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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)


eingenommene Fläche beträgt rund 3300 qm, wovon auf Bühne und Zuschauerraum je etwa die Hälfte trifft. Die Mittelbühne für die lebenden Bilder umfaßt 290, die Vorbühne 310 qm.

Entgegen den früheren Brauch, nach welchen die Kosten nach Ablauf der Spielzeit aus den Einnahmen gedeckt wurden, hat diesmal die politische Behörde einen genauen Schuldentilgungsplan von der Gemeinde verlangt. Im Jahre 1880 fand sich keine bayerische Bank, welche der solidarisch haftenden bayerischen Gemeinde Oberammergau die zum Passionsspiel nöthigen Gelder vorstreckte. Nach langem Suchen bewilligte die Elsässische Bank in Straßburg unter Verzicht auf das angebotene, in etwa 5000 Tagwerk Gemeindewald bestehende Pfand die nöthigen Summen. Für das Jahr 1890 werden die Mittel jedoch durch eine große Münchener Bank beschafft. Für neue Gewänder werden diesmal 12- bis 14 000 Mark verausgabt werden. Dieser anscheinend bedeutende Posten erklärt sich aus der starken Abnutzung des vorhandenen Bestandes einestheils, anderntheils aus dem Umstande, daß das Tageslicht keinerlei Flitterwerk, sondern nur echt, gediegene Stoffe

Karl Lautenschläger.

duldet. Die weißen Gewänder z. B. müssen vollständige erneuert werden, weil sie im Jahre 1880 zu stark gelitten haben und der ausgeprägte Schönheitssinn der Oberammergauer nicht zuläßt, erkennbar abgenutzte Stücke zu verwenden. Außerdem erforden die vollkommerenere Malerei auf den neuen Prospekten, die besseren, künstlerisch durchgeführen Dekorationen auch entsprechend bessere Gewandung.

Die Neuwahl der Rolleninhaber für das Passionsspiel wird heuer etwas früher als sonst, im Spätherbst, stattfinden und zwar mit Rücksicht darauf, daß wahrscheinlich einige Neubesetzungen nothwendig werden. Der Darsteller von Christus, Joseph Mayr, hat sich jetzt schon zur abermaligen Uebernahme der anstrengenden Rolle bereit erklärt. Nach der Neuwahl, die in das Dorf eine weit größere Aufregung bringt als Landtags- und Reichstagswahlen, werden sofort die Proben beginnen, im strengen Winter im Dorfe selbst, in einem Saale des neuen Gasthofes „Wittelsbacher Hof“, bei wärmerer Witterung in dem niedlichen Uebungstheater draußen neben dem Bühnenhause. In musikalischer Hinsicht ist zunächst eine Vermehrung der Orchesterinstrumente beabsichtigt. Hingegen herrscht über den Passionstext in den maßgebenen Kreisen Oberammergaus noch völlige Unentschiedenheit; den Textänderungen, welche von auswärts angeregt wurden, stehen gewichtige Bedenken gegenüber, und in der Kunstgemeinde selbst wurzelt die Ueberzeugung, daß an einer durch den Erfolg bewährten Einrichtung nicht gerüttelt werden sollte.

Die Herstellung des neuen Passionsspielhauses, der Bauten, Maschinen und Dekorationen ist in die bewährten Hände des kgl. Obermaschinenmeisters am Hoftheater in München, Karl Lautenschläger, gelegt worden.

Lautenschläger, einer der hervorragendsten Meister auf dem Gebiete der Bühneneinrichtungen und Schöpfer einer großen Anzahl moderner Theaterbauten, dessen Bild wir ebenfalls bringen, ist jetzt ein 46jähriger Mann und hat kürzlich sein 25jähriges Jubiläum als Bühnentechniker gefeiert. Die Anregung zu seiner späteren Laufbahn empfing er schon als Knabe von seinem Stiefvater, dem Hessen-Darmstädtischen Hofschauspieler und Scenerieinspektor Bormuth; Lautenschläger wollte ursprünglich Schauspieler werden, allein die Eltern gaben es nicht zu, und so wurde er Theatermaschinist, ein Feld, auf welchem er Lorbeeren ernten sollte. Nach einander wirkte er theils als Maschinenmeister, theils als Bühnenerbauer und Leiter scenischer Ausstattungen an den Theatern zu Riga, Stuttgart und München, zeitweilig auch nach den verschiedensten Städten Deutschlands, Oesterreichs, Rußlands, Italiens, Hollands und der Schweiz zur Ausübung seiner Kunst berufen. Ja sogar nach Paris ward „Monsieur Laut“ geholt, die elektrische Beleuchtung der Großen Oper einzurichten. Gerade die Durchführung der elektrischen Gesammtbeleuchtung in den Theatern ist eines der Hauptverdienste Lautenschlägers und ihm ist es zu verdanken, daß München das erste elektrisch beleuchtete Theater in Deutschland erhielt. König Ludwig II. von Bayern war ein besonderer Verehrer seiner Kunst. Nicht bloß die Leitung der technischen Anlagen in den Theatern bei den zahllosen Sondervorstellungen vertraute er seinen Händen an, auch die mancherlei verwandten Einrichtungen in den königlichen Schlössern gab er ihm in Auftrag und äußerte wiederholt in schmeichelhaften Dankschreiben seine Befriedigung.

Die jüngsten Aufgaben, die Lautenschläger gelöst hat, sind die Neueinrichtung der „Shakespearebühne“, über welche in Nummer 26 berichtet worden ist, und die Anlage eben unseres Passionsspielhauses. Es galt dabei, unter strengster Wahrung der Ueberlieferung doch die scenische Wirkung zu verbessern und den Hauptdarstellern insbesondere bei der Kreuzigung Erleichterung zu verschaffen. Daß die Oberammergauer sich den Beistand dieses Mannes sicherten, spricht für ihr großes Verständniß.

So bleibt die Passion (die Oberammergauer sagen standhaft: der Passion) auch künftig fest bestehen gleich den das liebliche Thal umschließenden Bergen, von denen die nördlich gelegenen Hügel „Die Reichen“ und der südlich gelegene Bergrücken „Die Noth“ genannt werden, weshalb der Dorfwitz zu Oberammergau sagt: „‚Die Reichen‘ haben wir im Rücken, ‚Die Noth‘ aber vor Augen.“

Spieltage werden die Sonn- und Feiertage, bei starkem Andrang der jeweils folgende Werktag sein. Für Unterkunft ist besser gesorgt als vor zehn Jahren, außerdem wird die neue Bahn von Murnau nach Partenkirchen mit der Station Oberau, von wo man in zwei Gehstunden nach Oberammergau gelangt, den Verkehr zum Passionsdorfe wesentlich erleichtern.




Blätter und Blüthen.

Vermißten-Liste. (Fortsetzung aus Nr. 24 dieses Jahrganges.)

182) „Eine bis zum Tode betrübte Mutter wendest sich in ihrer Verzweiflung“ an wie „Gartenlaube“ mit der Bitte, ihr zur Auffindung ihres Sohnes behilflich zu sein. Oskar Paul Krause, geb. am 8. Sept. 1866 zu Breslau, war Stuckateur; er meldete sich unterm 3. Juni 1887 in Berlin, wo er in Arbeit stand, auf dem Polizeiamt ab, um nach Breslau zurückzukehren, nachdem er zuvor noch ein liebevolles Schreiben, das sein Kommen meldete, an die Mutter gesandt hatte. Der Brief kam zwar in die Hände, nicht aber der Sohn in die Arme der Mutter.

183) Ein anderes Mutterherz bangt um drei verschollene Söhne, um den Seemann Henry-Karl August Tews, geb. am 31. Mai 1858, welcher im Jahre 1881 zum letztenmal schrieb, Amandus Heinrich Wilhelm Tews, geb. am 26. Aug. 1859, der 1880 noch in New-York in Stellung war und August Ludwig Christian Tews, geb. am 10. Jan. 1863. Geburtsort der drei ist Hamburg, wo die beiden jüngeren früher in Kaufmannsgeschäften thätig waren.

184) Von seiner Schwester gesucht wird Alex Hauptmann, geb. 1852 oder 1853 zu Münster, welcher in Höxter als Kaufmann lernte und später von dort nach Amerika ging.

185) Der Seemann Hugo Hermann Engel, welcher am 5. Januar 1850 zu Langenbielau, Kr. Reichenbach in Schlesien, geboren ist und sich Charles Engel nennt, schrieb im Jahre 1879, daß er sich auf einem englischen Schiff nach Brasilien begeben wolle, seitdem aber hat er nichts mehr von sich hören lassen.

186) Eine Mutter sucht ihren Sohn, den Müller Paul Eberhard Toepffer (auch Edward Patter genannt), welcher am 20. April 1868 zu Bauske in Kurland (Rußland) geboren wurde. Im August 1887 hat er zum letztenmal geschrieben und zwar aus dem Territ. Montana in Amerika; danach gedachte er nach Minneapolis zu reisen. Er bat etwaige Briefe nach Bismarck in Dacota, zu adressiren, da er über Bismarck kommen müsse. Seitdem fehlt jede Spur von Toepffer. Der Verschollene war über mittelgroß, schlank, von brauner Gesichtsfarbe und hatte tiefbraune Augen.

187) Paul Mahn, geb. am 3. Nov. 1857 zu Ober-Schwedeldorf bei Glatz, gelernter Brauer, ging vor etwa 10½ Jahren nach Blankenese in Holstein und soll sich von dort aus nach den Mittheilungen eines Schiffbesitzers in Blankenese als Matrose auf ein dänisches Schiff verdungen haben.

188) Anna Witzleb, geb. 16. Febr. 1860 in Erfurt, hat sich am 13. Okt. 1879 aus der Wohnung des Kanzleiinspektors R. Wendel in Neustadt-Magdeburg, bei dessen Ehefrau – ihrer Schwester – sie sich besuchsweise aufhielt, entfernt, um etliche Gänge zu besorgen. Sie ist von da nicht heimgekehrt und seitdem verschollen. Die siebzigjährige Mutter – der Vater ist inzwischen verstorben – kann die Hoffnung nicht aufgeben, daß die verschollene Tochter noch lebt, und bittet jeden Leser inständigst, selbst die geringsten Anhaltspunkte oder Auskünfte über den Verbleib der Vermißten an die Redaktion der „Gartenlaube“ gelangen zu lassen.

189) Fünf Geschwister bitten um Auskunft über ihren Bruder Michael Elias, geb. am 30. Dez. 1847 zu Zweibrücken in der Rheinpfalz. Derselbe war Kaufmann und ist im Jahre 1864 nach Brasilien ausgewandert; die letzte Nachricht kam vor etwa 16 Jahren aus Rio de Janeiro.

190) Der Kürschner Ernst Bruno Müller, geb. am 2. Juli 1860 zu Waldkirchen in Sachsen, schrieb noch am 1. Dez. 1887 aus Antwerpen, wo er Schreinwerkerstr. Nr. 5 wohnte. Am 11. Dez. desselben Jahres soll er nach dem Hafen gewandelt sein und ist seitdem verschollen. Müller stand erst 5 Wochen in dem Pelzwarengeschäft von Arnold Käsberg in Antwerpen, Place de la comédie 6, in Arbeit, wo er auch seinen Arbeitsanzug und sein Werkzeug zurückgelassen hat; sein Brotherr war sehr zufrieden mit ihm. Bei einem früheren Aufenthalt in Bremen schrieb Müller, die See habe eine große Anziehungskraft für ihn, und er bedauere, daß er seiner Militärpflichten wegen nicht habe zur See gehen dürfen.

191) Der Müller Johann Gruhn, welcher zu Groß-Kreutsch, Kreis Fraustadt, in Posen geboren ist und etwa 53 Jahre alt sein wird, ist über 12 Jahre von den Seinen fort, welche aus Hamburg von dem Vermißten die letzte Nachricht erhielten.

192) Friedrich Ferdinand Hufschmidt, geb. am 18. April 1845 zu Homberg im Regierungsbezirk Kassel, verzog in den fünfziger Jahren nach Amerika und ließ sich dort im Jahre 1862 zum Militär anwerben; er

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 666. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_666.jpg&oldid=- (Version vom 30.3.2020)