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erheben. Das ist ein schönes Ausruhen von einer langen Wochenarbeit. Der „Vogt“ in Ibsens „Brand“ verspottet zwar diese Andacht, wenn er sagt:

„Sechs Tage seufzt man unterm Joche,
Am Sonntag fühlt man sich gerührt;
Wär’ Gottesdienst die ganze Woche,
Wer käm’ zur Kirche noch kutschiert?“

Aber das norwegische Volk empfindet es anders; es ist die Woche über nicht weniger fromm, als wenn es zur Sonntagskirche fährt, und es lauscht mit ernster Andacht den meist einfachen Worten seines Geistlichen. Freilich darf dieser kein Salbader sein, sonst ergeht es ihm wie jenem Geistlichen im Kivledale, den seine Gemeinde im Stiche ließ, als während der Predigt die „Bergjungfrauen“ draußen ihren Zaubergesang anstimmten. Denn die Stimme dieser Jungfrauen ist die reine, schöne der großen norwegischen Natur und dagegen kommt so leicht kein bloßer Moralist auf. L. Passarge. 

Der Aufschneider. (Zu dem Bilde S. 561.) Die „Kunst des Aufschneidens“ ist wie jede Kunst international, daher sind die Jünger des Freiherrn von Münchhausen in allen Zonen, bei allen Völkern daheim.

Heute haben wir es mit einem magyarischen Mitgliede der großen Gilde zu thun, offenbar mit einem jener wandernden Tausendkünstler, die sich allerorten durch ihre vielseitigen Talente als Maurer, Zimmerleute, Kesselflicker, Rastelbinder, Rattenfänger und Kurschmiede nützlich machen. Namentlich in entlegenen Bauerngehöften ist dieser Allerweltskünstler stets ein gern gesehener Gast, und als solchen sehen wir ihn nach reichlichem Mahle im Begriffe, den wohlhabenden Hofbauer sammt zahlreicher Familie, Freundschaft und Gesinde mit einer Probe seines angeborenen Erzählertalentes zu ergötzen.

„‚Na, Imre,‘ sagte eines Tages mein Vater, der, wie Ihr wißt, herrschaftlicher Jäger war,“ also begann der Erzähler – „,na, Imre, der Herr hat heute Gäste und will sie mit Wachteln bewirthen, sorge also, daß die Schüssel voll wird bis zum Rande.‘ Und mein Vater wußte wohl, warum er mir den Auftrag gab, da ich den Wachtelschlag derart nachzuahmen verstehe, daß die Thiere mir nachlaufen wie die Küchlein der Gluckhenne. Schon nach einer Stunde hatte ich die Jagdtasche mit einem halben Hundert Wachteln gefüllt – ein Dutzend mehr oder weniger thut nichts zur Sache, und so zog ich mich aus der Sonnengluth der Felder in den schattigen Wald zurück, um mein Frühstück in aller Ruhe zu verzehren. Wie ich so meinen Paprikaspeck esse, höre ich plötzlich ein gewaltiges Krachen in den Büschen und ein seltsames Brummen dazu, und wie ich aufseh’, erblicke ich einen Bären, der – na ich will nicht lügen – mindestens um die Hälfte größer ist als ich, der jedoch ganz wohlgemuth an mir vorüber trabt. Gott sei Dank, denke ich, im selben Augenblick aber bemerke ich, daß das Unthier einen Schafspelz unter den Armen trägt, in dem – Ihr könnt Euch mein Entsetzen denken – ein etwa sechsjähriges Büblein eingewickelt war. Daß der einfältige Zottelmann ein Schaf unter dem Arme zu tragen glaubte, war mir eben so klar, wie daß ich das Büblein retten mußte, indessen wie? – da lag der Hund begraben. Zum Glück fiel mir ein, daß Meister Zottelmann ein leckerer Bursche ist, welcher ein fettes Ferkel jedem andern Braten vorzieht. So sprang ich denn seitwärts in das Dickicht und begann jämmerlich zu quieksen. Und wie ich gehofft, so geschah es. Der Zottelmann ließ sein vermeintliches Schäfchen fallen und eilte mir nach, und zwar zu meinem Schrecken so rasch, daß an ein Entrinnen nicht zu denken war. Kutya terremtete, ich war nie ein Hasenfuß, allein als ich das Riesenvieh vor mir sah, mit glühenden Augen und wuthschnaubendem Rachen, da stiegen mir doch die Haare zu Berge. Denn meine Puschka (Flinte) war nur mit Pulverdunst geladen, und so stand ich dem Ungeheuer so gut wie wehrlos gegenüber. Na, wo nichts mehr hilft, da thut ein bißchen Mutterwitz seine Schuldigkeit. Ich lasse also das Malefizvieh so nahe herankommen, daß ich die Zähne in seinem Rachen zählen kann, ziele dann gerade zwischen die Augen und drücke los. Alle Wetter, das Gebrüll, mit dem die geblendete Bestie die tellergroßen Tatzen nach mir ausstreckte, vergesse ich mein Lebtag nicht! Ich, nicht faul, ducke mich und will unter den Tatzen weg, aber da hat er mich auch schon am Rockkragen, und ich wär’ verloren gewesen, hätte ich nicht wohlweislich meinen Rock im Stich gelassen. Jetzt könnt Ihr Euch denken, daß ich keine Lust verspürte, noch länger Blindekuh zu spielen; ich nahm das halb ohnmächtige Büblein in die Arme und lief, so schnell mich meine Füße trugen, ins Dorf, wo die verzweifelte Mutter mich – na, vor ledigen Weibsleuten will ich nicht weiter davon reden“ – unterbrach sich der Redner mit einem schelmischen Blick auf die schöne Tochter des Hauses – „der blinde Zottelmann aber fiel bald darauf in die Hände wandernder Bärentreiber und zeigt noch heute auf allen Märkten seine Kunststücke. Ihr könnt ihn getrost fragen, ob ich die Wahrheit geredet habe. Will gehängt werden, wenn er ,nein’ sagt.“ F. Sch. 

Vicefeldwebel Werner, der älteste deutsche Soldat.
Nach einer Photographie von J. Engelmann in Posen.

Der älteste deutsche Soldat. Ein wenig grob, im Dienst peinlich gewissenhaft und doch im Grund der Seele gemüthlich – so war er, der älteste Soldat des deutschen Heeres, der Vicefeldwebel Werner zu Posen, dessen Tod Ende Juni dieses Jahres von den Blättern gemeldet wurde. Werner war in Warschau geboren am 20. Juni 1799, also zu einer Zeit, wo diese Stadt noch preußisch war, und er hat somit das hohe Alter von 92 Jahren erreicht. Am 7. April 1822 trat er in die Armee ein; im Jahr 1860 wurde ihm das Amt eines „Schlüsselmajors“ und Brückenaufziehers auf dem Fort Winiary in Posen übertragen. Dort feierte er auch 1882 sein sechzigjähriges Dienstjubiläum, aus Anlaß dessen er durch die Verleihung des Hohenzollernschen Hausordens ausgezeichnet wurde. Drei Jahre spater reihte sich an dieses dienstliche Fest ein familiäres: das seiner diamantenen Hochzeit.

Seit dem Tode Kaiser Wilhelms I. war Werner der Senior des Heeres; als ein Freund den immer noch rüstigen Greis darauf aufmerksam machte, äußerte dieser: „Ja, der älteste Soldat – das bin ich jetzt, aber somit auch der erste Todeskandidat.“ Nun, es sind schon noch einige Jahre hingegangen, bis der „Todeskandidat“ von seinem Posten abberufen wurde zur „großen Armee“. Unter fünf Herrschern hat er seinem Vaterland gedient, fast 70 Jahre lang ist er Soldat gewesen, fast ein Jahrhundert ist an ihm vorbeigezogen mit einer unendlichen Fülle von weltbewegenden Ereignissen und Entdeckungen – er hat die Ruhe verdient, die er jetzt gefunden hat, der „Herr Oberstwachtmeister“, wie er gern sich nennen hörte.




II. Quittung.0 Zum Denkmal für Hoffmann von Fallersleben auf Helgoland

gingen ferner ein: 20 Mk. von Julius Brohn in Berlin; 1 Mk. von Direktor Feist in Ohlau; 1 Mk. von Oberlehrer Dr. Preibisch das.; 1 Mk. von Schulrath Schröter das.; 1 Mk. von Rektor Preusker das.; 7 Mk. 70 Pf. vom Stammtisch im „Löwen“ das.; 1 Mk. von Oberlehrer Zorn das.; 1000 Mk. von dem Magistrat der Stadt Berlin; 20 Mk. von Graf von Dönhoff, Mitglied des Herrenhauses, in Berlin; 15 Mk. von der Liedertafel in Gera; 62 Mk. von der Loge in Celle; 3 Mk. von dem Großherzogl. Bezirksbau- und Stadtbaurath a. D. A. Möslein in Weida; 100 Mk. von Sr. Majestät dem Deutschen Kaiser Wilhelm II.; 3 Mk. von Rechtsanwalt Justizrath Reichardt in Weimar; 3 Mk. von L. R. das.; 45 Mk. Sammlung von George Knetsch in Kassel; 30 Mk. desgl. bei einer Weihnachtsgesellschaft in der alten Reichsstadt am Main; 1 Mk. 50 Pf. aus Elbing; 1 Mk. 20 Pf. vom Gymnasiast Hinrich Claussen in Altona; 20 Mk. 50 Pf. von der Loge Todtenkopf und Phönix in Königsberg i. Pr.; 10 Mk. von A. Krauter in Berlin, 1. Rate; 50 Mk. Sammlung von Hofbuchhändler A. Schwartz in Oldenburg; 20 Mk. von der Loge zur Brudertreue an der Elbe in Hamburg; 20 Mk. von Brauereibesitzer C. Breithaupt in Berlin; 20 Mk. von Kommerzienrath Adolf Schmidt in Viersen; 100 Mk. von der Loge in Greiz; 20 Mk. von Fabrikbesitzer Emil Croon in M.-Gladbach; 300 Mk. von Kommerzienrath Krupp in Essen; 100 Mk. von Kommerzienrath Haniel in Ruhrort; 30 Mk. von Kommerzienrath W. Scheidt in Kettwig; 100 Mk. von Kommerzienrath P. Busch in Hochneukirch; 20 Mk. von Kommerzienrath E. Michels in Köln; 20 Mk. von Kommerzienrath G. Conze in Langenberg (Rheinland); 20 Mk. von Kommerzienrath Karl Lueg in Oberhausen; 20 Mk. von Kommerzienrath Theod. Croon in M.-Gladbach; 20 Mk. von Kommerzienrath W. Quack das.; 20 Mk. von Gutsbesitzer C. H. Roechling in St. Johann; 20 Mk. von Bankier A. v. Randow in Crefeld; 20 Mk. von Rentner Albert Croon in Rheydt; 10 Mk. von Gutsbesitzer C. Kratz in Hermgesberg; 10 Mk. von Gutsbesitzer Schönnenbeck in Broich; 10 Mk. von Gutsbesitzer Cl. Hoffstedt in Vogelheim; 10 Mk. von Kaufmann W. Trimborn in Grevenbroich; 5 Mk. von Fabrikbesitzer Ernst Kropp in Rheydt; 20 Mk. von Fabrikbesitzer Karl A. Busch in M.-Gladbach; 10 Mk. von Fabrikbesitzer Franz Daniel Busch in Rheydt; 20 Mk. von Fabrikbesitzer Karl Schmölder das.; 20 Mk. von Fabrikbesitzer Herm. Schött das.; 5 Mk. von Kaufmann Gust. Peltzer das.; 5 Mk. von Kaufmann C. Vierhaus das.; 5 Mk. von Fabrikbesitzer Herm. Nacken das.; 3 Mk. von Fabrikbesitzer Alexander Schmitz das.; 3 Mk. von Fabrikbesitzer Moritz Lenssen das.; 5 Mk. von Fabrikbesitzer Carl Fellinger in M.-Gladbach; 10 Mk. von Direktor A. Buschhüter das.; 10 Mk. von Kaufmann Robert Lenssen das.; 10 Mk. von Kommerzienrath F. W. Greef in Viersen; 7 Mk. 62 Pf. von der Allgemeinen Turngemeinde in Gera; 6 Mk. von der Loge in Düsseldorf; 25 Mk. von der Loge zu den ehernen Säulen in Dresden. 0 Summe der II. Quittung: 2476 Mark 52 Pf.0 Gesammtbetrag der I. und II. Quittung: 4114 Mark 37 Pf.




Inhalt: Noch klingt’s im Föhrengrunde. Gedicht von Karl Schäfer. Mit Bild. S. 549. – Baronin Müller. Roman von Karl v. Heigel. (6. Fortsetzung). S. 550. – Sonntagmorgen bei der Kirche von Ullenswang am Hardangerfjord. Bild. S. 552 und 553. – Luxemburg. Geschildert in Wort und Bild von Paul Clemen. S. 555. Mit Abbildungen S. 556 und 557. – Die Kamerunerin. Eine romantische Geschichte von H. v. Götzendorff-Grabowski (3. Fortsetzung). S. 558. – Der Aufschneider. Bild. S. 561. – Kleine Fälschungen. Von Dr. Söhns. S. 562. – Blätter und Blüthen: Im Kampf mit der Straßenschleppe. S. 563. – Sonntagmorgen bei der Kirche von Ullerswang am Hardangerfjord. Von L. Passarge. S. 564. (Zu dem Bilde S. 552 und 553.) – Der Aufschneider. S. 564. (Zu dem Bilde S. 561.) – Der älteste deutsche Soldat. Mit Bildniß. S. 564. – II. Quittung. Zum Denkmal für Hoffmann von Fallersleben auf Helgoland. S. 564.




Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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