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verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

seien, daß als Hauptinventarstück jede Hütte eine, wenn auch noch so verrostete Flinte berge. Dann senkte sich die holperige Straße in die grüne Wand des Forsts. Laubholz fand sich gemischt mit Nadelholz; brüderlich theilten Fichten, Birken, Eschen und Buchen die Nahrung des bruchigen, mit Moosen und Farnkräutern bedeckten Bodens. Ueber den Wipfeln der nächsten Schonung ragte ein riesiges Kreuz empor: es war dort von der Hand eines Wilddiebs ein Förster erschossen worden. Wir kannten die traurige Geschichte, hatte sie sich doch erst vor wenig Jahren ereignet. Man hatte einen Baum am Thatort seiner Zweige und seiner Krone beraubt und auf etwa zwei Drittel seiner Höhe ein mächtiges, unbehauenes Querholz daran genagelt; das war alles, und doch hinreichend, der traurigen Gedanken genug in uns zu erwecken. Wie ein Gefühl der Erlösung überkam es uns, als wir das einfache Wahrzeichen hinter uns hatten und sich eben vor unseren entzückten Blicken eine liebliche, mit bunten Blüthenkelchen übersäete Waldwiese aufthat, welche in ihrer Mitte von einem silberhellen Bach durchflossen wurde.

Und der Rosselenker wandte sich wieder erzählend und erläuternd zu uns. Die Wiese nannte der Volksmund die Auerwiese, das Flüßchen die Auer, und zwar um deswillen, weil Mitte des vorigen Jahrhunderts an dieser Stelle der letzte Auerochse in Preußen von der Hand eines Wilddiebs gefällt worden war.

Eben zog vorsichtig sichernd eine Ricke mit ihrem Kälbchen über die freie Fläche; der Kutscher klatschte mit der Peitsche, und die beiden Thiere flüchteten eiligst in das gegenüberliegende Dickicht. In der Richtung ihrer Flucht knallte plötzlich ein Schuß. Derselbe konnte nur von einem Wilddieb abgefeuert sein, das Rehwild stand ja in der Schonzeit. Ein anderes Wild war es, als damals vor mehr denn hundert Jahren, die Menschen aber waren dieselben geblieben. – Eugen Friese.

Karl Wartenburg †. Wiederum ist ein alter Freund und Mitarbeiter unseres Blattes aus dem Leben geschieden. Am 24. April starb zu Gera in einem Alter von beinahe 63 Jahren Karl Wartenburg, auch einer der vielen, die einst in den Reihen der Kämpfer des Jahres 1848 standen. Als der Sohn reicher Eltern am 13. November 1826 zu Leipzig geboren, war er ursprünglich für die Offizierslaufbahn bestimmt, aber ein Sturz mit dem Pferde und im Zusammenhang damit ein dauerndes körperliches Leiden verschloß ihm dieselbe. So bezog er, 21jährig, die Leipziger Hochschule, um die Rechte zu studieren, ward aber bald in eine Untersuchung verwickelt, wegen Hochverraths angeklagt und zu anderthalb Jahren Gefängniß verurtheilt. Nach einigen Monaten wieder begnadigt, vollendete er zwar seine juristischen Studien; aber auf eine staatliche Anstellung hatte er um seiner politischen Gesinnungen willen keine Aussichten. So verzichtete er denn auf die juristische Laufbahn und entschied sich unter dem Einflusse Ernst Keils, des Schicksalsgenossen aus dem Gefängnisse zu Hubertusburg, seine Zukunft der Schriftstellerei anzuvertrauen. Nach mehrjährigen Studienreisen in Deutschland und im Auslande ließ sich Wartenburg 1858 dauernd in Gera nieder, wo er eine erfolgreiche Thätigkeit sowohl auf dem Gebiete der Publizistik als auf dem des Romans und des Dramas entwickelte.

Seinen Verdiensten als politischer Schriftsteller hatte es Wartenburg zu verdanken, daß ihn das Vertrauen seiner Mitbürger mehrfach zu öffentlicher Wirksamkeit berief; er wurde 1871 in den Landtag seiner engeren Heimath gewählt und gehörte der Körperschaft der Stadtverordneten von Gera, oft als Vorsitzender, über ein Vierteljahrhundert lang an. Von seinen Dramen haben sich insbesondere „Die Schauspieler des Kaisers“ den Weg auf viele deutsche Bühnen gebahnt und fremde Litteraturen haben sich das Stück durch Uebersetzungen angeeignet. Höher aber als diese Triumphe auf dem Gebiete der Litteratur haben wir die sittliche Größe des Mannes zu achten. Als Vorbild reiner standhafter Gesinnung, als ein Mann, der stets das Gute einzig um des Guten selbst willen gethan hat, als ein Mann, der sich selbst, auch in den schwersten Zeiten, die Treue gehalten, als ein Mensch von reinster Herzensgüte wird er noch lange unvergessen bleiben. H. Meißner.

Die „Schneeball-“ oder „Lawinenkollekten“. Gegenwärtig sind in zahlreichen Städten des deutschen Vaterlandes zu den verschiedensten Zwecken sogenannte „Schneeball-“ oder „Lawinenkollekten“ in Uebung, welche in der Weise veranstaltet werden, daß der Urheber der Kollekte A z. B. an 4 gute Freunde B schreibt mit der Aufforderung, sich brieflich wiederum mit 4 Freunden C in Verbindung zu setzen etc., worauf dann, sobald die Briefe bei Z angelangt sind, letztere einen bestimmten Beitrag, sagen wir 30 Pfennig für den Kopf, an den entsprechenden Y abzuliefern haben, die Y an die entsprechenden X und so fort, bis schließlich die 4 B die ganze Summe an A abgeben.

Diese Art der Weiterverbreitung erscheint zwar im ersten Augenblick recht zweckmäßig, indessen stößt ihre folgerichtige Durchführung sehr bald auf unüberwindliche Hindernisse. Einmal nämlich ist auf der ganzen Erde nicht so viel Geld vorhanden, als auf diese Weise flüssig gemacht werden müßte, vor allem aber würde selbst die Zahl sämmtlicher Erdenbürger auch nicht im entferntesten an diejenige Summe heranreichen, welche zur vollständigen Ausführung einer solchen Sammlung erforderlich wäre. Dies ergiebt sich nach einfacher Berechnung:

A schreibt 4 Briefe an 4 B,
4 B schreiben je 4 Briefe an 16 C,
16 C    64 D,
64 D    256 E etc.

Schon zur Deckung der K reicht die Einwohnerschaft von Leipzig nicht aus, denn es soll an 262 144 K geschrieben werden, die Zahl der M ist in Berlin nicht aufzutreiben, und allein für den Bedarf der R (4 294 967 296) müßten die unglücklichen Briefschreiber Q sich nach dem Monde wenden. Das Endergebniß dieser Rechnung liefert ganz ungeheuerliche Zahlen, denn es müßten allein über 281 Billionen Z oder – um mich einer seit 1871 geläufigen Bezeichnung zu bedienen – 281 474 Milliarden Z 30 Pfennig zahlen. Hätte der Erfinder der Kollekte A allen Betheiligten das Briefschreiben ersparen und alle Anforderungen gedruckt absenden wollen, so würde er sich selbst von der Undurchführbarkeit seiner Idee haben überzeugen können. Denn rechnet man als Gewicht eines gedruckten Briefes nur ein Gramm, so würden über 7505 Millionen Centner Papier verbraucht werden müssen, und wenn unter einer Million Empfänger immer nur ein einziger die Post zur Weiterversendung in Anspruch nehmen sollte, so würden allein für Dreipfennigmarken über 11¼ Millionen Mark zu verausgaben sein, gewiß eine Summe, die selbst in unserem Reichshaushalt sehr bemerkbar wäre.

Würde man den Erlös der Kollekte in Gestalt unserer werthvollsten Münze, in Zwanzigmarkstücken, vor sich sehen und ließe sich daraus in der Weise eine lange Kette herstellen, daß man ganz genau den Rand eines Goldstücks an den des nächsten anfügte, so würde diese Kette, da jede Doppelkrone 22 Millimeter im Durchmesser mißt, eine so gewaltige Ausdehnung erhalten, daß man sie 3096 Mal um den Erdball von Pol zu Pol schlingen könnte, und die dadurch entstehenden Goldringe würden wiederum eine Straße von 68 Metern Breite bedecken. So könnten wir noch weitere Zahlen liefern, indessen mögen die angeführten unseren Lesern genügen. F. Berg.




Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

Paul W. in Nürnberg. Wir danken Ihnen bestens und beeilen uns, Ihrer Anregung Folge zu geben, um so mehr, als auch in Berlin kürzlich von behördlicher Seite mit einer ähnlichen Warnung vorgegangen worden ist. Es war auch dort wiederholt vorgekommen, daß Marmordenkmäler, welche der städtischen Aufsicht und Wartung unterstanden, durch den an der Luft rostenden Draht von in bester Absicht dargebrachten Kränzen beschädigt wurden. Trat nämlich Regen oder Schneefall ein, so löste sich der Rost auf und brachte dem Marmor Flecken bei, die gar nicht oder nur schwer zu vertilgen waren, da der Hauptbestandtheil des Rostes, Eisenoxydul, mit dem Kalk des Marmors chemische Verbindungen eingegangen war. Die städtische Verwaltung von Berlin hat daher angeordnet, daß unmittelbar auf dem Marmor keine Kränze mehr angebracht werden dürfen. Wir wünschten, daß diese Verordnung in den weitesten Kreisen Beachtung fände.

P. J. Th. in Bergneustadt. Freiligraths Gedicht „Die Auswanderer“ ist gedichtet im Sommer 1832 und zuerst in „Gunloda, Westfälisches Taschenbuch für 1833“ erschienen. Freiligrath stand damals als Kommis in den Diensten des Wechselgeschäfts und Großhandlungshauses von Jakob Sigrist in Amsterdam und hatte wohl an diesem bedeutenden Seeplatze vielfach Gelegenheit, ähnliche Scenen wie die im genannten Gedichte geschilderten zu beobachten. Ein ganz bestimmter einzelner Vorfall, der dem Dichter Anregung zu seinen schönen Versen gegeben hätte, läßt sich nicht mehr nachweisen.

E. Z. in Königsberg. Wir können nur wiederholen, was wir schon oft betont haben, daß wir keinerlei brieflichen Rath in medizinischen Fragen ertheilen. Wenden Sie sich an einen praktischen Arzt.

G. K. in Breslau. Ein bestimmtes Minimalvermögen als Bedingung der Beförderung zum Reserveoffizier ist nicht vorgeschrieben. Die Heerordnung schreibt nur eine „gesicherte bürgerliche Existenz“ vor, die gar nicht nothwendig in eigenem Vermögen zu bestehen braucht, sondern ebenso wohl auf einem auskömmlichen festen Gehalt beruhen kann.

F. F., Poststempel Firenze. Verehrtester, es scheint uns, daß Sie mit Ihrem Latein am Ende sind! Der Ausdruck „eine Anzahl von terminis technicis“ ist vollkommen richtig. Oder wollten Sie vielleicht „eine Anzahl terminorum technicorum“ vorschlagen?

H. B. in H. Nicht übel! Noch etwas mehr Glätte der Form und etwas mehr Klarheit in den Bildern, und Sie werden es noch zu ganz hübschen Leistungen bringen. Wir sind leider mit Frühlingsgedichten so überhäuft, daß wir in absehbarer Zeit keine Verwendung für weitere haben.

N. N. in K. Ob das fragliche Kindermehl für Ihr Kind gut ist, kann allein Ihr Hausarzt entscheiden.

H. M. in Donaueschingen. Ein Roman unter dem Titel „Wetterwolken“ ist in der „Gartenlaube“ nicht erschienen.

Charlotte G. in Bremen. Besten Dank für Ihren freundlichen Brief! Der kleine Artikel „Heimathstätte für Heimathlose“ in Nr. 6 des laufenden Jahrgangs der „Gartenlaube“ hat vielseitiges Interesse gefunden, und diejenigen, deren Theilnahme der schlichte Denkstein Carmen Sylvas mit der Inschrift des Hofpredigers Dr. Kögel geweckt hat, möchten auch die Strophe freundlich aufnehmen, welche Sie in Ihrem Briefe der Inschrift hinzufügen. Sie lautet:

„Die meerumbraust zum letzten Schlaf
Hier Liebe hat geborgen,
Wie schwer sie auch das Schicksal traf:
Auch ihrer harrt ein Morgen!
Hiernieden paart sich Freud mit Leid,
Ohn’ Dorn ist keine Rose:
Hier spendet Ruh in Ewigkeit
Heimath für Heimathlose.“



Für unsere Knaben und Mädchen empfohlen:
Deutsche Jugend.
Herausgegeben von Julius Lohmeyer.
Inhalt des eben erschienenen 8. Heftes (Preis 40 Pf.):

Die Johannisnacht. Erzähl. von Julie Ludwig. Mit Zeichn. von Alexander Zick. – Die Zunge. Von O. Sutermeister. – Andreas Hofer und sein Land Tirol. Ein Lebens- und Volks-Charakterbild von Bernhardine Schulze-Smidt. Mit Illustr. von Defregger, R. Püttner und A. v. Rößler. – Des Königs Vorbild. Eine morgenländ. Parabel von Otto Sutermeister. – Verschiedene Beförderungsmittel. Von Marinepfarrer Heims. Mit Illustr. von C. W. Allers. – Das Nestchen mit bronzierten Eiern. – Knackmandeln, Räthsel etc.


Inhalt: Nicht im Geleise. Roman von Ida Boy-Ed (Fortsetzung). S. 357. – Vom Nordpol bis zum Aequator. Populäre Vorträge aus dem Nachlaß von Alfred Edmund Brehm. Volks- und Familienleben der Kirgisen. S. 360. – Auf blühender Au’. Illustration. S. 361. – Das Hutten-Sickingen-Denkmal auf der Ebernburg. S. 365. Mit Abbildungen S. 357 und 365. – Ein deutscher Liebesgott. Erzählung von Stefanie Keyser. S. 366. – Blätter und Blüthen: Der Auerochse. Von Eugen Friese. S. 371. Mit Abbildung S. 369. – Karl Wartenburg †. Von H. Meißner. S. 372. – Die „Schneeball-“ oder „Lawinenkollekten“. Von F. Berg. S. 372. – Kleiner Briefkasten. S. 372.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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