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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Der Zug der Raubritter auf die Losburg.

zur Bühne herauf; die alte Raubritterwelt, die Zeit des Faustrechtes steigt vor uns auf. Ein grauser Mord vollzieht sich vor unseren Augen! Troßknechte des Raubritters auf Losburg tragen Beutestücke die Burgtreppe hinauf. Sterbend verflucht der Erschlagene, ein fränkischer Edelmann, den Raubritter und seine Burg. Eine bange, düstere Stimmung bemächtigt sich der Gemüther beim Anschauen dieses Bildes. Aber bald macht sie einer freudigen Erregung Platz!

Eine ganze Fluth kleiner lustiger Gnomen ergießt sich allmählich aus dem Innern des Berges. Erst einzeln, dann immer zahlreicher kommen sie aus allen Löchern, Klüften, Spalten eilig hervor, die bunten Gestältchen in rothen, blauen, gelben Kapuzen, langen lichten Bärten, in Schurzfell und Bluse, hüpfend und springend; neckische Bilder entwickeln sich, immer von neuem das Auge fesselnd. Der Gnomenkönig Alberich, eine majestätische Erscheinung, kündet neues Unheil an: die bittersten Feinde der Alben, die Walen, auch Venediger geheißen, nahen. Die Alben werden zu treuer Wachsamkeit aufgerufen und verschwinden, wie sie gekommen sind; der Berg saugt sie eiligst wieder ein.

Nachdem die Feinde, die „düstern Wühler in der Erde Schoß“, ihre verführerische Macht auch an schlichten Landleuten geübt, mit teuflischer Gewandtheit in die Herzen frommer Wallfahrer die Gier nach Gold und sinnlicher Lust pflanzend, nachdem Greuel über Greuel auf die Schultern des Berges sich gehäuft, vollzieht sich der Fluch; das Raubnest geht in Flammen auf, der Berg liegt öd und wüst, von Menschen scheu gemieden. –

Da naht die Zeit der Entsühnung!

„Es kam von Norden hergezogen
Ein Stern so hehr, so mild, so klar,
Wie keiner je am Himmelsbogen
Der Heimath aufgegangen war:

Da, als Luise, du erschienen,
Da ward gelöst der Zauberbann,
Vor deinen engelgleichen Mienen
Der alte Fluch in nichts verrann.“

Zum heutigen Feste will wiederum sie erscheinen, die Deutschland seinen guten Engel nennt, will die Fahne mit einem selbstgestickten L, welche sie in jenen Tagen von 1805 den Wunsiedlern geschenkt, von neuem weihen.

Hoch oben tritt die Hehre aus einer Felsengrotte in der Haltung, wie das bekannte Richtersche Bild sie darstellt. Vom hohen Fels segnet sie den Berg, seine Quellen, seine Lüfte und schreitet majestätisch langsam unter den Klängen einer leisen, lieblich feierlichen Musik herab, besteigt den von Alben errichteten Thron und empfängt die Huldigungen der Wunsiedler, die sich vor der hohen, königlichen Gestalt in tiefer Ehrfurcht neigen.

Gar manches Auge sah man feucht werden bei dieser erhebend würdevollen Feier.

Nachdem die Königin die Fahne gesegnet, nachdem die Bürger ihr gelobt, „treu zu stehen zum großen Vaterland in Glück und Noth“, stimmt die Musik „Deutschland, Deutschland über alles“ an; Veteranen mit Fahnen der verschiedenen deutschen Bundesstaaten sämmtliche zweihundert Mitspielende sammeln sich auf der Bühne; Norddeutschland und Süddeutschland, sinnbildlich durch einen preußischen und einen bayerischen Soldaten dargestellt, reichen sich vor dem Throne brüderlich die Hand; und im vollen Chor, auch von den Zuschauern begeisterungsvoll mitgesungen, braust der vaterländische Gesang durch den herrlichen Tann!

Das Spiel ist nunmehr zum Schlusse gelangt.

Rasch bildet sich ein überaus farbenprächtiger Festzug, der sich in wunderbaren Linien die Felsensteige empor und wieder herabwindet bis zum „Gesellschaftsplatz“ der Luisenburg, wo die Alben zum Abschluß des Zuges noch einen trefflich eingeschulten Huldigungsreigen vorführen.




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Denksprüche von D. Sanders.


Spruch und Edelstein.

Die Wahrheit und der Diamant
Sind an sich werthvoll; doch erkannt
Wird meist ihr Werth erst und begriffen,
Wenn sie, von Künstlerhand geschliffen,
In rechte Fassung sind gebracht.
Hell funkelnd strahlt dann der Brillant
Und jeder preiset seine Pracht.
Ein Spruch, der jedem leuchtet ein,
Ist eben solcher Edelstein.


Urtheil nach dem Erfolg.

Man fragt nicht viel bei deinen Thaten,
Ob Gutes du gewollt, wenn sie sind schlecht gerathen.


Vater und Sohn (afghanisch).

Des Vaters wird mit Segen oder Fluch gedacht
Nach dem, was Böses oder Gutes hat der Sohn vollbracht.


Ruhm.

Ruhm, der dir folget, erfreut;
doch er peinigt dich, wenn du ihm nachjagst.


Liebe und Eifersucht.

Sind Lieb’ und Eifersucht ein Schwesternpaar,
Sind’s Stiefgeschwister doch nur, das ist klar!
Ungleicher könnten nicht die Väter von den zwein,
„Vertrauen“ der und dieser „Mißtrau’n“ sein.



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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 575. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_575.jpg&oldid=- (Version vom 1.11.2023)