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verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

„Dir?“ Adelheid sah ihn befremdet an. „Hast Du, der Gesandte einer großen Macht, etwa nach der Ungnade einer boshaften Frau zu fragen, die zufällig mit dem herzoglichen Hause verwandt ist?“

„Mein Kind, das verstehst Du nicht,“ versetzte Wallmoden kühl. „Eine ränkesüchtige Frau kann gefährlicher werden als ein politischer Gegner, und Prinzessin Sophie ist bekannt in dieser Hinsicht, selbst die Herzogin fürchtet ihre boshafte Zunge.“

„Das ist Sache der Herzogin – ich fürchte sie nicht!“

„Meine liebe Adelheid,“ sagte der Gesandte mit einem überlegenen Lächeln, „diese stolze Kopfbewegung steht Dir ausgezeichnet, und ich billige es durchaus, wenn Du Dich anderen Kreisen gegenüber damit unnahbar machst. Bei Hofe aber wirst Du sie Dir doch abgewöhnen müssen wie so manches andere. Man giebt fürstlichen Personen nicht eine Lehre vor so vielen Zeugen, und das thatest Du, als Du von der Ablehnung des Adels sprachest. Es war überhaupt nicht nothwendig, daß Du die Herkunft Deines Vaters so entschieden betontest.“

„Sollte ich sie vielleicht verleugnen?“

„Nein, denn es ist eine allbekannte Thatsache –“

„Auf die ich stolz bin, wie mein Vater es war!“

„Du bist aber jetzt nicht mehr Adelheid Stahlberg, sondern die Baronin Wallmoden“ – die Stimme des Gesandten hatte eine gewisse Schärfe angenommen – „und Du wirst Dir selbst sagen, daß es einigermaßen widerspruchsvoll ist, seinen Bürgerstolz so zur Schau zu tragen, wenn man einem Manne von altem Adel die Hand gereicht hat.“

Um die Lippen der jungen Frau zuckte es wie eine leise Bitterkeit, und obgleich das Gespräch durchweg in gedämpftem Tone geführt wurde, sank ihre Stimme noch mehr, als sie erwiderte:

„Du hast wohl vergessen, Herbert, weshalb ich Dir meine Hand reichte!“

„Hast Du vielleicht Ursache gehabt, es zu bereuen?“ fragte er statt aller Antwort.

„Nein,“ sagte Adelheid mit einem tiefen Athemzuge.

„Ich dächte auch, Du könntest mit der Stellung zufrieden sein, die Du an meiner Seite einnimmst. Uebrigens weißt Du, daß ich keinen Zwang ausgeübt habe, ich ließ Dir vollkommen freie Wahl.“

Die junge Frau schwieg, aber jener bittere Ausdruck wich nicht von ihren Lippen.

Wallmoden erhob sich und bot ihr den Arm.

„Du mußt mir schon erlauben, mein Kind, Deiner Unerfahrenheit bisweilen zu Hilfe zu kommen,“ sagte er in dem gewohnten artigen Tone. „Ich habe bisher allen Grund gehabt, mit Deinem Takt und Deinem Auftreten zufrieden zu sein, es ist heut das erste Mal, daß ich Dir einen Wink geben muß. – Darf ich Dich bitten?“

„Ich möchte noch einige Minuten hier bleiben,“ sagte Adelheid leise. „Es ist so erstickend heiß in den Sälen.“

„Ganz wie Du wünschest, aber ich bitte Dich doch, nicht allzulange zu verweilen, Deine Zurückgezogenheit könnte auffallen.“

Er sah und fühlte es, daß sie verletzt war, aber er fand es nicht für gut, Rücksicht darauf zu nehmen. Baron Wallmoden verstand sich bei aller Artigkeit und Aufmerksamkeit doch ausgezeichnet auf die Erziehung seiner jungen Gattin, dergleichen Empfindlichkeiten durfte man ihr nicht gestatten. Er ging, und Adelheid blieb allein zurück; sie stützte den Kopf in die Hand und betrachtete anscheinend aufmerksam die Blumengruppe, die sich in ihrer unmittelbaren Nähe befand, aber dabei flüsterte sie fast unhörbar:

„Freie Wahl? – O mein Gott!“

(Fortsetzung folgt.)




Die deutschen Frühlingsfeste.
Von Alexander Tille. Mit Abbildungen von Fritz Bergen.

Die alten Germanen theilten das Jahr nicht in vier, sondern in drei Jahreszeiten: der Herbst war ihnen unbekannt wie seine Gaben. Dementsprechend feierten sie drei Hauptfeste, welche ebenso wenig wie unsere heutigen drei großen kirchlichen Feste in gleichen Zwischenräumen über das Jahr vertheilt waren, obgleich sie mit diesen keineswegs zusammenfallen. Es waren einmal die beiden Sonnenwendtage, Johannestag und Weihnacht, und sodann ein Frühlingsfest, das wohl ziemlich genau in der Mitte zwischen beiden in der ersten Jahreshälfte lag. Während nun die beiden ersten Feste leicht ihren Platz im Kreislaufe des Jahres zu behaupten vermochten, da sie auf astronomisch bedeutsame Tage fielen, war dies bei dem Frühlingsfest nicht der Fall. Das große zeitliche Schwanken des christlichen Osterfestes vom 22. März bis zum 25. April, welches seit dem Jahre 325 zur Geltung kam, die Einführung des Gregorianischen Kalenders und vielleicht noch mancher andere Einfluß haben eine Reihe Verschiebungen eintreten lassen, infolge deren die einheitliche Festfeier zerrissen wurde und je nach der Gegend, wo der eine oder der andere Umstand wirkte, Spaltungen eintraten, welche uns heute das Recht geben, von mehreren deutschen Frühlingsfesten zu sprechen, deren Haupt allerdings das Osterfest ist.

Noch ist draußen gewöhnlich Eis und Schnee nicht von den Fluren geschwunden, noch eilt der Schlitten auf der Landstraße hin und der Wind knickt Eiszapfen von den Dachkanten, da begeht das deutsche Volk in seiner Fastnacht sein erstes Frühlingsfest, seine Frühlingsvorfeier. Das alte Fastnachtsfest währte sechs Tage und reichte vom Donnerstag vor Fastnacht, dem „unsinnigen Pfinztag“ Tirols, bis zur Mitternacht vor Aschermittwoch. Es ist nur eine Art Vorfeier; denn noch ist der Frühling ja nicht Herr im Lande, noch muß er sich erst den Plan erkämpfen. Aber eben diese Kämpfe bringt die Fastnachtsfeier in einem Spiele zur Darstellung, das auf deutschem Boden weit verbreitet ist.

In Niederösterreich ziehen am Faschingsdienstag zwei Männer durch das Dorf. Der eine ist in einen Pelz gehüllt. Seinen Kopf bedeckt eine große Pelzmütze; Arme und Beine sind mit Stroh umwunden, in der Hand trägt er einen Dreschflegel: es ist der Winter. Einen freundlicheren Eindruck macht sein Genosse, der den Sommer darstellt. Ein langes weißes Hemd fällt bis auf seine Knöchel nieder, das ein goldener Gürtel zusammenhält, in dem einige Nadelreiser stecken. Seine Rechte führt eine Sichel. In friedlicher Gemeinschaft ziehen beide von Haus zu Haus, überall empfängt sie der Jubel der Kinderschar. Ehrfurchtsvoll macht man ihnen in den Stuben Platz. Alle Hausgenossen treten auf eine Seite. Winter und Sommer stellen sich einander gegenüber, und es beginnt ein Wortgefecht, in dem einer den andern schlecht zu machen sucht und bei dem man wohl nicht zu allen Zeiten bei Worten stehen blieb. Der Sommer beginnt:

„Da Winter is a grober Gsöll,
Er jagt die alten Weiber in die Höll[1],
Herimei[2], da Summer is fei!“

  1. Den Ofenwinkel.
  2. Ihr Herren mein.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1890, Seite 173. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_173.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)