Seite:Die Gartenlaube (1891) 853.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Puppengeschirr eine Küchenschüssel, Häfen, Krüge, Schalen, Flaschen, Becken und silberne Löffel erhalten. Die kleine fünfjährige Maria Salome war mit ihrer Docke, dem Wägelchen dazu, ihrem Katechismus, den Griffeln und einer Schachtel wohl ebenso zufrieden. Auch der ganz Kleinen vergaß das Christkind nicht; stolz zeigte die dreijährige Anna Marie ihr Armkörbchen, ihren Hanselbuben, Geige und Tafel, und das Nesthäkchen, die zweijährige Katharina, unterhielt sich prächtig mit ihrer Docke, beruhigte sie mit der Kinderklapper und schaute fleißig in ihr Spartrühlein, ob denn der Kreuzer sich immer noch nicht vermehrt habe.

Puppenzimmer aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges.

Ebenso praktischer Natur waren die Festgeschenke, welche Herr Lucas Friedrich Behaim seinen Angehörigen spendete und über welche er als gewissenhafter Hausvater sorgfältig Buch führte. Die drei Kinder, ein Mädchen von 71/2 und zwei Knaben von 61/2 und 11/2 Jahren, erhielten am Weihnachtsfeste des Jahres 1622 verschiedene Ellen Zeug, Borten, Knöpfe, 100 Nadeln, Faden, „Häcklein und Schleiflein“ (Haken und Oesen), Stiefel, Pantoffel, Schuhe, einen Schurz, einen Schulkorb, Gesangbücher, eine Tafel, eine goldene Haarhaube u. a. Für allerlei „Dockenwaar“ hatte Herr Behaim 6 fl. 33 Kr. aufgewendet. Die Gesammtausgaben für das „Kindleinbescheeren“ beliefen sich auf 68 fl. 28 Kr., wovon die Frau des Hauses die Hälfte bar erhalten hatte. Die unruhige schwere Zeit gestattete einen solchen Aufwand nicht alle Jahre; er betrug 1623 noch 42 fl. 54 Kr., 1626 gar nur 14 fl. 3 Kr. Im Jahre 1625 durften die Kinder zum ersten Male selbst den berühmten Nürnberger „Kindlesmarkt“ besuchen, auf dem sich die Bewohner ganz Frankens und der angrenzenden Länder schon vor Jahrhunderten mit den Herrlichkeiten versahen und zum Theil heute noch versehen, mit welchen sie ihre Kinder zu Weihnachten erfreuen und überraschen wollen. Ein Kapital von acht Kreuzern erhielten die Kinder zusammen für ihre Einkäufe. Als im Jahre 1647 die fünf Enkelein des Herrn Behaim zum ersten Male sich dieses Vergnügen erlauben durften, bekam jedes derselben vom Großpapa sechs Kreuzer; so gut hatten es die Eltern nicht gehabt. Leider zählt Herr Behaim die einzelnen Spielsachen nicht auf, die er für seine Kinder, später für seine „Eniglein“ gekauft hat; es heißt nur immer für „Dockenwaar“ so und soviel. Nur hie und da macht er eine Ausnahme; so 1624, in welchem Jahre die Buben einen Wagen mit zwei Pferden, die Puppe Sabinens ein neues Brüstlein um 15 Kreuzer bekam; es dürfte also eine ganz respektable Puppe gewesen sein. Im Jahre darauf erhielt jeder der Knaben eine Brettleinsgeige, eine Karbatsche und die zehnjährige Sabine u. a. – schrecklich, aber wahr! – ein Paar Zöpfe um einen Gulden!

Zinnernes Puppenschiff aus dem 17. Jahrhundert.

Die Kinder anderer reicher Patrizierfamilien, namentlich Nürnbergs und Augsburgs, besaßen aber auch geradezu fürstliche Spielzeuge, die sogenannten Puppen- oder Dockenhäuser, um die sie wohl manche Prinzessin beneidet haben dürfte. Heutzutage ist ein Kind recht froh, wenn ihm das Christkindchen ein Puppenzimmer, ein andermal eine Puppenküche bescheert; jenen standen gleich ganze Häuschen zur Verfügung, welche vom Keller bis zum Dachboden in einer Reihe von Stockwerken alle die Räume enthielten, welche in den Häusern ihrer begüterten Väter üblich waren.

Schlaf- und Kinderzimmer aus dem Puppenhause von 1639.

Keller, Stall, Waschküche, Badezimmer, Hausflur, Treppenhaus, Kaufladen, Speisekammer, Küche, Mägde- und Schlafkammern, Wohn-, Prunk- und Kinderzimmer, alles war vertreten und aufs sorgfältigste und genaueste ebenso eingerichtet und ausgestattet wie ein Patrizierhaus jener Zeit. In den schön getäfelten und bemalten Zimmern findet sich vom eingelegten und geschnitzten, reich mit Leinwand gefüllten Schrank, dem Stolz der Hausfrau, bis zum Vogelkäfig, von dem Himmelbette mit dem spitzenbesetzten Betttuch und dem mit Einsätzen versehenen Kissen bis zur Mausfalle, vom Spinett bis zu den Kinderspielwaren – Schaukelpferd, Brettspiele, Spielkarten, Klappern, Puppengeschirr, Bälle – alles, was man sich nur denken und wünschen kann. Kein Wunder, daß manche der glücklichen Mädchen, die einen solchen Schatz ihr eigen nannten, damit spielten, bis sie Bräute wurden.

Ein solches „Spielwerk“ kam manchmal über 1000 Gulden zu stehen. Ihre Kostbarkeit ist wohl die Ursache, daß sich noch so manches Puppenhaus – das germanische Museum in Nürnberg besitzt allein vier – erhalten hat; vielleicht wirkte dazu auch der Umstand mit, daß die Kinder eben nur sehr selten mit diesem theuren Spielzeug sich unterhalten durften. Wenigstens ist es so den Kindern des Herzogs Albrecht V. von Bayern gegangen, der 1558 ein

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1891). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1891, Seite 853. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_853.jpg&oldid=- (Version vom 24.11.2023)