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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Pholaenopsis Schilleriana.

schließt sich daran naturgemäß die Frage, welche Kräfte denn in der Natur die Uebertragung des Blütenstaubes von einer Blume zur andern bewirken, und die Antwort darauf lautet: die geflügelten Insekten. Die auffallende Färbung, der starke Duft, oftmals beides im Verein lockt die honigsuchenden hungrigen Kerfe, Schmetterlinge, Bienen, Hummeln etc. zu den Blüthen hin, wo, ohne ihr Wissen und Wollen, sich ihren bepelzten Leibern eine gewisse Menge des befruchtenden Pollenstaubes anheftet, den sie alsbald, eine andere Blüthe aufsuchend, auf deren Narbe abstreifen. Blumenfarben wie -düfte sind also von höchster Bedeutung für die Pflanzen, welche zu erfolgreicher Bestäubung des Insekenbesuchs nicht entbehren können. Völlig überflüssig aber würden glänzende Tinten und große Blüthenhüllen dort sein, wo große Mengen trockenen, leicht verstäubenden Pollens gebildet und vom Winde den weiblichen Organen zugeführt werden. Daher suchen wir umsonst bei den Gräsern, den Nadelhölzern, der Hasel, der Eiche etc. nach wirklichen Blumen – sie würden hier gar nicht in Wirksamkeit treten können, denn was sollen dem Winde Farben und Duft? So ergiebt sich naturgemäß die Unterscheidung der blüchentragenden Gewächse nach „Insektenblüthlern“ (Entomophilen) und „Windblüthlern“ (Anemophilen).

Die Orchideen sind ausgesprochene Insektenblumen. Viele von ihnen haben sich bis zu dem Grade ganz bestimmten Kerbthieren bezüglich ihrer Blütheneinrichtung nach Form, Farbe und Umfang angepaßt, daß ein plötzliches Aussterben jener Geschöpfe dort mit Bestimmtheit den allmählichen Untergang der betreffenden Pflanzen nach sich ziehen würde!

Zur Veranschaulichung des Gesagten wollen wir auf die Blütheneinrichtung des auch bei uns, besonders in Thüringen, heimischen „Frauenschuhs“ (Cypripedium calceolus) etwas näher eingehen.

Unsere Abbildung zeigt links die Blüthe des „Frauenschuhs“ in ihrer natürlichen Stellung am Schafte, von vorn und oben her gesehen. Die drei Kelchblätter sind mit s (sepala), die beiden seitlichen Blumenblätter mit p (petala) bezeichnet. Der wichtigste Theil ist p’, das zu einer großen, plump schuhförmigen Lippe (labellum) aufgeblasene untere Blumenblatt von gelblicher Färbung, während die Hüllblätter röthllch braull tingirt sind. Das Labell ist für sich allein im Längsschnitt in 2 noch einmal dargestellt. Es ist bei den Orchideen im allgemeinen der Nektarbehälter, hier führt es zwar keinen eigentlichen Honig, doch sondern die auf der Unterseite stehenden feinen Härchen kleine Tröpfchen einer etwas klebrigen Flüssigkeit ab, die den die Blume besuchenden Insekten immerhin von einigem Werthe sein muß. Im Gegensatz zu anderen Orchideen sind hier die drei Narben oder Stigmen (st) sämmtlich entwickelt, wenn schon sie so miteinander verschmolzen auftreten, daß nur ein Organ der Art vorhanden zu sein scheint. Wie aus 1 und 2

Die Blütheneinrichtung des „Frauenschuhs“.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 173. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_173.jpg&oldid=- (Version vom 26.12.2022)