Seite:Die Gartenlaube (1890) 377.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Die Gänsehüterin.

Abseits vom Dorf ein altes Haus. Kühl schatten Eich’ und Buche;
Am plätschernden Trog das Mädchen sitzt, das Haar in rothem
Tuche.
Sie sitzt in Blumen und Wiesengras, ein Lächeln auf den Lippen:
Wie lustig sieht sich’s den Gänsen zu! Die schnattern, zupfen
und nippen.
Fern brüllt ein Rind; in blauer Luft zieh’n Schwalben ihre
Kreise –
Das ist ein traumhaft Leben hier, genußlich, weich und leise.
Das ist ein Leben, wie ich’s einst geliebt in müßigen Stunden;
Es war so süß — die Jugend schwand, ich hab’s nicht mehr
gefunden —
Dies Lächeln find’ ich niemals mehr vor Denken und vor Sorgen,
So kinderhaft, so müßig froh, so wunschlos und geborgen.

Victor Blüthgen.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 377. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_377.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2022)