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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Salon des 17.–18. Jahrhunderts aus einem Puppenhause.

Das Seitenstück zur weiblichen Puppe ist der Dockenmann oder der Dockenhansel, dem auch wohl ein Dockengaul zur Verfügung stand. Auch mit diesen spielten die Mädchen gern; Fischart, der große Satiriker, weiß wohl, warum: „Und was ist’s Wunder,“ sagt er, „daß die Weiber so fein wissen, mit ihrem Ehegetrauten umbzugehen, demnach sie es doch von Jugend auf mit Docken und Poppen also gewöhnen, daß sie nachgehends in der Ehe auch solche Poppenspiel mit ihrem Ehegepaarten üben.“

Die Kinder waren im Mittelalter noch nicht so anspruchsvoll wie heute; gefärbte Eier, kleine, aus Holz geschnitzte und bemalte Vögel, mit Erbsen gefüllte Blasen, kleine bewegliche Windmühlen, aus Thon gebrannte Pfeifen in mancherlei Thiergestalt waren dankbar begrüßte, hochwillkommene Geschenke. Die Knaben tummelten ihre Steckenpferde, ließen die aus Papier oder Pergament gemachte Windmühle lustig vom Winde drehen und spielten mit besonderer Vorliebe mit Schussern oder Marbeln, zu welchem Zwecke sie sich Gruben an den Straßen aushöhlten. Schon im 17. Jahrhundert jammerten die Mütter, daß die schweren Steinkügelchen den Knaben die Kleider zerreißen:

„Die Schnellkuglen gfallen den Buben,
Schnelln sie artlich nach den Gruben,
Pflegen ihre Röck’ so voll zu laden
Daß es den Kleidern bringt viel Schaden.“

Waren die Knaben größer geworden, so gingen sie wohl auch mit dem Blaserohre auf die Vogeljagd.

Ein kunstvolleres Spielzeug des Mittelalters beschreibt die Aebtissin Herrad von Landsberg in einer Handschrift des 12. Jahrhunderts. Es war freilich nur solchen Knaben erreichbar, welche in der Wahl ihrer Eltern recht vorsichtig gewesen waren, denn es diente bei der Erziehung von Prinzen und Söhnen hoher Adliger als Vorbereitung zu den ritterlichen Uebungen. Es bestand aus zwei geharnischten Gliederpuppen, die mit Schild und Schwert bewaffnet waren und die man durch Ziehen an Schnürchen mit einander kämpfen lassen konnte. Kaiser Maximilian, der letzte Ritter, hatte als Kind ein ähnliches Spielzeug, doch waren es hier zwei stolze Ritter hoch zu Roß. Die Kunstsammlungen des österreichischen Kaiserhauses bewahren zwei solcher Figuren noch im Original. Es sind Ritter in Rennharnischen des 15. Jahrhunderts, in Bronzeguß ausgeführt und auf Rädern stehend. Man steckte ihnen kleine Stäbchen als Lanzen in die zu diesem Zwecke durchlöcherte Hand und rollte sie dann durch Stöße aufeinander zu, so daß die Stäbchen an den Tartschen zersplitterten.

Puppengalawagen aus dem 18. Jahrhundert.

Wie bei Kaiser Maximilian, dem mächtigsten Förderer des Turnierwesens, so deutet auch bei einem anderen deutschen Fürsten das Spielzeug des Kindes auf die Liebhaberei des Mannes hin. Der jagdliebende Kurfürst August von Sachsen wußte dem zwölfjährigen Kurprinzen zum Christgeschenke nichts Besseres und Schöneres zu geben als eine Jagd. Je vier Sauen, Hirsche, Hirschkühe, Rehe, Füchse, Hasen und Wölfe, verfolgt von 24 Hunden, 6 Jägern zu Fuß und 7 Reitern, denen 10 Pferde und ein Maulesel zur Verfügung standen, sowie ein Schlitten, also ein Jagdzug von 77 Stück, bewegten sich auf dem Schlosse zu Torgau im Jahre 1572 über den Weihnachtstisch des Prinzen Christian, der dann später auch richtig ein leidenschaftlicher Jagdfreund wurde. Die beiden Prinzessinnen, 10 und 5 Jahre alt, erhielten eine außerordentlich reiche Kücheneinrichtung, in welcher namentlich das Zinngeschirr vorzüglich vertreten war, u. a. durch 71 Schüsseln, 40 Bratenteller, 36 Löffel, 106 Teller, 28 Eierschüsseln etc. Von sonstigem Hausgeräthe sind zu erwähnen: Schränke, Tische, Stühle, Nähkissen, eine Wiege aus Draht, Badewannen, Schreibzeuge, Barbierbecken, ferner ein kleiner Hühnerhof.

Um den fürstlichen Kindern aber auch den Ernst des Lebens zu Gemüthe zu führen, hatte der Heilige Christ zwei Ruthen mitgebracht. Alle diese Dinge hatte Herr Bürgermeister Hieronymus Rauscher in Leipzig besorgt.

Stall und Keller aus einem Puppenhause von 1639.

Den Kindern war mit der Zeit das Weihnachtsfest, an dem sich alles freuen sollte und man sogar die Hausthiere und Sperlinge bewirthete, ohne Leckereien und ohne Spielzeug undenkbar geworden, wenn es auch natürlich im bürgerlichen Hause nicht so hoch herging wie im fürstlichen Schlosse und die Christgeschenke im ersteren zum großen Theile aus Gebrauchsgegenständen bestanden, welche der Herr Papa oder die Frau Mama ohnedies hätten kaufen müssen. So bekamen z. B. die neun Kinder des Christoph Löffelholz v. Colberg in Nürnberg zu Weihnachten 1619 von ihrer Mutter – der Vater war im Januar gestorben – neben einigen Leckereien vor allem Kleidungsstücke und Toilettengegenstände, darunter die sechzehnjährige Anna Sabina schwarzatlasene Zöpfe und ein Spartrühlein, welch letzteres überhaupt damals als Christgeschenk eine große Rolle spielte. Dem vierzehnjährigen Wolf hatte das Christkind u. a. ein halb Dutzend Fatzenedlein (d. s. Sacktücher), eine Schlange in einem Büchschen, ein Messer und ein Wachsstöckchen (beide wiederholen sich auch meist bei den andern Kindern), sowie einen Hirsch von Backwerk beschert; das Backwerk des zwölfjährigen Mathias hatte die Form einer Laute, und statt des Messers hatte er ein Schreibzeug, Papier, rothe Tinte und eine Pfeife erhalten, mit welcher er der Mutter gar arg die Ohren vollgeblasen haben mag. Einen Seiltänzer um sechs Kreuzer hatte u. a. der elfjährige Johannes bekommen. Ganz besonders reich war das siebenjährige Bärbelein, wohl der Mutter Liebling, beschenkt worden. Es hatte gar zwei Messerlein, eine große Puppenwiege nebst Einrichtung, dann einen Hänslabuben (Dockenhansel, männliche Puppe), Schreibzeug, Lineal, Einmaleins, Psalter, Gebetbuch, ein Spinnrädchen, dann an

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 852. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_852.jpg&oldid=- (Version vom 24.11.2023)