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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

in die See fiel – Es war jene für vulkanische Ausbrüche so charakteristische Wolke, die schon Plinius bei der großen Eruption des Vesuvs im Jahre 79 n. Chr. beobachtet und beschrieben und mit dem Namen der Pinienwolke bezeichnet hat, da sie der Pinie ähnlich sieht. Man veranstaltete eine genaue Messung der Wolke und sie ergab die gewaltige Höhe von 11000 Metern. Es war ein großartiges Schauspiel. Man denke sich am Tage den Himmel verdunkelt und die Sonne zwischen den Dampf- und Staubmassen in blauem matten Glanze leuchtend; in der Nacht die Pinienwolke unaufhörlich von Blitzen durchzuckt; dabei ein fortwährendes Knattern und Prasseln, als ob hundert Mitrailleusen in nächster Nähe abgefeuert würden, und von Zeit zu Zeit die stärkeren Donnerlaute, die mitunter selbst in einer Entfernung von 350 Kilometern gehört wurden. Und doch war das alles nur das Vorspiel der großen Katastrophe.

Sechs Tage darauf landete eine kleine Expedition aus Batavia auf Krakatoa und einige kühne Männer suchten, bis an den Herd des Ausbruchs vorzudringen. Der Pik Rakata war unbetheiligt, am Fuße des niedrigeren Hügels Perboewatan hatte sich ein hufeisenförmiger Krater gebildet. Mit donnerndem Geräusch zischten aus ihm die Rauchmassen empor; glühender Bimsstein flog in die Höhe und fiel in der unmittelbaren Nähe des Kraters nieder, während der Aschenregen sich weiter ausbreitete und Krakatoa sowie das benachbarte „Verlaten Eiland“ bereits mit einer dicken Aschenschicht bedeckt hatte. An diesem Tage gelang es auch Jul. Hamburg aus Batavia, eine Photographie des Ausbruchs aufzunehmen.

Auch in der nächsten Zeit grollten unaufhörlich die unterirdischen Gewalten; Pausen gemäßigter Thätigkeit wechselten mit heftigen Paroxysmen ab, und Ende Juni öffnete sich an der Hügelkette Danan ein zweiter Krater. So dauerte dieser Kampf der Elemente monatelang, bis zum 26. August.

Jetzt traten die Vorzeichen der Katastrophe ein. Klar und heiter brach dieser Tag an, nachmittags aber vernahm man in Batavia und ganz West-Java ein verstärktes Grollen des Vulkans; immer drohender wurde der Donner, unmittelbar nach Sonnenuntergang trat plötzlich eine völlige Finsterniß ein; der Donner nahm zu, als ob in der Nähe ein Artilleriekampf stattfände; die Luft zitterte unausgesetzt, und nicht allein die Barometer schwankten in kurzen Zuckungen auf und nieder, sondern auch das Hausgeräth klapperte in den Wohnungen hin und her, und selbst die Gleichgültigsten erhoben sich von ihrem Lager, um diese Schreckensnacht wachend zu verbringen.

Auf dem Ocean zogen indessen die Schiffe auf ihren altgewohnten Bahnen dahin, und die Kapitäne derselben brachten uns die wichtigsten Nachrichten über den Höhepunkt des Ausbruchs.

Nachmittags am 26. August wurde von der „Medea“ aus die Pinienwolke gemessen und die Höhe von 27 Kilometern verzeichnet. Um 5 Uhr nachmittags wurde das Schiff „Charles Val“ von einem Hagel glühender Bimssteinstücke überschüttet. Abends war dasselbe etwa 3 Meilen von Krakatoa entfernt und die Mannschaft sah Feuerstreifen, die Flugbahnen glühender Bimssteinblöcke, dem Vulkan entsteigen. Die Luft war heiß und stickend, mit Asche und Schwefeldämpfen erfüllt, und jetzt brach die finsterste Nacht ein, die nur von zuckenden Blitzen erhellt wurde. Die Atmosphäre war mit Elektricität überladen und man sah auf den Schiffen St. Elmsfeuer glimmen, überall im Takelwerk waren sie zu beobachten und wie feurige Schlangen schossen die Strahlen um die Masten hin. Der Matrose am Steuerruder der „Verbice“ war kaum imstande, seinen Platz zu halten wegen der unaushörlichen elektrischen Schläge, die er bei jeder Berührung der Metalltheile des Steuers erhielt. Dabei nahm der Aschenregen zu, und um 2 Uhr nachts war das Verdeck der „Verbice“ mit einer fast einen Meter hohen Schicht der Auswürflinge bedeckt. Auch das Meer war unruhig, Wogen durchschnitten es und richteten an den Küsten schon manchen Schaden an.

Der Morgen des 27. August kam heran; es schien, als ob die Sonne das düstere Dampfgewölk besiegen könnte, es wurde heller am Himmel. Aber gegen zehn Uhr morgens scheuchte plötzlich ein furchtbarer Knall alle Menschen in der näheren Umgebung auf; in Städten und Dörfern, die zwanzig Meilen von dem Vulkan entfernt lagen, sprangen die Fenster auf und fiel der Kalk von den Wänden. Nach und nach verstummte jetzt das Getöse, nach und nach aber nahm die Dunkelheit zu, bis eine Finsterniß eintrat, in die z. B. Batavia dreißig Stunden lang gehüllt blieb.

Die Katastrophe war geschehen, in den ausgehöhlten Schlund des Kraters war der größte Theil der Insel gestürzt, das Meer hatte sich in die feurige Tiefe ergossen, eine Explosion war erfolgt, und nun kam das furchtbare Nachspiel.

Der Riesenknall dieser Explosion war der stärkste, von dem die Geschichte zu berichten weiß – er wurde auf den Philippinen, auf Ceylon, in Saigon, in Cochinchina und in Perth im südwestlichen Australien gehört; er verbreitete sich somit auf einen Umkreis, der ein Fünfzehntel der ganzen Erdoberfläche beträgt und dessen Radius auf 3400 Kilometer berechnet wurde.

„Denken wir uns,“ schreibt Neumayer[WS 1], „den Mittelpunkt der Eruption nach Wien verlegt, so wäre der Donner nicht nur in ganz Europa vernehmbar gewesen, sondern im östlichsten Grönland, im südlichen Spitzbergen, im südlichen Theile von Nowaja Semlja, im ganzen Uralgebirge, am östlichen Ufer des Aralsees, an der südöstlichen Ecke des Kaspischen Meeres, an der Mündung des Euphrats in den Persischen Meerbusen, im nördlichen Drittel des Rothen Meeres, im größern Theile der Sahara und auf der Insel Madeira.“

Während die Finsterniß die Umgebung des Vulkans noch verhüllte, entstieg dem Meere eine Sturzwelle, die an der Krakatoa gegenüberliegenden Küste von Java eine Höhe von 36 Metern erreichte und mit fortschreitender Entfernung sich verflachte.

Diese Sturzwelle bildete für die Menschen den furchtbarsten Theil der Katastrophe. Sie wühlte den Meeresgrund auf und warf Korallenblöcke auf Land. Am Gestade der Sundainseln spülte sie Häuser und Wälder weg. Die Städte Merak, Anjer und Tjaringin auf Java wurden von ihr gänzlich zerstört – sie ging über die kleinen Inseln Sebesi und Seboekoe hinweg und begrub alle lebenden Wesen; kein Mensch hat hier die Katastrophe überstanden, um der Nachwelt von ihrem Schrecken zu berichten. Auch Sumatra umspülte sie verheerend – gegen 40000 Menschen (36417 soll die genaue Ziffer sein) wurden von ihr verschlungen, 165 Niederlassungen gänzlich, 132 theilweise zerstört. Einzelne Menschen entkamen dabei wie durch ein Wunder, indem sie durch diese Sturzwelle wie „Strohhalme“ landeinwärts geschwemmt und hier auf das Trockene gesetzt wurden, ohne während dieser furchtbaren Fahrt zerschmettert oder ertränkt zu werden.

Dieser ersten großen Welle folgten andere, aber sie waren niedriger und ließen ihre Wuth nur an dem Schauplatz der ersten Vernichtung aus.

Am 28. August wurde es heller. Der Tag schien auf die Sundainseln herab; aber sie waren kaum zu erkennen. Wo einst am Strande üppige Vegetation geblüht und gegrünt hatte, war der Boden kahl, mit Schlamm bedeckt. Von Krakatoa war nur der dritte Theil übrig geblieben, die südliche Hälfte des Pik Rakata, dessen nördliche Hälfte wie mit einem Riesenmesser abgeschnitten spurlos im Meere verschwunden war; denn an der klaffenden Wand des halben Berges brauste nunmehr die See in 100 bis 300 Metern Tiefe. Auch der Grund der Sundastraße und die kleineren Inseln wurden vielfach umgeändert; wo einst Tiefen waren, befanden sich jetzt seichte Stellen und umgekehrt. –

Nach und nach beruhigten sich die Nachwehen der Eruption, aber ihre Folgen durchzuckten den ganzen Erdball. In allen Zonen konnte man die Wirkungen des Ausbruchs an seltsamen Erscheinungen beobachten.

Die Woge, welche an den Sundainseln so verheerend aufgetreten war, pflanzte sich nach Osten und Westen im Stillen und Indischen Ocean fort; man hat sie an der Westküste von Amerika und der Ostküste von Afrika, selbstverständlich in verminderter Stärke, beobachtet. Ja, sie pflanzte sich in den Atlantischen Ocean fort, wurde an den französischen Küsten wahrgenommen, und ihr Wellenschlag, der zunächst Panama am Stillen Ocean berührt hatte, rauschte später zu Colon auf der atlantischen Seite des Isthmus auf. Die mittlere Geschwindigkeit derselbe wurde an tieferen Stellen des Meeres mit 180 Metern für die Sekunde bestimmt, an seichteren Stellen schritt sie entsprechend langsamer vor.

Der Riesenknall der Explosion drang nicht bis zu unserem Ohr, aber durch die Lüfte gelangte zu uns ihre Botschaft, bevor der Telegraph uns die Katastrophe meldete. Es war allerdings eine leise geheime Botschaft, welche der großen Masse entging und nur von den Forschern wahrgenommen wurde, die auf den Wetterwarten stehen. Wie das Meer, so wurde auch der Luftocean von einer

Welle erschüttert, und diese wurde von den Barometern verrathen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Georg von Neumayer, Vorlage: Neumayr
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 395. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_395.jpg&oldid=- (Version vom 7.12.2022)