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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Erzeugung des elektrischen Lichts und eine zur Hervorbringung des starken Luftstroms, stehen. Das viereckige Gerüst, das den Reflektor des elektrischen Lichtes und den Trichter des Exhaustors trägt, steht einer Guillotine ähnlich, und im Grunde genommen ist der „Einhaucher“ auch ein Werkzeug, um die Verbrecher in Massen umzubringen. Wenn der Lichtstrahl der elektrischen Bogenlampe - die früher in einer Höhe von 25 Metern angebracht war, jetzt nach mehrmaligen Versuchen auf 8 Meter Höhe heruntergesetzt ist - das Waldesdunkel bei gutem Wetter erhellt, schwirren die Milliarden von Schmetterlingen in unheimlichen Schwärmen hervor und theils unmittelbar auf die Lichtgarbe, theils auf das von der Lokomobile erzeugte Rauchgebilde zu. Aber nicht immer gelingt das Masseneinfangen, nur jene Schwärmer, die vom Luftzug des „Einhauchers“ erwischt werden, verschwinden in dem weiten Halse des Apparates und werden unten in Säcke gestampft und vernichtet. Man glaubt, mit solchen Versuchen an 100- bis 200000 Falter während einer Nacht von 1/2 9 abends bis 2 Uhr früh vernichten zu können.

In der That soll der „Exhaustor“ noch die beste Vertilgungswirkung besitzen, während zahlreiche andere Vorschläge ohne praktische Bedeutung sind. So will der eine im Walde große mit Honig und Aepfelmus bestrichene Tücher als Fangmittel ausgebreitet wissen, ein anderer will die Schmetterlinge durch Steinkohlentheerrauch vernichten, ein dritter empfahl, mehrere Regimenter mit Vogeldunstgewehren auszurüsten und den Nonnen militärisch entgegenzurücken. Unter Leitung des Chefs der bayerischen Forstverwaltung, Ministerialrat v. Ganghofer, haben in einzelnen Revieren Versuche mit Waldleuchtfeuern und „Nonnenlichtern“ (Zinkfackeln) stattgefunden, von denen letztere sich als praktischer erwiesen, da das intensive Licht die Schmetterlinge aus den höchsten Beständen anlockt, ohne daß die Luft wie bei den Leuchtfeuern besonders erwärmt wird. Um aber die zu Tausenden herbeifliegenden Thiere zu fangen, muß eine große, mit Klebestoff bestrichene, durchscheinende Leinwandfläche aufgespannt werden. Alle diese Maßnahmen sind eben Versuche, die endgültig nicht abgeschlossen sind. Glücklicherweise scheint die Natur selbst als beste Helferin bei der Vernichtung der Nonnen auftreten zu wollen. Man hat beobachtet, daß der Durchfall (eine bekannte Raupenkrankheit) viele Raupen vernichtete, und tatsächlich konnte man vielfach den üblen Geruch verfaulenden Gewürmes wahrnehmen. Ein anderer Beobachter hat eine Menge getödteter Puppen gefunden, welchen Schlupfwespen entschlüpften - Verlassen wir den Exhaustorhügel, so gelangen wir nach kurzer Wanderung durch eine junge, völlig abgefressene Kultur zum Forsthaus „Diana“; abseits von demselben stehen drei Blockhütten, in welchen zu je 60 Mann die Holzarbeiter kampiren. Für gebirglerische Bedürfnisse bieten die Hütten genügende Bequemlichkeit, und die jeweils schichtfreien oberländler Holzer kochen inzwischen den kräftigen „Retzel“ (Schmarrn, Mehlspeise), der lange vorhält und eben warme Kost ist, indeß die Arbeiter aus anderen Gegenden sich an Speck und Fleischspeisen halten, die nicht immer zu haben sind. Während im Forstenrieder Park über 400 Holzhacker arbeiten, ist im bedeutend größeren Revier zu Ebersberg eine ganze Armee von Holzknechten in vollster Thätigkeit, den Wald dem Erdboden gleich zu machen.


Die Vernichtung der Falter mittels elektrischen Lichtes und Exhaustors.


"Der Tod tost im Walde!" klagt Lenau. Ein ächzend Sterben ist es auch, wenn ein Baumriese nach dem andern prasselnd stürzt und dumpf am Boden aufschlägt. Wie eine Staubwolke wirbelt es dann empor zum trüben Himmel, die Nonnen verlassen den gefällten Baum, nachdem sie ihn gemordet. Ein düsteres, ernst stimmendes Bild! Auch die munteren Sänger verlassen den Forst, nur Meisen piepsen noch zuweilen in einem Geräumte, wo die Holzfäller noch nicht zu schlagen begonnen haben. Auf den neuerrichteten Telephonlinien haben sich ganze Schwärme von Schwalben niedergelassen, vielleicht hat Mutter Natur sie dorthin kommandirt.

Von seiten der Regierung ist ebenso wie vom Generalkomitee des Landwirtschaftlichen Vereins alles aufgeboten worden, eine Verminderung des Insektes herbeizuführen; bis Anfang August waren hierfür 31 000 Mark zu Versuchen ausgegeben. Im Vorjahre haben die Maßnahmen zur Verminderung der Nonne allein im Ebersberger Park 4000 Mark gekostet, und trotzdem ist gerade dieser mächtige Forst verloren. Ueber die Frage, ob kahlgefressene Föhren- oder Fichtenbäume lebensfähig bleiben und die Nadeln wieder wachsen, wenn nicht im nächsten Jahre abermaliger Raupenfraß eintritt, wird viel verhandelt und eine endgültige Beantwortung ist wohl nicht gefunden. Daß der Ebersberger Park niedergelegt wird, könnte füglich als eine Verneinung obiger Frage betrachtet werden.

Inzwischen kommen die Hiobsposten auch von den Gegenden am Ammersee, dem Main und aus dem Hochland selbst, und noch ist kein Ende dieser Landplage abzusehen. Möge es gelingen, ihrer Herr zu werden, den „Tod, der im Walde tost“ zu vertreiben und neues Leben und Grünen zu schaffen!




Eduard Bauernfeld.

Nachdem er fast neunzig Jahre gelebt und fast siebzig Jahre litterarisch geschaffen, ist Eduard Bauernfeld am 9. August d. J. dahingegangen. Er hatte bis über die Schwelle des Patriarchenalters hinaus sich die geistige und körperliche Rüstigkeit in so hohem Maße bewahrt, daß man kaum daran dachte, auch er werde der Natur den unvermeidlichen Zoll entrichten müssen. Das Selbstverständliche hat sich nun vollzogen, und es mutet uns merkwürdigerweise wie etwas Verwunderliches an - uns Wiener nämlich , die wir uns gewöhnt hatten, den aufrechten Greis wie ein ewiges Wahrzeichen deutsch-österreichischen Schriftthums leiblich unter uns wandeln zu sehen.

Bauernfeld, geboren in der österreichischen Hauptstadt am 13. Januar 1802, hat dem Theater mehr als hundert dramatische Werke geschenkt:

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 607. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_607.jpg&oldid=- (Version vom 4.10.2022)