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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

aufnehmen, oft aber sind es mehr und die Arretierten müssen dann dichtgedrängt und stehend die Fahrt zurücklegen. Es kommt auch vor, daß die Wagen nicht auf einmal die Menge der Arrestanten fortbringen können und zweimal ihren Weg machen müssen. Ihre innere Einrichtung besteht aus einer rings um die Wand laufenden Sitzbank sowie aus zwei zellenartigen Verschlägen für gefährliche Subjekte. Neben diesen Verschlägen, und zwar dicht an der vergitterten Thür, hat der begleitende Schutzmann seinen Platz. Außer nach dem Polizeipräsidialgebäude befördern jene grün angestrichenen, in auffälliger Kastenform gebauten, schwerfälligen, fensterlosen Gefährte die Gefangenen auch nach Orten außerhalb, nach den Gefängnissen im Moabiter Kriminalgericht, in Plötzensee und Rummelsburg, und bringen ebenso die erkrankten Verhafteten nach der Charité, wo eine besondere Abtheilung für sie eingerichtet ist.

Der Grüne Wagen vor einem Polizeirevierbureau.

Rollt der „Grüne Wagen“ in den an seiner Rückseite von den Polizeigefängnissen abgeschlossenen Hof des Präsidialgebäudes herein, so wird hiervon durch ein Klingelzeichen die Schutzmannswache unterrichtet, und zwölf Schutzleute nebst einem Wachtmeister eilen herbei und stellen sich an der Thür des Wagens auf; dann erst wird diese geöffnet, der den Wagen begleitende Schutzmann meldet dem Wachtmeister mit lauter Stimme die Zahl der Fahrgäste und reicht ihm die von den Polizeirevieren ihm eingehändigten Schriftstücke über die Verhafteten.

Das Ausladen des Grünen Wagens im Hofe des Polizeipräsidiums.

„Aussteigen!“ – schon drängen sich an der Thür die Arretierten, eine buntgemischte Gesellschaft, in ihren einzelnen bald eleganten bald verlumpten Erscheinungen das Elend, Laster und Verbrechen der Millionenstadt verkörpernd: hier ein alter, gebrechlicher Mann, der kaum die hohen Trittbretter herunterzuklettern vermag, weniger aus Altersschwäche als wegen des Schnapsdusels, der sein Gesicht flammend geröthet hat; dann einige Vagabunden, echte Baßermannsche Gestalten, deren Kleidung deutlich das häufige Logieren bei „Mutter Grün“ verräth; dort mehrere vor Ermattung und Furcht zitternde bejahrte Frauen und Männer, die beim Betteln ergriffen wurden; dann junge Burschen, einer von ihnen noch mit der Militärmütze auf dem Kopf, die wegen groben Unfugs abgefaßt wurden und auch hier in ihrem Benehmen eine grenzenlose Frechheit zur Schau tragen; neben ihnen ein armer, verhärmt ausschauender Blödsinniger, der auf der Straße gefunden

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 457. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_457.jpg&oldid=- (Version vom 13.12.2020)