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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Schiff, heben sollen. Zu diesem Zwecke werden sie leer auf den Grund gebracht, dann am Schiffe befestigt und durch eine Luftpumpe mit Luft gefüllt, bis sie durch ihren Auftrieb das Schiff heben. Ein Ballon von 700 Kubikfuß Inhalt sollte nach Bauers Berechnungen eine Tragfähigkeit von etwa 200 Zentnern haben, sodaß 40 Stück eine Last von 8000 Zentnern heben würden.“

Bauer war in der Lage, die Richtigkeit seiner Behauptung zu beweisen und durch seine Kamele wirklich ein Schiff zu heben.

Am 1. März 1861 war auf dem Bodensee, an der Schweizer Seite, der bayerische Postdampfer „Ludwig“ durch den Dampfer „Zürich“ in der Dunkelheit und bei starkem Nebel in den Grund gebohrt worden. Bauer übernahm zwei Jahre später unter sehr ungünstigen Bedingungen den Auftrag, das 120 Fuß lange Fahrzeug binnen einiger Monate aus einer Tiefe von 65 Fuß zu heben; seine Mittel reichten nicht einmal zur Herstellung der Hebekamele, sodaß er an deren Stelle große Fässer setzen mußte. Diese wurden mit Wasser gefüllt, in die Tiefe gezogen und um das Schiff her befestigt. Um 2500 Zentner Tragkraft zu gewinnen, bedurfte er natürlich vieler Fässer, und von den herbeigeschafften zeigten sich nur wenige stark genug für seinen Zweck. Endlich stand ihm nicht einmal eine Luftpumpe zu Gebote, mit gewöhnlichen Feuerlöschspritzen mußte er das Wasser in der Tiefe aus den Fässern heraustreiben. So war es mit großer Mühe und noch größerem Zeitverlust für ihn verknüpft, nur die einfache Hebekraft zu gewinnen.

Trotz all der kläglichen Aushilfsmittel ging Bauer doch mit seinen Tauchern rüstig an die Arbeit, und bald gelang es ihm, mit 27 Fässern das Schiff aus dem Lehmgrund, in den es tief eingesunken war, herauszubefördern, die „Adhäsion“ vollständig zu brechen. Mit weiteren 10 Fässern hob er das Hintertheil 5 Fuß vom Grunde empor, und am 29. Mai stand das Schiff schon so hoch, daß 5 große Tragfässer auf der Oberfläche schwammen und der Dampfer in allen Theilen sichtbar war. Da kam, statt des erwarteten und verheißenen Schleppdampfers, der den „Ludwig“ in einen sicheren Hafen führen sollte, ein furchtbares Gewitter mit hochbewegter See, die Wellen schlugen die tragenden Fässer aneinander, zertrümmerten sie und der „Ludwig“ sank nach denselben Gesetzen, mit deren Hilfe man ihn heraufgebracht hatte, wieder in die alte Tiefe hinab. Noch zweimal, am 7. und am 23. Juni, erfolgte die Hebung, allein auch diese beiden Male mißglückte die Bergung, da die Schleppfahrzeuge nicht zur rechten Zeit an Ort und Stelle waren.

Bauer arbeitete indessen unverdrossen an dem übernommenen Werke fort, bis ihm dessen Ausführung mit seinen Hebekamelen wirklich gelang und der „Ludwig“ am 21. Juli 1863 nach Rorschach gebracht wurde. Als man sich dem Ufer näherte, ließ einer der Taucher die Schiffsglocke des wiedererstandenen Schiffes ertönen, wobei, wie ein Augenzeuge berichtet, viele die Thränen nicht zurückhalten konnten.

Vor dreißig Jahren beschäftigten die unterseeischen Kamele lebhaft die öffentliche Meinung, auch die „Gartenlaube“ ist von Anfang an in einer Reihe von Artikeln aus der Feder von Dr. Friedrich Hofmann aufs wärmste für Bauers Erfindungen eingetreten und hat bei dieser Gelegenheit eine Abbildung des Hebeapparates gebracht (Jahrg. 1862, S. 60 und 61). Eine verkleinerte Wiedergabe dieses lehrreichen Bildes findet sich auch in dem oben erwähnten Buche „In Meerestiefen.“

Bauers Erfindungen wurden in unserer raschlebenden Zeit früher vergessen, als sie verdienten. So wurde z. B. noch vor zwei Jahren an dem französischen Unterseebot von Goubet besonders die Sicherheit und Verläßlichkeit hervorgehoben, mit welcher das Fahrzeug unter Wasser auf und absteigen kann, und als ein großer Fortschritt gelobt. Dieser Vorzug wird aber durch Einlassen des Wassers in den Schiffsraum und wieder durch Auspumpen erzielt – und dasselbe „neue“ Prinzip war schon bei dem ersten Brandtaucher Bauers in Anwendung gebracht, wie an dem gehobenen Wrack im Kieler Hafen genau festgestellt werden konnte. Wahren wir also dem ursprünglichen Erfinder, dessen Los wie das so vieler seiner Geistes- und Leidensgenossen kein leichtes gewesen ist, den wohlverdienten Ruhm! C. Falkenhorst.     




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Eine Fahrt um die Braut.

Erzählung aus Helgolands Vergangenheit von Helene Pichler.

Ein dunkler stürmischer Herbstabend lag über Helgoland. Der brausende Nordwest scheuchte alles Lebende in die Hütten und Häuser und zwang die Bewohner der Insel, ihre Thüren „dicht“ zu halten. Drinnen in den Stuben brannten die Zinnlampen trübe, und alt und jung hockte zusammen an den warmen Oefen. Die Stimmung war durchaus keine fröhliche, denn man schrieb das Jahr 1808, die europäischen Völker wurden durch die Kriegsfurie fort und fort gegen einander gehetzt, und obgleich sich die Helgoländer wenig um Politik kümmerten, so lange sie auf ihrem meerumbrandeten, Felseiland in Ruhe gelassen wurden, so war doch der jetzige Zustand ein höchst unbequemer, mit dem sich die friesischen Hartköpfe nicht abzufinden wußten. Vor einem Jahre nämlich war ihre Insel von den Englandern besetzt worden, die sich freilich durch ein gewisses Verständniß für die Sonderart des kleinen friesischen Inselvolkes beliebt zu machen verstanden; aber man wußte doch nicht recht auf Helgoland: war man noch dänisch, oder schon englisch. Jedenfalls benahmen sich die Engländer bereits als Herren der Insel; sie benutzten dieselbe als Stapelplatz für die Kolonialwaren, die infolge der von Napoleon I. verhängten Kontinentalsperre nur auf Schleich- und Schmuggelwegen in die englsch-hannoverschen Provinzen und weiter hinein ins deutsche Reich geschafft werden konnten, um dort der Noth und Theuerung etwas zu wehren. Die Helgoländer Fischer gaben zu diesem Schmuggelverkehr sehr gern ihre Fahrzeuge wie die nöthigen Mannschaften her, denn sie selber waren an Nahrung und Erwerb durch die Kontinentalsperre aufs schwerste getroffen; war diese doch schuld, daß die Fischer mit ihrer silberschuppigen Ware die Fischmärkte von Bremen und Hamburg nicht mehr besuchen konnten, und sie hätten mit Weib und Kind hungern müssen, wenn nicht die Engländer Nahrungsmittel auf die Insel geschafft hätten.

So machte es sich denn ganz von selbst, daß die Helgoländer neben den Schmuggelfahrten auch die weit gefährlicheren heimlichen Postfahrten nach dem Festland übernahmen; gefährlicher deshalb, weil die Franzosen mit aller Macht darauf ausgingen, jeden brieflichen Verkehr der deutschen Staaten mit dem Auslande und besonders jede derartige Verbindung Englands mit seinen deutschen Provinzen zu verhindern. Es war bereits zweimal vorgekommen, daß man junge Männer mit Briefschaften aufgegriffen und ohne weiteres „standrechtlich“ erschossen hatte.

Gegen solche Willkür und Tyrannei lehnten sich die Gemüther der friesischen Fischer ebensosehr auf wie die der berechnenden Engländer. Der Franzos war der gemeinsame Feind, gegen den sie beide sich wehrten.

An jenem stürmischen Herbstabend stieg eine weibliche Gestalt langsam und sorglich sich umschauend im Dunkeln die große Treppe hinab, die von dem hohen Felsplateau zu dem sandigen Vorlande, dem Unterland, hinabführt. Sie hatte den unteren Saum ihres Kleides hoch genommen und über den Kopf gezogen; vorsichtig setzte sie einen Fuß vor den andern, um nicht bei einem Fehltritt durch den heulenden Sturm in die Tiefe geschleudert zu werden.

Auf dem zweiten Absatz der „Börrig“, wie der Helgoländer die große Treppe nennt, hielt sie ein wenig inne und lehnte sich tiefathmend gegen die Felswand; gar zu wild stöhnte und kreischte es in den Lüften, und die dunkle See rauschte dazu und leckte mit weißen Zungen hoch empor an dem Eiland. Es war eine schöne kräftig gebaute Mädchengestalt, die weiterschreitend jetzt mit dem Fuß nach der nächsten Stufe tastete. Da tauchte in dem Nachtdunkel unter ihr ein Kopf auf, der sich rasch höher und höher schob: vom Unterlande kam ein Mensch herauf. Das Mädchen zog rasch ihr Kleid dicht übers Gesicht zusammen, um nicht erkannt zu werden, aber im selben Augenblick tönte es schon: „Gesche!“ „Lars!“

Die beiden hatten sich trotz Sturm und Finsterniß erkannt, und hastig flog nun Rede und Gegenrede hin und her, während sie sich unter Windesheulen und Regengüssen auf dem Felsvorsprung zu halten suchten.

„Wohin zur Stunde und bei dem Wetter?“ fragte Lars mit merklichem Unmuth in der Stimme.

„Wohin sonst als zu Dir?“ erwiderte das Mädchen mit fliegendem Athem, „Vadder is ganz kaput, von wegen der Wunde am Knie, die wieder aufgebrochen ist. Nun liegt er elendig da und brummt und knurrt, weil er keinen Ersatzmann für die Postfahrt morgen hat, und da dachte ich –“

Gesche stockte und Lars wiederholte fragend. „Da dachtest Du …?“

„Natürlich! da dachte ich – wenn Lars Ersatzmann sein wollte, und es ginge alles gut, dann –“

Der junge Fischer ließ die Geliebte nicht ausreden. „Dann würde es vielleicht doch ’was werden können mit der Gesche und dem Lars? He, das meinst Du doch?“ Er stieß ein kurzes gedämpftes Lachen aus, sodaß Gesche ganz erschrocken ihre arbeitsrauhe Hand auf seinen Mund legte. Herrgott, wenn jemand das Lachen gehört hätte! Gesche zitterte bei dem Gedanken an eine Entdeckung dieser nächtlichen Zwiesprache; mit ihrem guten Ruf wär’ es für immer aus und vorbei, und die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 720. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_720.jpg&oldid=- (Version vom 24.10.2023)