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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)


Warnung beutelustiger Wölfe, und aus der Csarda klingt des Zigeuners Fiedel und das „Eljen“ des wein- und tanzfrohen Csikos leise in die weite Pußta, über welche sich der unendliche Himmelsbogen mit seinen Millionen schimmernder Sterne wölbt – ein Bild von unsagbar ergreifender, echter Steppenpoesie!


Das Neujahrsblasen der Berliner Postillone. (Zu dem Bilde S. 881.) Zur Zeit der Jahreswende, wenn überall die Geschäftsleute ausruhen von der Arbeit, die das Weihnachtsfest gebracht hat, schwillt die Thätigkeit der Mannen Stephans zu wahrhaft unheimlicher Höhe an und erfordert zu ihrer Bewältigung die ganze Lust und Liebe und zugleich die selbstlose Pflichttreue aller der Personen, die zu der Postarmee gehören und deren Leistungsfähigkeit wir zu bewundern schon so oft Gelegenheit hatten.

Am lebhaftesten und angestrengtesten geht es in dieser Nacht im Berliner Hauptpostgebäude zu. Wagen auf Wagen rollen in die Höfe ein, und sie liefern immer neue, endlose Berge von Packeten, Briefen und Karten ab, die von Hunderten von Beamten nach den auswärtigen Ortschaften, dann nach den Stadtgegenden Berlins und schließlich nach den einzelnen Postanstalten auseinandergelesen und letzteren sofort wieder durch Eilposten überliefert werden. So geht es Stunde auf Stunde; immer mehr wächst die Arbeit, statt abzunehmen, und scheint kurz vor Mitternacht überhaupt jeder rechtzeitigen Bewältigung zu spotten. Da, hoch vom Rathhausthurm dröhnt der erste der zwölf Schläge, und in demselben Augenblick verkünden Postillone mit lauten Trompetenstößen in jedem Saal, daß das neue Jahr begonnen und die Arbeit für eine kurze Zeit zu ruhen hat.

Die leitenden Beamten halten kurze Ansprachen, Erfrischungen werden herumgereicht, und nun ertönen auch draußen auf dem Posthofe die friedlichen, zu Herzen gehenden Klänge eines von Postillonen geblasenen Chorals, dessen stimmungsvolle Weisen die Vorübergehenden von den Straßen heranlocken.

Nach einer viertelstündigen hochwillkommenen Pause wird die ruhende Arbeit mit fiebernder Hast wieder aufgenommen und derart gefördert, daß sie in ihren wichtigsten Theilen fast immer beendet ist, wenn die Neujahrsschwärmer noch in den Federn liegen und von all dem Herrlichen träumen, was das neue Jahr in seinem Schoße für sie birgt.


Neues Nürnberger Schattentheater. Licht und Schatten sind ein äußerst ausgiebiges Material, um allerlei denkbare Scherze für unsere Kinderwelt daraus zu formen. Von den kuriosen Schattenfiguren, welche Hand und Finger auf die Wand zaubern, führt eine lange Stufenreihe von Verwendungen dieser elementaren Kräfte bis hinauf zu reich ausgestatteten Schattentheatern, die ganze Tragödien und Komödien, Ritter- und Ausstattungsstücke den staunenden Kleinen vorzuführen erlauben. Und was wäre auch mehr geeignet, kindliche Herzen in Entzücken zu versetzen, als wenn so die scharfumrissenen Silhouetten wohlbekannter Typen über den hellen Hintergrund stolzieren und dazu ein phantasievoller „Theaterdirektor“ die schönsten Geschichten erzählt! Wir haben wohl schon da und dort von einem kunstreichen Vater gehört, der in den Stunden seiner Muße – sie müssen indessen schon recht reichlich bemessen sein – seinen Kindern ein solches Schattentheater aufbaute und mit vielgestaltigen „Requisiten“ versah, mit Häusern, Bäumen, Kindern, Greisen, Bürgern, Soldaten u. s. w. u. s. w. Aber sie sind gezählt, die glücklichen Kinder, die eines solchen Vaters sich erfreuen. Da ist nun ein Nürnberger Spielwarenfabrikant, C. Abel-Klinger, auf den Gedanken gekommen, ein solches Theater von möglichst einfachen und leicht im handhabenden Formen auszusinnen und auf fabrikmäßigem Wege in größerer Anzahl herzustellen. Ein hervorragender Künstler, der Direktor des bayerischen Gewerbemuseums, Th. v. Kramer, hat die Entwürfe für die Hintergründe und die Figuren geliefert, und so ist etwas recht Gediegenes zustande gekommen, was doch einem nicht zu kleinen Kreise zugänglich ist. Ueberall, wo das „Neue Nürnberger Schattentheater“ hinkommt, wird es sicher eine unerschöpfliche Quelle der Belustigung bieten, zugleich aber auch eine Anregung in jenem höheren Sinne, wie sie Goethe in „Dichtung und Wahrheit“ schildert, wenn er sagt: „Diese kindliche Unterhaltung und Beschäftigung (er meint damit

sein Puppentheater) hat auf sehr mannigfaltige Weise bei mir das Erfindungs- und Darstellungsvermögen, die Einbildungskraft und eine gewisse Technik geübt und gefördert, wie es vielleicht auf keinem andern Wege in so kurzer Zeit, in einem so engen Raume, mit so wenigem Aufwand hätte geschehen können.“

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Eine Weihnachtsbescherung für junge Ehemänner.
Nach einem Gemälde von F. Stuck.
Photographie im Verlage der Photographischen Union in München.


Schön und jung zu bleiben, das ist ein uralter Wunsch der Menschheit. Die Sage vom Jungbrunnen war in verschiedenem Gewande allen Völkern bekannt, und in allen Herzen erwacht die Sehnsucht nach der entflohenen Jugend, wenn der erste Schneefall unsere Haare bleicht und das erste weiße Haar etwas wie ein fernes Echo des Trappistenspruches: „Bruder, bedenke, daß du sterben mußt!“ in unserer Seele weckt. Die Philosophie tröstet uns, indem sie das Greisenalter, das die Stürme der Leidenschaft nicht kennen soll, verklärt, aber ihre Lehren finden nicht immer Bekenner, die meisten Menschen würden auf Unsterblichkeit ohne Jugend verzichten, um nur das Los des Tithonos nicht zu theilen, dem die Götter auf Flehen der Göttin der Morgenröthe die Unsterblichkeit schenkten, dabei leider aber vergaßen, ihm die werthvollere Gabe der ewigen Jugend mit zu spenden. Tithonos schrumpfte bekanntlich derart zusammen, daß ein mitleidiger Gott ihn in eine Cikade verwandelte. Im Mittelalter suchten die Menschen nach dem Stein der Weisen, der verjüngende Kraft besitzen sollte, später zogen Charlatane wie Cagliostro und Graf von St. Germain Nutzen aus der Sehnsucht der Welkenden – und selbst in unserem aufgeklärten Zeitalter beschäftigt man sich mit Verjüngungskuren.

Die Wissenschaft selbst hat sich engere Schranken gezogen; sie hat längst den Jung- und Schönbrunnen entdeckt, soweit er in der vergänglichen Welt erreichbar ist. Sie spricht von der Hygieine, welche ein frühzeitiges Krank- und Welkwerden verhüten soll. „Lebt naturgemäß, meidet Modethorheiten, glaubt nicht den Geheimmittelkrämern, die euch Giftpomaden anbieten, und ihr werdet lange leben und lange schön bleiben“, das ist ihr Rezept!

Wie viel Artikel in Zeitungen, wie viel Bücher sind schon darüber geschrieben worden! Es scheint beinahe gewagt, die Leser und namentlich die Leserinnen von neuem mit Belehrungen über die Pflege der Haut, der Haare und der Zähne zu belästigen, und doch weiß der Arzt, daß es nöthig ist, denn viele werden krank in dem Bestreben, sich schön zu machen!

Viele gute Bücher werden nicht zu Ende gelesen, weil sie zu trocken, zu pedantisch geschrieben sind. Namentlich die Frauen möchten über solche Fragen nur plaudern, anstatt gründliche Auseinandersetzungen hören zu müssen. Diesen Ton trifft ein italienisches Büchlein „Die Hygieine der Schönheit“ von Paul Mantegazza, das in einer deutschen Uebersetzung erschienen ist (Verlag von Heinrich Matz, Königsberg i. Pr.). Es ist eine anregende Plauderei über die Kunst, die Schönheit zu erhalten, und aus der Plauderei ergeben sich die wichtigsten Regeln von selbst.

Die Rathschläge Mantegazzas sind leicht zu befolgen. Um das frühzeitige Ergrauen der Haare zu verhüten, soll man nur folgendes thun:

„Vermeide alles Uebermaß, das den Organismus schwächt. – Sei immer zufriedenen Herzens. – Bürste und reinige oft den Kopf. – Gieb nie einen Pfennig für Pomade oder kosmetische Mittel aus, die als wirksam gegen das Erbleichen der Haare angepriesen werden. Schneide das Haar häufiger als gewöhnlich, sobald es anfängt grau zu werden.“

„Manche reißen sich,“ fährt er dann fort, „die grauen Haare aus, so lange es nur wenige giebt; doch will Brown-Séquard beobachtet haben, was aber noch weiterer Bestätigung bedarf, daß, sobald ein graues Haar ausgerissen wird, an derselben Stelle gleich drei oder vier andere erscheinen. Das erinnert mich an den Gebrauch einiger Pferdehändler, die, um ihre Pferde mit einem weißen Stern auf der Stirn zu zieren, an einer und derselben Stelle beständig Haare ausreißen.“

Mantegazza bespricht auch ausführlich die Kleidung und widmet u. a. dem Frauenhut folgende Worte:

„Vom Frauenhut ist es überflüssig zu sprechen, denn er ist ein Ding, das nicht vorhanden ist oder dem Bereich der Archäologie angehört. Der Frauenhut der Gegenwart ist eine Ausstellung von künstlichen Blumen oder Pflanzen, von Vögeln oder nachgebildeten Früchten, oder er ist ein falscher Zopf oder ein Netz oder sonst etwas, nur kein Hut.

O, warum nimmt unser heutiges schönes Geschlecht nicht wenigstens jene braven Frauen zum Vorbild, die Ende vorigen Jahrhunderts ihren Kopf in kleine Gärten umwandelten, in denen lebende Pflanzen wuchsen und natürliche Blumen aufbrachen? Es wäre das immer besser, als den Kopf zu einem Museum der Vogelkunde oder zu einer Leichenhalle zu machen. Lesen wir, was die Frau Baronin von Oberkirch unterm 6. Juni 1782 in ihren Memoiren schreibt:

‚Ich mußte mich frisiren lassen und in Staat werfen, um mich nach Versailles zu begeben. Diese Hoftoiletten dauern eine Ewigkeit, und der Weg von Paris nach Versailles ist sehr mühsam, besonders wenn man achtgeben muß, daß die Unterröcke und Faltensäume nicht ruinirt werden. Ich wollte zum ersten Male einen Kopfputz versuchen, der sehr unbequem, aber sehr in Mode war; einige platte und der Form des Kopfes entsprechend gebogene Fläschchen, die etwas Wasser enthielten und in welche sodann natürliche Blumen mit ihren Stengeln hineingesteckt wurden. Das gelang nicht immer, aber wenn es gelang, war es doch etwas Schönes. Der Frühling auf dem Kopfe, inmitten des schneeweißen Puders, das war von bezaubernder Wirkung.‘“

Die Frauen werden die Hygieine der Kleidung nach Mantegazza nicht verwerfen, denn er stellt den Satz auf: „Das Weib mag sich schmücken, der Mann soll sich kleiden.“ Auch die Wollenen werden mit ihm zufrieden sein, denn er führt den Ausspruch Shakespeares an, daß im Flanell eine Art Zauberkraft stecke, und sagt: „Wolle und weiße Farbe, in diesen Worten sind drei Viertel der Hygieine der Kleidung enthalten!“ Ebenso

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 893. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_893.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)