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verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

wo er bis zu seinem Tode als Lehrer und Schriftsteller thätig war und insbesondere auch durch gemeinverständliche öffentliche Litteraturvorträge einen weitreichenden Einfluß übte. Von seinen Werken haben wohl die neueren, „Richard Wagners Frauengestaltcn“ und seine Ebersbiographie, seinen Namen in die weitesten Kreise getragen; aber von den Fachgenossen werden nicht minder seine strengwissenschaftlichen Arbeiten, vornehmlich seine „wissenschaftlichen Jahresberichte über die morgenländischen Studien“ hochgeschätzt. Um die deutsche Litteratur und ihre Geschichte hat er sich als Lessingherausgeber und Bearbeiter der Schlegel-Tieckschen Shakespeareübersetzung, sowie durch Begründung des „Archivs für Litteraturgeschichte“, das später durch Schnorr von Carolsfeld fortgesetzt wurde, wesentliche Verdienste erworben. Die ihn gekannt haben, rühmen auch die freimüthige, dabei maßvolle und duldsame Gesinnung und das freundlich gewinnende Wesen des Mannes, den mit ihnen die deutsche Wissenschaft betrauert. =

Stickereien auf gemalter Seide. (Zu den Bildern S. 766 u. 797.) Wir haben in Nr. 26 dieses Jahrgangs auf die eigenthümliche und unschwer zu erlernende Art der Herstellung von „Smyrna-Knüpfteppichen“ hingewiesen. Jetzt macht abermals eine Erscheinung auf dem Gebiete der weiblichen Handarbeit von sich reden, welche eine weitgreifende Beachtung gefunden hat und in der That eine reiche Zukunft zu haben scheint, so daß wir nicht versäumen möchten, unsere Leserinnen etwas näher mit derselben bekannt zu machen. In der österreichisch-ungarischen Abtheilung der Pariser Ausstellung haben sechs von schöner Hand auf Seide gemalte und gestickte Bilder ein gerechtfertigtes Aufsehen erregt. Schon durch seine ungewöhnliche Größe mußte dieser für hohe schloßartige Räume gedachte Wandschmuck jedermann in die Augen fallen; sodann war es der volle Reiz der Eigenart dieser Kunst, welcher die Berichterstatter des amtlichen Ausstellungsberichts und maßgebender öffentlicher Blätter in begeisterte Lobsprüche ausbrechen ließ; zuletzt aber waren es der blendende Farbenschmuck und die großen, angeborenen Formensinn verrathende kühne Zeichnung, welche um so mehr Bewunderung bei allen Beschauern hervorriefen, als man erfuhr, daß diese Bilder von einer noch jugendlichen Dame, der Gattin des Generalkonsuls Mankiewicz zu Dresden, einer geborenen Wienerin, herrührten. Ein einheitlicher Gedanke liegt den Einzeldarstellungen zu Grund: das Wasser in landschaftlichem und architektonischem Rahmen als elementare in das Menschenleben eingreifende Naturkraft erscheinen zu lassen. Wir haben von diesen Bildern zwei unsern Lesern im Holzschnitt wiederzugeben versucht: „Die Bucht“ (S. 796) und den „Bach“ (S. 797). Zu beiden muß man sich freilich die starke Farbenwirkung hinzudenken, wie sie beispielsweise bei der „Bucht“ durch feurigrothe Fingerhutgruppen und die gefiederten Blüthen der Silberdistel im Gegensatz zu der im Tagesglanz schimmernden Meeresfläche erzielt wird, während den Hauptfarbenreiz bei dem „Bach“ die verschiedenartigen Abstufungen des herbstlichen Laubes hervorbringen. Das Ganze ist im Ton Lenauscher Todesklage gehalten und stimmt zu dem Muttergottesbild, welches zu dem Gebirgsbach zum Gedächtniß eines Verunglückten als ein „Marterl“ gestiftet zu sein scheint. Wir können nicht länger bei der Betrachtung der Bilder verweilen, zu deren ersten Anfängen Hans Makart, ein Freund des Hauses, der Künstlerin in den schmeichelhaftesten Ausdrücken Glück wünschte und auf deren glücklichen Fortschritt sein Vorbild sichtbarlich nicht ohne Einfluß geblieben ist.

Obgleich nun die Schaustücke auf der Pariser Ausstellung schon vermöge ihrer räumlichen Ausdehnung zunächst auf eine gewisse großartige Pracht angelegt sind, so ist es doch nicht ausgeschlossen, daß die dabei in Anwendung gebrachte Technik sich auch in kleinere Verhältnisse übersetzbar erweise, und aus diesem Grunde mag es unseren Leserinnen nicht unerwünscht sein, wenn wir noch ein Wort über dieselbe beifügen. Eine erschöpfende Belehrung ist in diesem Falle freilich an dieser Stelle nicht möglich, obgleich das technische Verfahren vielleicht einfacher ist, als man denken sollte. Der Atlasgrund bleibt vollkommen unpräparirt und wird nur mit einem englischen Fixirmittel stark getränkt. Die einfachste deutsche Aquarellfarbe giebt Schatten und Mittelton, Gouache erhöht die Lichter. Dabei wird an dem Grundsatz festgehalten, aus einem Ton herauszumalen. Mit dicken Anstreicher-, nicht Aquarellpinseln werden die Farben aufgetragen. Im Halbton wird das Licht durch Auftrocknen vermittelst Löschblattes, nicht durch aufgesetzte Farben erzielt. Das Stickmaterial besteht aus Seide, sogenannter Cordonetseide, Chenille, Altgold u. dgl. m. Für die feineren Schattirungen muß man weiße Seide eben selbst färben. Man nimmt die dickste Sticknadel, deren Oehr gestattet, die gröbste Chenille aufzunehmen. Das alles hört sich natürlich leicht an und klingt wie ein Küchenrezept aus der seligen Löfflerin Kochbuch. Die Künstlerin selbst konnte uns ihr technisches Verfahren nicht allgemeinverständlicher beschreiben, aber hier wie überall heißt es eben: die Uebung macht den Meister. Unzählige Schwierigkeiten haben sich Frau Henriette Mankiewiez anfangs in den Weg gestellt; sie hat sie auf ihre Weise überwunden, andern mag auf andere Art mehr oder weniger leicht dasselbe gelingen. Eines wird aber überall dasselbe bleiben müssen, als das einzige, was, Talent und eine gewisse Vorbildung vorausgesetzt, zum Ziel führen kann: eiserner Fleiß, der von den ersten Skizzen und Entwürfen bis zu den letzten Strichen niemals ermattet, und jene künstlerische Sammlung, die, wie Schiller sagt, „unerschlafft im kleinsten Punkt die größte Kraft“ zu vereinigen vermag.

Karl V. flieht vor Moritz von Sachsen. (Zu dem Bilde S. 792 und 793.) Dies stimmungsvolle Bild von G. A. Cloß ist der Zeit tiefster Demüthigung entnommen, welche der mächtige Kaiser, in dessen Reich die Sonne nicht unterging, zu überstehen hatte. Sein Schützling, Moritz van Sachsen, wandte auf einmal die Waffen gegen ihn, nachdem er mit dem König Heinrich II. von Frankreich, mit Johann von Brandenburg-Küstrin, Albrecht von Brandenburg-Culmbach und Wilhelm von Hessen ein Bündniß geschlossen hatte. Es galt den Schutz des Augsburgischen Bekenntnisses und den Kampf gegen die Spanier; der Landgraf von Hessen und der Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen sollten aus ihrer Gefangenschaft befreit werden. Moritz hatte die Ehrenberger Klause, die Pforte zum Innthal und dem tiroler Land, erobert; dem ohne Heer in Innsbruck verweilenden Kaiser drohte die Gefahr, in die Hände des rebellischen Fürsten zu gerathen. Nur einer Meuterei der Moritzschen Truppen hatte er es zu danken, daß ihm noch Zeit blieb, sich in eiliger Flucht über die Pässe des Gebirgs nach Villach in Kärnten zu retten.

Der Kaiser mußte sich in einer Sänfte tragen lassen; zu Roß und zu Fuß geleitete ihn ein kleines bewaffnetes Gefolge. Es war Ende Mai des Jahres 1552 – aber mühselig war der Weg durch die verschneiten Pässe; der Kaiser selbst war krank und von Schmerzen gequält. So sehen wir ihn in seiner Sänfte sitzen; das Unbehagen der erzwungenen Flucht, körperliche Pein und Pein der Seele spiegeln sich in seinen Zügen. Diesen Kurfürsten Moritz hatte er hoch erhoben, ihm sein volles Vertrauen geschenkt – und nun wandte sich der Undankbare gegen ihn, noch dazu so plötzlich, so heimtückisch! Was mag in der Seele des alternden Fürsten vorgehen? Denkt er seiner Glanztage, als der Landgraf Philipp vor ihm knieete, als der Kurfürst Johann Friedrich, ein verwundeter Gefangener, vor ihn geführt wurde? Oder sieht er im Geiste schon die enge Klosterzelle, in der er sein müdes Haupt betten will? Immer vorwärts, ihr Träger, durch die mit Schnee verschütteten Pässe, durch den Frost der Alpenregionen! Bald vielleicht wird ein milderer Hauch aus Süden den starren Schmerz des über seinem Schicksal brütenden Kaisers lösen, dessen Haupt, wie Platen singt, mit mancher Krone „bediademt“ war.

Aus den Kindheitstagen einer Weltmacht. Ein englischer Minister, wenigstens ein gewesener, war das erste Opfer der Eisenbahn. Sir Huskisson, zuletzt 1828 Staatssekretär der Kolonien, wurde von einer ihre Künste im Vor- und Rückwärtsfahren zeigenden Lokomotive überfahren mitten in dem Festesjubel bei Eröffnung der ersten größeren englischen Lokomotivbahn von Liverpool nach Manchester am 15. September 1830. Der höheren Kreise bemächtigte sich infolge dessen eine solche Furcht vor einer Eisenbahnfahrt, daß Prinz Albert in Fürsorge für das Leben seiner Gemahlin, der Königin Viktoria, derselben erst 12 Jahre später, im Jahre 1842, auf der Eisenbahn zu fahren gestattete. Friedrich Wilhelm III. von Preußen benutzte die Bahn Berlin-Potsdam (1838 erbaut) erst zwei Jahre nach deren Fertigstellung. Dagegen wohnte Herzog Wilhelm von Braunschweig in einem hierzu eigens angefertigten Salonwagen – man hatte zu diesem Zwecke eine Hofequipage auf einem vierrädrigen Plattformwagen befestigt – der ersten Festfahrt von Braunschweig nach Wolfenbüttel im Dezember 1838 in Person bei. Kaiser Wilhelm I. und Gemahlin, damals noch Prinz und Prinzessin von Preußen, fuhren zum erstenmal auf der Eisenbahn Nürnberg-Fürth am 9. August 1836 – 8 Monate nach deren Eröffnung.




Kleiner Briefkasten.

N. Sch. in St. Paul. Besten Dank für Ihre freundliche Zuschrift und für die Anhänglichkeit, welche Sie unserem Blatte fünfundzwanzig Jahre hindurch bewiesen haben! Wir wissen indessen in Amerika zahlreiche Abonnenten, welche die „Gartenlaube“ von ihrer Begründung an bis heute ununterbrochen gehalten haben.

Eine Einsame. Wir bitten um gefl. Angabe Ihrer genauen Adresse, damit wir Ihnen brieflich antworten können.

M. S. Wenden Sie sich an einen Arzt.


Inhalt: Sakuntala. Novelle von Reinhold Ortmann (Fortsetzung). S. 789. – Ein glücklicher Fund. Illustration. S. 789. – Ein Reich – Ein Recht. Von Fr. Helbig. S. 794. – November. Gedicht von Otto Sievers. S. 798. – Eine kleine Vergnügungsreise. Humoreske von Hans Arnold (Fortsetzung). S. 798. – G’schichten von der Alm. Illustration. S. 801. – Blätter und Blüthen: Zwei deutsche Gelehrte †. S. 803. – Stickereien auf gemalter Seide. S. 804. Mit Abbildungen S. 796 u. 797. – Karl V. flieht vor Moritz von Sachsen. S. 804. Mit Abbildung S. 792 und 793. – Aus den Kindheitstagen einer Weltmacht. S. 804. – Kleiner Briefkasten. S. 804


In dem unterzeichneten Verlage ist soeben erschienen und durch die meisten Buchhandlungen zu beziehen:

Romeos Tochter. – Lenz im Herbst. – Speranza.
Italienische Geschichten von A. Schneegans.
Elegant broschirt M. 4.50. Elegant in Leinen gebunden M. 5.50.

In den „Italienischen Geschichten“ von A. Schneegans spiegeln sich die Farben des Südens, das eigenartige Naturell des lebhaften Südländers ist mit markigen dichterischen Zügen erfaßt und die Handlung in den einzelnen Erzählungen wirkungsvoll verschlungen. Glühende Farbenmischung, Kraft und Spannung sind Vorzüge, welche den „Italienischen Geschichten“ einen ungewöhnlichen Beifall sichern. „Speranza“ und „Romeo’s Tochter“ (letztere unter dem Titel „Sicilische Rache“) fanden denselben bereits bei ihrer Veröffentlichung in der „Gartenlaube“ und „Lenz im Herbst“ reiht sich ihnen vollkommen gleichwerthig an.

Verlagshandlung von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.

Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1889, Seite 804. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_804.jpg&oldid=- (Version vom 3.12.2022)