Fächerpalmen und wissenschaftlich in die Gruppe der Borassus-Palmen, in welcher zwar fast durchweg gewaltig große Palmenformen der tropischen Gebiete untergebracht sind, des Reichskanzlers Palme aber dennoch die weitaus hervorragendste ist.

Hildebrandt, welcher der Wissenschaft auf seiner zweiten Erforschung Madagaskars leider in so jungen Jahren schon entrissen wurde, schilderte die Bismarckia im mündlichen Verkehr als die eindrucksvollste Pflanzenerscheinung, welche sein an Großartiges so gewohntes Auge sah. Leider wurden seine damaligen Mittheilungen nicht sofort festgehalten, und seither hat keines zweiten Europäers Fuß die Bismarckia-Haine betreten. Hildebrandt ging zum zweiten Male nach Madagaskar mit der besonderen Absicht, Stämme von Bismarckien zu holen, aber mitten im ungastlichen Hochwalde erkrankte er. Die energische Vermittlung des Deutschen Reiches ließ den schwer leidenden Forscher zwar auffinden und ihn so sorgsam wie möglich nach Antananarivo herabbringen, aber dort verschied er trotz bester Pflege.

Die kurzen Worte, welche Hildebrandt über die Bismarckia schon 1880 veröffentlichte (Zeitschrift für Erdkunde XV., Seite 107), berichten über seine Tour durch das von ihm zum erstenmal besuchte West-Madagaskar. Oberhalb Beravi am Flusse Beturéa oder Rano-bé zwischen Ansahasi und Ansunaki sah er die riesige Form zum ersten Male. „Hier mischt sich,“ schreibt er, „unter die Sata-Palmen (Hyphaene coriacea) eine prachtvolle andere Fächerpalme mit kräftigem Säulenstamme. Bis drei Meter spannen ihre derben Blattflächen, die Blattstiele sind weiß gestreift, riesige Trauben pflaumengroßer, dunkelbrauner Früchte hängen herab. Ganze Haine dieses urkräftigen Gewächses passirten wir. Der starke Wind blies in das mächtige Laub, so daß es klappernd und klatschend zusammenschlug.“

Das war Bismarckia nobilis! Nach Hildebrandts mündlichen Mittheilungen an mich überragten die Bismarckien alle anderen Waldpflanzen, und schon auf weite Entfernungen zeichneten sich die mächtigen Kronen in 20 bis 30 Meter Höhe über dem Niederwalde ab. Der kräftige Stamm schießt kerzengerade auf und trägt ein großartiges Blattwerk von blaugrüner Färbung auf mächtigen langen Blattstielen quer ausgebreitet. Charakteristisch sind den Blättern die lang herabhängenden weißen Fasern, welche sich von den einzelnen tief eingespaltenen Abschnitten der bis neun Quadratmeter bedeckenden Blattspreite ablösen. Von den Früchten, welche

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 355. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_355.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)